Chandelier live
Zeche Carl, Essen, 25.11.2023
 


     

Die Neusser Band Chandelier, die sich 1986 gründete und in den 90’er Jahren drei viel beachtete Progalben bei Inside Out Music veröffentlichte, legte 1998 das Projekt auf Eis. Erst die in den Jahren 2018 und 2019 von Eroc remasterten Wiederveröffentlichungen der drei Alben und die positive Resonanz darauf führte dazu, dass sich die Bandmitglieder 2019 wieder neu formierten. Nach über 20 Jahren Pause spielte die Band eine Reunion-Show bei der prestigeträchtigen Night Of The Prog 2019 und beschloss danach, weiterhin Konzerte zu spielen und an neuem Material zu arbeiten.

    

    

Doch dann kam Corona und verzögerte die Arbeit. Die Jungs hatten aber wieder Feuer gefangen und so fanden Folgekonzerte in 2021 statt, bei denen auch schon neues Material zu hören war. Erst vor einigen Wochen erschien ihr viertes Studioalbum „We Can Fly“. Im November 2023 gingen sie dann zusammen mit der Band Flying Circus auf Doppeldecker-Tour.

    

    

Nachdem sie am 24.11.2023 in Rüsselsheim den ersten gemeinsamen Gig seit 1997 spielten, standen sie am 25.11.2023 in der Zeche Carl in Essen auf der Bühne.

    

Die Band besteht unverändert aus: Martin Eden (Gesang), Udo Lang (Gitarren), Armin Riemer (Keyboards), Christoph Tiber (Bass) und Harry Rubarth (Schlagzeug). Darüber hinaus war auch wieder Toni Moff Mollo mit von der Partie, der ja schon auf dem 92’er Album „Facing Gravity“ den Song „All My Ways“ gesungen hatte und auf dem neuen Album gleich bei vier Songs am Mikro stand. Zum Ende gab es auch noch einen Überraschungsgast.

    

    

Chandelier hatten das komplette „We Can Fly“-Material im Programm und würzten es um vier weitere Songs und eine Coverversion. Die Band kam aber zunächst zu einem Intro auf die Bühne, das aus dem Lied „Anker los“ (von Karel Svoboda) aus der 1974’er Zeichentrickserie „Wickie und die starken Männer“ bestand. Das passte vor allem gut zu ihrem Song „Forever And A Day“, der aber erst zum Ende des Gigs gespielt wurde.

    

     

Dann griffen sie zu ihren Instrumenten und starteten einen Block aus vier Nummern ihres aktuellen Albums. Los ging es mit „Space Controller“, das auch das Album „We Can Fly“ eröffnet. Der Track hat alles, was man von Chandelier her kennt und bewegt sich dabei im Neo-Prog-Becken. Melodisch und druckvoll zeigte sich dieser Opener, bei dem Martins Stimme, die zu Beginn erzählerisch anmutete nach wenigen Momenten in ihren markanten, kehligen Gesang wechselte. Da ist man sofort in diesem Chandelier-Kosmos gefangen. Darüber hinaus durchzogen herrliche Soli diesen ersten Song.

    

     

Zwischen den Songs machte Martin einige sehr humorvolle Ansagen, bei denen er sich auch selbst nicht so ernst nahm. Er sprach aber mit einigen Statements auch so manchem aus der Seele, in dem er meinte, dass er keinen Spaß mehr hat Nachrichten zu schauen, da immer nur Schwarzmalerei betrieben werde. „Das finde ich kacke und da mache ich nicht mehr mit. Das Leben ist immer noch gut, vor allem durch Liebe und Musik.“

    

Recht proggig/rockig mit einigen AOR-Elementen ging es dann im Song „Mixed Magnificent Arts“ weiter. Der Song besitzt eine klasse Hookline, die sich schnell im Ohr festsetzt. Sehr schön war auch das Gitarrensolo von Udo Lang. Das war ein Song, der live für richtig Spaß vor und auf der Bühne sorgte.

     

    

Zu dem Song „Help Me“ kam dann zum ersten Mal Toni Moff Mollo unter großem Applaus auf die Bühne. Bei dem Song, der vor allem durch die herrlichen Orgelsounds ein bisschen 70’er Jahre-Flair besitzt, spielten sich Martin und Toni gesanglich Bälle zu. Beide Stimmen passten hervorragend zusammen. Unter die Haut gingen bei diesem Neo-Prog-Song die Gitarrenpassagen, die an Bands der Marke Marillion andockten.

