Harald Grosskopf
(Electronic Circus-Festival, Detmold - 29.09.2018)


    

Jeder, der die Schwingungensendung kennt, weiß sofort mit dem Namen Harald Grosskopf etwas anzufangen. Sein Stück „Soweit, so gut“ war lange Zeit die Titelmelodie der Sendung. Als Schlagzeuger hat Harald darüber hinaus auch Werke von Klaus Schulze und Manuel Göttsching mit dem nötigen Rhythmus versehen. Es dauerte eine Zeit bis ihn Udo Hanten 1979 aufforderte doch selber Musik zu machen, denn Harald hatte sich dies bisher gar nicht zugetraut. Herauskam „Synthesist“, das im Jahr 1980 erschien. Darauf enthalten war auch das Stück „Soweit, so gut“. Bevor jedoch Harald mit seinem Set begann, erinnerte er an den vor vier Wochen verstorbenen Elektromusiker Udo Hanten.

    

    

Der 68jährige Musiker trat zusammen mit Andreas Kolinski auf. Die beiden hatten sich einen Tisch mit Laptop und verschiedenen elektronischen Gerätschaften auf die Bühne gestellt. Daran schraubten und drehten sie wie verrückt. Sie hatten sowohl neues Material wie auch einige ältere Stücke dabei, die sie zerlegten und in neuen improvisierten Fassungen darboten. So war denn auch „So weit, so gut“ kaum wiederzuerkennen. Harald und Andreas haben zwar die Sounds der damaligen Instrumente genutzt und doch wirkten sie durch tolle, moderne und hypnotische Rhythmen neu und frisch.

    

    

Den Beginn machte jedoch ein Track, den Harald erst vor einer Woche erstellt hatte und der noch keinen Namen trug. Das Stück startete mit einem tollen, ungewöhnlichen Groove in den die Beiden leicht schräge Klangmuster sowie zahlreiche Effekte legten. Stoisch trieb dieses Stück dahin, getragen von dem Grundrhythmus auf den dann die Klänge platziert wurden. Je länger der dauerte umso mehr wurde man in diesen ungewöhnlichen Klangkosmos gezogen und saß wie paralysiert auf seinem Stuhl, obwohl die Rhythmen deutlich zum Tanzen einluden.

    

    

    

Dann kam das Stück, auf das wohl alle gewartet hatten: „So weit so gut“ vom Debütalbum „Synthesyst“, das lange Zeit die Titelmelodie von Winfrid Trenkler’s Musiksendung „Schwingungen“ war. Doch statt das Stück so zu spielen, wie es der Elektronikfan kennt und im Blut hat, verfremdeten es Harald und Andreas fast bis zur Unkenntlichkeit. Die ersten Rhythmen waren dabei noch klar erkennbar und mit einigen Effekten versehen. Sounds und Melodielinien wurden dann aber nur angedeutet und von der Rhythmusmaschine und den Effekten übertönt. Und doch hatte diese Version etwas Urbanes. Es klang als hätten beide das Stück in seine Einzelteile zerlegt und dann die einzelnen Komponenten zu etwas Neuem wieder zusammengesetzt. Das hatte was Ekstatisches.

    

    

Nach den ersten beiden doch sehr rhythmischen Stücken standen im dritten Track „Emphasis“ atmosphärische Sounds im Vordergrund, die mit herrlichen Effekten und akzentuiert gesetzten Klängen kombiniert, durch den Raum zogen. Dabei wurden auch ethnische Klangmuster eingewoben. Das klang wie der Soundtrack zu einem imaginären Film, bevor es dann wieder rhythmischer wurde und die beiden das Stück mit einem unwiderstehlichen Taktmuster versahen.

    

     

Harald hatte auch ein Gerät an seinem Rechner, das aussah wie ein Plattenteller und aus dem er, sobald er darauf tippte, Klänge erzeugen konnte. Das waren mal Effekte, dann wieder Percussionsounds. An diesem Teil ging Harald mehrfach richtig ab. Beim Rhythmusgerät sowie wenn er in die Tasten haute, konnte man durch seine Gestik und Mimik erkennen, das er vollends in der Musik versunken war und sich den hypnotischen Beats hingab. Und Hingabe ist hier wohl das richtige Wort, denn man spürte förmlich, dass die Musik durch ihn hindurchfloss. Auch wenn Andreas nicht diese ausdrucksstarke Performance hinlegte wie Harald es tat, so war doch auch ihm der Spaß an dem Gig anzumerken.

    

    

In dem Interview nach dem Konzert, das von Eckie Stieg moderiert wurde, sagte Harald dann auch, dass es ihm riesigen Spaß gemacht habe und so etwas würde sich auch auf die Zuschauer übertragen. Und genau das tat es auch, obwohl die Klänge und Rhythmen schon teilweise recht abgefahren und ungewöhnlich waren.

    

    

Dass Harald und Andreas während des Konzertes den Fokus auf Improvisationen legten, das merkte man an der Zugabe, die lautstark vom Publikum gefordert wurde. Es gab noch einmal das erste Stück in einer etwas anderen Version. Noch rhythmischer, mit weiteren unglaublichen Effekten ließen die Beiden bei dem Stück in der zweiten Version keine Langeweile aufkommen.

                        

    

Harald Grosskopf und Andreas Kolinski zeigten sich mit ihrem Set am Puls der Zeit, was auch beweist, dass einige von Haralds älteren Stücken von weltweit agierenden Künstlern geremixt werden wollen.  

    

    

Setlist

ohne Titel (neu/ unveröffentlicht)
So Weit So Gut
Emphasis
Trauma
Synthesist
ohne Titel (neu/unveröffentlicht)

Stephan Schelle, Oktober 2018


 

     

Tiny Magnetic Pets

Thorsten Quaeschning's Picture Palace Music