Den Opener des Festivals machte das
aus Osnabrück stammende Duo Sankt Otten. Das Projekt besteht aus den
beiden Musikern Stephan Otten (Schlagzeug, Synthesizer) und Oliver Klemm
(Gitarre, Bass, Synthesizer). Da die beiden nicht alles live spielen
konnten, waren einige der Synthiesounds vorprogrammiert. Darauf setzten
dann die beiden atmosphärische Gitarren und treibendes Schlagzeug.
Die Musik von Sankt Otten wird unter
anderem verglichen mit den frühen Kraftwerk (nicht die experimentelle
Phase). Das liegt vor allem am treibenden Schlagzeugrhythmus, der
oftmals wie bei einem Zug nach vorne zu stampfen scheint. Die Musik von
Sankt Otten ist aber viel mehr als das. In ihren Stücken finden sich
beispielsweise Elemente aus Wave, Rock und Electro wieder, die mit
traditioneller Elektronikmusik kombiniert wird. Aus dieser Mixtur
entsteht eine unglaublich faszinierende Musik, die für mich die erste
große Überraschung des Tages war.
Ein Dutzend Stücke hatten die beiden
im Programm, die zum Großteil von ihren letzten beiden Alben „Gottes
Synthesizer“ (aus 2011) und „Sequencer Liebe“ (aus 2012) stammten. An
den Albumtiteln und auch den Titeln der einzelnen Stücke kann man den
Humor und die Kreativität der beiden Musiker erkennen. Wer kommt schon
auf die Idee einen Instrumentaltrack „Gestern fand ich alte Tränen“ zu
benennen? Aber auch das spricht für die beiden Musiker. Am Rande sei
noch bemerkt, dass sie bei ihrer Musik mit sehr viel Liebe zum Detail
ans Werk gehen, was sich beispielsweise im ungewöhnlichen Artwork und
der Verpackung ihrer Platten widerspiegelt. Das sind schon richtige
Sammlerstücke, die sie da beim Label Denovali Records produzieren.
Ins Programm ging es mit dem ersten
Stück „Wir sind deine Propheten“, das vom Titel her schon mal sehr
vollmundig klingt und von einem gesteigerten Selbstwertgefühl zeugt.
Aber die beiden konnten auch mit breiter Brust ans Werk gehen, denn die
Musik ist wirklich außergewöhnlich und fesselnd. Dieses erste Stück
begann mit sphärischen Sequenzen und Klangwolken, so als wollten sie die
Besucher auf einen Trip ins All mitnehmen. Rhythmischer wurde es dann im
nächsten Stück „480 Pixel, die ich an dir liebe“, bei dem erstmals
Stephan Otten ordentlich die Schlagzeugfelle bearbeitete. Ein klasse
Track, der neben seinem Rhythmus auch eine eingängige Melodie- bzw.
Harmoniefolge aufwies.
In diesem wunderbaren
rhythmisch/melodischen Stil ging es dann auch während des kompletten
Konzertes weiter. Als besondere Überraschung hatten Sankt Otten Andreas
Parnow von der Gruppe Vraigaist bei dem Stück „Mein Freund aus Köln“ auf
die Bühne geholt, der am Saxophon einige improvisierte Melodien
beisteuerte, was ganz hervorragend funktionierte. Und das, obwohl zwar
Andreas das Stück zuvor bekommen hatte, die drei aber nicht mal üben
konnten. Andreas, der aus Bielefeld kommt, war auch letztes Jahr schon
beim electronic circus Festival dabei und als Special Guest bei Picture
Palace Music auf der Bühne. Visuell wurde das Konzert von tollem
Filmmaterial unterstützt, das auf der rückwärtigen Leinwand gezeigt
wurde. Ein echtes Erlebnis.
Natürlich musste es für diesen
gelungenen Act, der für mich (neben Dominique Perrier) die Überraschung
des Tages war, eine Zugabe geben. Hierfür hatten sich Stephan und Oliver
keinen geringeren Titel als Harald Großkopf’s „So weit, so gut“, das
lange Jahre die Erkennungsmelodie der Radiosendung Schwingungen war,
ausgesucht. Dieses Stück hatten sie mit Autorisierung von Harald
Großkopf remixt. Und wie könnte es anders sein, wenn schon mal ein
solcher Gast wie Winfrid Trenkler da ist; es gab eine Ansage wie zu
besten Schwingungen-Zeiten, bei dem so mancher Fan feuchte Augen bekam.
Mit Sankt Otten hatten die Macher des
electronic circus Festivals schon einen echten Knaller an den Anfang des
vor Highlights nur so sprühenden Festivals gestellt, der zur frühen
Stunde schon für mächtiges Aufsehen sorgte. Die faszinierende
Kombination von E-Gitarre, Synthie und Schlagzeug sorgte dafür, dass
Sankt Otten bisher als absoluter Geheimtipp gehandelt wurde. Es wird
Zeit, dass dieses Duo jetzt diesen Status hinter sich lässt, denn die
Musik ist es mehr als Wert einem größeren Publikum präsentiert zu
werden.