Der aus Argentinien
stammende Gabriel Agudo (Sänger, Musiker, Songschreiber und Produzent)
ist seit Jahren Progressiven Rock unterwegs. Parallel zu seiner Soloarbeit
gehörte er auch als Leadsänger zur Steve Rothery Band und zur Band In
Continuum (von Dave Kerzner). Im Jahr 2020 erschien unter seinem Namen
Gabriel sein Solo-Debüt-Album „New Life“.
Für sein Konzert beim
Artrockfestival hatte er sich um die folgenden Musiker verstärkt: Bill
Hubauer (Keyboards), Fernando Perdomo (Gitarre), Jimmy Pallagrosi
(Schlagzeug) und Alex Lofoco (Bass). Seine „Begleitband“ aus hochkarätigen
Musikern hatte er extra zusammengestellt. Bekanntester Name in der
Progszene dürfte dabei wohl Bill Hubauer sein, der seit einigen Jahren
fester Bestandteil der Neal Morse Band ist. Fernando Perdomo hat bereits
mit Eric Clapton und Neil Young gearbeitet und Alex Lofoco ist ein
arrivierter Bassist und veröffentlichte mit seinem Projekt Crossflare in
2022 ein Album, an dem Jordan Rudess und Marco Minnemann als Gastmusiker
beteiligt waren. Schlagzeuger Jimmy Pallagrosi wiederum war Mitglied der britischen Band Karnataka.
Für mich war dieser Gig
eine Wundertüte, hatte ich doch bisher nichts von Gabriel Agudo gehört.
Wie sich aber herausstellen sollte, war sein Gig der nächste große Abräumer
dieses zweiten Festivaltages voller Highlights.
Agudo hatte mit Bill
Hubauer einen klasse Mann hinter den Tasten und auch Basser Alex Lofoco
zeichnete sich durch fette Basslicks aus. Der Knaller waren aber
Schlagzeuger Jimmy Pallagrosi, der wie das Tier aus der Muppet-Show bzw.
Keith Moon einen dynamischen und druckvollen Part hinlegte und Gitarrist
Fernando Perdomo, der auf eine ganze liebe und nette Art etwas verrückt
auf der Bühne agierte und neben dem tollen Gitarrenspiel auch für jeden
Joke zu haben war. Er war es auch, der mit dem Publikum und seinen
Kollegen spielte und für Szenenapplaus sorgte.
Unter anderem hatte
Agudo vier Stücke von seinem Album „New Life“ im Programm, das er mit
dem Stück „Voyager“ begann. Die Stücke waren sehr abwechslungsreich,
was daran lag, das sie sowohl von der Dynamik wie auch von der Stilistik
unterschiede aufwiesen.
Perdomo wirbelte bei
„Karmatic“ so auf der Bühne herum, dass er seinen Hut verlor. Das war
aber egal, denn jetzt ließ er seine Haare fliegen und riss bei den Soli
die ein oder andere Grimasse. Die Band hatte dann auch noch einen
Genesis-Coversong vom Album „… And Then There Were Three“ im Set,
das sie aber wesentlich druckvoller als im Original präsentierte. Nach
diesem Song wurde ein Drehstuhl auf die Bühne gestellt, auf der dann
Perdomo Platz nahm. Er probierte natürlich sofort aus, sich damit
mehrfach um die eigene Achse zu drehen. Einen Zuruf aus dem Publikum, dass
er auf sein Gitarrenkabel achten solle, beantwortete er augenzwinkert mit:
„I’m a professionell“.
In dieser sitzenden
Position spielten sie dann den melancholischen Song „Free As A Bird“,
den Agudo seiner verstorbenen Mutter, die zum Ende hin an Alzheimer
erkrankt war, gewidmet hat. Der Song ging absolut ans Herz. Nach dieser
ruhigen, beschaulichen Nummer hatte dann Schlagzeuger Jimmy Pallagrosi,
der zu „Free As A Bird“ die Bühne verlassen hatte, seinen Auftritt.
Es folgte ein furioses Drumsolo, bei dem er seine Bassdrum so spielte, als
würde er bei einem Motorrad Gas geben. Das unterstrich er noch dadurch,
dass er mit den Trommelstöcken die Motorradgriffe simulierte.
Der neue Song „The Way
Of Shaman“ zeichnete sich durch eine leichte Jazznote aus und im
abschließenden „Nosferatu“ wurde es dann gar funky/rockig.
Auf der Bühne befanden
sich drei Pappsymbole, darunter ein Hahn, der am Schlagzeugpult mit
Tapeband angeklebt war. Diesen ließ Perdomo kurz abfallen und hantierte
später noch damit (ließ ihn fliegen). Der Burner war aber zum Ende hin
bei „Endless Night“, das sich Perdomo das große Pappschild schnappte,
seine Gitarre dranhängte und sich dahinter zunächst versteckte. Dann
kippte er mit samt dem Schild auf dem Körper um und sorgte mit einer Rückkopplung
seines Gitarrenkabels durch berühren mit dem Finger für einen
Herzschlagartigen Rhythmus, den er immer mehr verlangsamt, dann zu einem
langgedehnten Ton hinführte und bewegungslos liegen blieb. Das klang, als
würde das Leben aus ihm austreten. Nach einem kurzen Moment stand er dann
aber gut gelaunt wieder auf.
Auch malträtierte
Perdomo seine Gitarre mal mit einem Tremolo- bzw. Vibratohebel oder seinem
Hut. Das zeigte die ganze Energie und den Enthusiasmus, den er in sein
Gitarrenspiel legte.
Gabriel Agudo gewann an
diesem Abend eine Menge neuer Freunde, denn er, sowie seine Mitstreiter
legten einen furiosen Auftritt hin, der das Publikum mitriss. Sein Gig war
ein würdiger Abschluss des zweiten Festivaltages.
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