Steve Baltes
(Electronic Circus-Festival, Hamm - 09.09.2023)


    

 

Der deutsche Elektronikmusiker und Produzent Steve Baltes ist seit Jahren in der Elektronikszene kein Unbekannter mehr. Er hat schon mit großen Namen wie Harald Großkopf (N-Tribe, Holo Syndrome), Manuel Göttsching (Ashra), Stefan Erbe (Baltes&Erbe), Wolfgang Flür (Ex-Kraftwerk) und Axel Heilhecker (Sunya Beat) zusammengespielt. Aber auch im Electro-Pop-Bereich hat er mit den Projekten Arctic Sunrise und Baltes And Zäyn Veröffentlichungen vorzuweisen.

     

Seine Genre-übergreifende Musik ist geprägt von hypnotischen Rhythmen und atmosphärischen Klängen. Heute lebt Steve in Mönchengladbach und arbeitet weiterhin an neuen Musikprojekten wie Baltes & Zäyn und Baltes&Erbe.

    

Sein Auftritt beim Electronic Circus-Festival war eines seiner eher seltenen Solo-Konzerte. Neben neuer Musik aus spontanen Ambient & Elektronik-Improvisationen hatte Steve zwei Tracks aus der Kollaboration mit Stefan Erbe, einen Track seines Projektes Arctic Sunrise und einen Track von Ashra auf dem Programm.

    

    

Steve startete mit zwei neuen Solo-Tracks mit den Titeln „Dark Gravity Part 1“ und „Dark Gravity Part 2“, die er bis dato so noch nicht gespielt hatte und die aus Improvisationen bestanden. Futuristisch mit leicht dröhnenden Klängen die sanft anschwollen, startete er in sein Set. Das hatte in der Tat etwas spaciges. Langsam entwickelte sich der Track und es kamen herrliche Harmonien hinzu. Das war wie für einen Soundtrack der Marke „2001 - Odyssee im Weltraum“ gemacht. Dort streute Steve dann noch Sprachsamples ein. Nach gut sieben Minuten kam dann ein Sequenzerrhythmus und nach weiteren drei Minuten ein Beat aus dem Drumcomputer hinzu. So entwickelte sich eine absolut hypnotische Stimmung. Ähnlich gestaltet sich auch der zweite Part, der allerdings noch mit mehr Harmonien aufwartete. Dabei nutzte Steve einen Controller, den er mit dem Mund bedienen konnte. Dabei handelt es sich, wie Steve mir erklärte, um einen Yamaha Breath Controller, der einen alten analogen Synthesizer (auch von Yamaha) steuert (Yamaha CS01 - quasi die Baby-Version vom Vangelis Synth). Hier kann man über den Blasdruck Filter und Lautstärke steuern, was ein sehr ausdrucksstarkes Spiel ermöglicht.

     

Es folgten zwei Stücke von dem Musikprojekt Baltes&Erbe, das Steve seit Jahren zusammen mit Stefan Erbe bildet. Der erste Track war „Sepia“ vom Album „s-thetic“. Ein ruhiges Stück, das er immer gerne live gespielt hat. Das spacige Intro hat Steve hierbei etwas kürzer gewählt. Die herrlichen Rhythmusmuster trieben diesen Track nach vorn, auf den Steve dann herrliche Sequenzen legte. Dem schloss sich dann mit „Gradient“ vom Album „Electric Garden“ ein weiterer Track an, der vom Projekt Baltes&Erbe stammte. Steve hat für die Interpretation der beiden Stücke eine neue Drummachine und ein leicht anderes Setup verwendet, daher waren die Stücke ein wenig rhythmischer. Darüber hinaus hat er ein paar neue Sequencer-Linien hinzugefügt und die Abläufe variiert.

    

                   

Danach folgte ein krasser Wechsel in Richtung Electro-Pop. Zusammen mit James Knights, den Steve schon seit Jahren kennt, performte er den Track „Stars“ vom Album „Across The Ice“ seines Projektes Arctic Sunrise. Bei Arctic Sunrise hat die Stücke Torsten Verlinden eingesungen, bei dem Gig übernahm James den Gesangspart. Das schloss direkt an Knights Auftritt an. Obwohl die Beiden sich beim Electronic Circus-Festival das erste Mal persönlich getroffen haben, harmonierten sie sehr gut zusammen.

    

2017 sollte Steve mit Ashra nach China, um dort live aufzutreten. Er freute sich besonders darauf, weil der Auftritt an seinem Geburtstag stattfinden sollte und gleichzeitig für ihn 20 Jahre Ashra bedeutete. Dafür hatte Steve einiges an Programmierung (baute auf den Loops auf, die Manuel Göttsching in den 70’ern erstellt hatte) vorgenommen, die die Basis für die Konzerte darstellen sollten. Leider wurde die Konzertreise kurzfristig abgesagt. Aufgrund des zu frühen Todes von Manuel Göttsching ist damit leider auch das Ashra-Projekt zu Ende gegangen.

    

In Vorbereitung auf seinen Auftritt beim Electronic Circus hatte er dann seine Soundarchive durchforstet und stieß auf die Dateien für das China-Konzert. Die Programmierten Parts von „Niemand lacht rückwärts“ (Liveversionen sind auf den Alben „Sauce Hollandaise“ (1998) und „@shra“ (2002) erschienen) nutzte Steve um darauf zu improvisieren. Steve begann zunächst wieder recht spacig, das änderte sich aber nach gut einer Minute Dieser hypnotische Track mit seinen typischen Ashra-Sounds/Beats stellte dann auch den Höhepunkt seines Sets dar. Das sorgte dann für Begeisterung im Publikum, auch wenn Steve allein nicht den Druck und die Dynamik entfalten konnte, wie es die vierer Formation aus Göttsching, Grosskopf, Ulbrich und Baltes aufs Parket legten. Harald Grosskopf, der ebenfalls zur damaligen Ashra-Formation gehörte und bei diesem Konzert in der ersten Reihe saß, war ebenfalls sehr bewegt von diesem Track. Nach dem Konzert umarmten sich beide, die an diesem Abend 50% von Ashra ausmachten. Es war eine Reise in die Vergangenheit mit Sounds im Hier und Jetzt, denn Steve verstand es die Loops für sich zu vereinnahmen und daraus etwas grandioses Eigenes zu machen. Steves Soloauftritt war eine hypnotische Reise, die von Beginn an bis zum letzten Ton fesselte.

    

          

Setlist

Dark Gravity Part 1
Dark Gravity Part 2
Sepia
Gradient
Stars
Niemand lacht Rückwärts

Stephan Schelle, September 2023


 

     

James Knights

Ströme