     

Toni konnte für den nächsten Song „In Between“ gleich auf der Bühne bleiben. Die herrlichen Streicherarrangements von Rüdiger Blömer sorgten in diesem Song darüber hinaus für ein symphonisches Flair.

    

     

Der erste ältere Song war dann „Half Empty, Half Fool“. Martin meinte, dass seine Texte früher mehr den Weltschmerz widerspiegelten und sie teils Therapie für ihn gewesen seien. Während des langen Instrumentalintros nahm Martin dann auch erstmal vor dem Keyboard auf einem Kissen Platz. Das passt dann auch zu seiner Ansage, dass die Songs zwar noch wie früher klingen, aber die Texte sich gewandelt und zuversichtlicher geworden seien, was wohl an der Altersmilde liege.

    

Nach dem ersten Blick in die Vergangenheit folgte mit „Spring“ vom aktuellen Album ein längerer Track. Martin erklärte, dass dies das hoffnungsvollste Lied sei, das sie geschrieben hätten. Ein sanfter Song mit herrlichen Instrumentalpassagen. Danach kam Toni wieder zurück um den Song „All My Ways“ zu singen. Der Track, den die meisten Besucher kannten, wurde dann im Refrain auch von vielen mitgesungen.

    

     

Das kurze Stück „Light“ vom aktuellen Album ist ein Track, der aus einem Teil des klassischen Stücks „Father, Into Thy Hands I Commend My Spirit“ von Peter Machajdik stammt. Kirchenorgelsounds leiteten in dieses Stück ein, dass dann von Martin und Toni gesungen wurde. Das wirkte sehr sakral. Der Track mündete dann in das letzte Stück des offiziellen Sets „Forever And A Day“, bei dem ebenfalls Melodien von Peter Machajdik eingebaut wurden. Der Song zeigte sich - wie die Band es mit einem Augenzwinkern selbst nennt - als Shanty-Prog. Das liegt vor allem daran, dass hier neben dem herrlichen Prog-Sound auch Folk und Passagen, die wie Seemannslieder wirken, eingebaut wurden. Hervorheben muss man auch die sehr schönen Keyboardpassagen, die unter die Haut gingen.

    

Der Zugabenteil startete mit dem herrlichen „Start It“, bei dem wieder der Refrain aus vielen Kehlen mitgesungen wurde. Danach folgte noch „Wash & Go“, das live so richtig an Dynamik gewinnt.

     

    

Wenn schon ein ehemaliges Grobschnitt-Mitglied auf der Bühne steht, dann darf natürlich auch ein Song der legendären Hagener Band nicht im Programm fehlen. Wie schon bei den vorangegangenen Konzerten, so war dies der Song „Wie der Wind“, der von Toni Moff Mollo gesungen wurde. Während der Konzerte von Flying Circus und Chandelier war auch der ehemalige Grobschnitt-Bassist und Sänger Milla Kapolke im Publikum. Wer nun aber dachte, dass er nur anwesend war, um Toni bei seinem Auftritt zu sehen, der rieb sich plötzlich die Augen als Milla auf die Bühne ging und sich von Christoph Tiber den Rickenbacker Bass umschnallte um bei „Wie der Wind“ die dicken Saiten zu zupfen und den Refrain zu singen. Das war, wie Martin Eden es anpries, ein Exklusivauftritt in Essen.

     

    

Man konnte sowohl Toni als auch Milla ansehen, dass sie richtig Freude daran hatten, sich wieder gemeinsam eine Bühne zu teilen. Und so war diese letzte Zugabe das Sahnehäubchen auf der musikalischen Torte des Abends.

    

    

Chandelier lieferten einen erstklassigen Gig ab und werden zusammen mit Flying Circus im ersten Halbjahr 2023 noch einige Konzerte folgen lassen (darunter bei Artrockfestival in Reichenbach), die man sich nicht entgehen lassen sollte.

    

 
 

Setlist

Space Controller
Mixed Magnificent Arts
Help Me
In Between
Half Empty, Half Fool
Spring
All My Ways
Light
Forever And A Day

Zugabe

Start It
Wash & Go
Wie der Wind

Stephan Schelle, November 2023

 

Besetzung

Martin Eden (Gesang)
Udo Lang (Gitarren)
Armin Riemer (Keyboards)
Christoph Tiber (Bass) und
Harry Rubarth (Schlagzeug)

Gastmusiker

Toni Moff Mollo (Gesang)
Milla Kapolke (Bass, Gesang)

 
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