Hans-Joachim Roedelius
(Electronic Circus-Festival, Detmold - 01.10.2016)


    

Der Abschluss des Abends gehörte dann dem Österreicher Hans-Joachim Roedelius, der neben zahlreichen Soloarbeiten und Kollaborationen u. a. mit Brian Eno und Alquimia in den 70’er Jahren mit den Formationen Harmonia, Cluster und Kluster Musikgeschichte geschrieben hat. Er wurde von Eckie Stieg mit ganz persönlichen Worten angesagt. An diesem Abend war er mit einem außergewöhnlichen Soloprogramm in Detmold zu sehen, bei dem er teilweise von seiner Frau Christine und Ulrich Schnauss unterstützt wurde. Daneben betätigt sich der Allrounder auch als Schriftsteller/Poet und im Bereich bildender Kunst als Fotograf und Filmer. Seine poetische Gabe stellte er in Detmold neben seine ambiente Musik.

     

Mit einem beherzten „Kuckuck“ kam Roedelius auf die Bühne und sorgte mit seiner sehr sympathischen Art gleich für eine entspannte Stimmung. Er selbst ist, wie er sagte, auch nach 45 Jahren Bühnenerfahrung doch immer noch nervös. Welch eine menschliche Offenbarung von einer Musiklegende dem Publikum gegenüber. Er bedankte sich noch bei den Künstlern, die zuvor ein reichhaltiges Programm gespielt hatten. Er zeigte sich dankbar, dass er den Chill-Out bestreiten durfte. Und er meinte: „Ich darf leise sein“.

    

Bevor er mit einem Gedicht startete, erklärte er, dass er auf zwei künstlerischen Beinen stehe, dem Schreiben und der Musik. Aber eigentlich sei er Heilgymnast. Der erste von sehr ansprechenden und intelligenten Texten hieß „Adam“.

     

    

Darauf folgte der musikalische Teil, der mit elektronischen Geräuschen und Effekten begann. Der musikalische Teil seines Sets bestand aus Improvisationen zu denen er vom I-Pad Geräusche nach eigenem Gusto aus dem „Animoog-Programm“ abrief. Diese Sounds, in die sich auch mal eine Art Gong oder auch sägende Klangformen einschlichen, wurden visuelle auf der rückseitigen Leinwand von einem sich nur minimal veränderten Bild eines Walddickichts unterlegt.

     

Während die elektronischen Sounds sich ihren Weg durch den Raum bahnten, spielte Roedelius einige Passagen dazu auf einem Bechstein-Flügel. Das hatte eine ganz eigenartige und fesselnde Ausstrahlung, trotz ihrer teils sehr monotonen Klangfarben. In diesen Collagen tauchten dann auch immer wieder einige sehr schöne Melodiebögen auf.

    

Sicherlich waren die musikalischen Darbietungen zu dieser späten Stunde nicht die leichteste Kost des Tages, aber Roedelius schaffte es, die verbliebenen Zuschauer mit einer musikalischen Magie zu umgeben, die für Entschleunigung sorgte. Die Sounds, Effekte, Collagen und Harmonien hatten eine ausgesprochen beruhigende Wirkung.

     

    

Von Pianoklängen begleitet sprach Christine Roedelius den Text „für Kurt“ (Anmerkung: Tucholsky). In diesem Text geht es um eine flüchtige Begegnung mit einem fremden Menschen der eine Emotion auslöst. Zu dem Text spielte Roedelius eine sehr melancholische, zarte Melodie. Nach einem weiteren melodischen Part griff Roedelius wieder zu seinen Unterlagen und las sein Gedicht „Schillerlocken“ vor, das sich an Goethes „Der Zauberlehrling“ orientierte und den Text in die heutige Zeit transformierte. Danach folgte dann ein Part, in dem er wieder recht sperrig wirkende Sounds und Geräusche miteinander verband.

    

Zu einem Stück kam dann Ulrich Schnauss auf die Bühne der, während Roedelius einige Pianotupfer spielte, einen elektronischen, leicht loungig/spacigen, ambienten Unterboden zauberte. Die Musik war ebenfalls improvisiert, basierte aber auf einem von Roedelius vorgefertigten Playback.

     

Erneut betrat Christine Roedelius die Bühne und erzählte ein wenig aus ihrem persönlichen Leben, als sie noch ganz in der Nähe lebten und ihr Mann zusammen mit Brian Eno Musik machte. Eines dieser Stücke war „By This River“, das Eno auf seiner Produktion „Before And After Science“ herausgebracht hat. An diesem Abend kam das von Eno/Moebius/Roedelius komponierte Lied in einer von Hans-Joachim Roedelius angefertigten Bearbeitung zur Aufführung.

    

    

Diesen Song, zu dem Roedelius eine wunderschöne Pianomelodie spielte, sang Christine Roedelius dann mit einer zarten Stimme, die mit einem Echo versehen war. Dieses ging dann in eine weitere verträumte, leicht melancholische Soloeinlage von Roedelius am Flügel über, die den Abschluss des offiziellen Teiles bildete. Das letzte Wort hatte er dann selbst als er zum Abschluss „Das Netz“ vortrug.

                  

Das außergewöhnliche, sehr intime und faszinierende Konzert von Roedelius ging dann mit einer kurzen Zugabe am Piano zu Ende. Ein denkwürdiger Abend mit einem großartigen Musiker, dessen Musik an einigen Stellen durch die elektronischen Klänge nicht ganz einfach zu konsumieren war. Aber Texte und Musik bildeten eine großartige Kulisse. Eine weitere schöne Geste von Roedelius war, dass er am Ende des Konzertes ein paar Mappen mit seinen Texten, darunter diejenigen, die er vorgetragen hatte, an Besucher verschenkte.

    

Stephan Schelle, Oktober 2016

 


 

     

Ulrich Schnauss

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