Die entspannten Musiker
von Polis sitzen, während The Artrock Project spielen, draußen vor der
Halle und führen einige Gespräche, auch mit einem Veranstalter aus der
Region. Inzwischen hat sich die Qualität der Plauner Deutsch-Rocker
reichlich rumgesprochen, auch bei den bekannten Magazinen und einige
nutzen die Gelegenheit, die Männer mal anzufassen und mit ihnen in den
Dialog zu kommen. Einige Magazine haben ihre Scouts geschickt und auch wir
nutzen natürlich die Gunst der Stunde, um einiges mit Polis
auszutauschen. Wir sind seit vielen Jahren auf den Spuren dieser Band im
wahrsten Sinne mit Unterwegs. Es lohnt sich tiefer in den Kreativ-Kosmos
dieser besonderen Band einzutauchen.


Nach ultrakurzer Pause,
hier auch ein riesiges Kompliment an alle beteiligten Techniker im
Hintergrund, geht es mit dem Geheim-Tipp Polis aus Plauen weiter. Und
schon einmal vorweg, wir haben in über 50 Jahren Besuchen von Konzerten
einige unvergessliche Momente erlebt, magische Konzerte mit Weltstars aber
auch von aufstrebendem Nachwuchs. Und hier in Rüsselsheim haben wir am
Reformationstag wieder so eine Magie gespürt, die alle auf, vor, hinter
und neben der Bühne verbunden hat. Wenn eine Band sich traut, zu Beginn fünf
Titel des neuen Albums zu präsentieren, dann kann man sagen, die haben
Courage und Mut. Dass sich diese Musik absolut nahtlos in die bekannteren
Lieder verzahnten, zeigt die Souveränität und Erfahrung, die Polis
inzwischen hat und die sie mit Fingerschnippen erreichen. Wir hören
gerade den unveröffentlichten Konzert-Mitschnitt „Live In Biberach“
und haben dabei die fünf Musiker vor Augen, die uns diesen
unvergesslichen Abend bereitet haben. Jeder ist über sich
hinausgewachsen.



Mit dem Orgelbetonten
„Der Kreis“ und dem Lied „Berg“, zwei starke taufrische neue
Kompositionen, direkt zum Einstieg und gleich danach sehr druckvoll und in
langer Jam-Version der Band-Klassiker „Tropfen“ vom letzten
Studio-Album „Weltklang“ starteten sie ihr Programm. Hier bereits die
ersten Keyboard-Gitarren-Duelle von Marius Leicht und Christoph Kästner.
Marius wie immer sehr konzentriert und wie in Trance in seinem burgähnlichen
Tasten-Karree, Christoph der Gegenpol, der förmlich mit seiner Gitarre
verschmolzen ist und man immer aufpassen muss, das er nicht durch die
Decke des Rüsselsheimer Rind in den Orbit durchstartet. Schlag-Maschinist
Sascha Bormann und Bassist Andreas Sittig stacheln die beiden immer wieder
an, sorgen für ein rhythmisches Fundament und ordentlich NACHSCHUB und
das ist doppeldeutig gemeint. Christian Roscher, zentraler Stadtbürger
dieser Polis, hält vorne die Fäden aller vier Instrumente in seinen Händen,
verwebt mit Gesten, Minen, Körperhaltung und seiner glasklaren schönen
Stimme alles zu lebhaften Musik-Gemälden. Schon jetzt spürt man, was
sich heute hier anbahnt.


Das Publikum ist
hellwach und honoriert solistische Glanztaten mit Zwischen-Applaus. Auch
die beiden Lieder „Die Einsamkeit“ und „Das Erste Leuchtfeuer“
gibt es bisher nicht als Studio-Versionen, sind aber bereits auf dem Live
Album „Unterwegs I“ zu genießen. Die ersten zwei Drittel dieses
Live-Albums wurden im August 2023 beim Woodstock Forever Festival 2022 in
Waffenrod aufgenommen (die 2 letzten Titel in der Alten Kaffeerösterei
Plauen). Wir waren damals im Thüringer Wald dabei und sind sehr positiv
überrascht dass sich die beiden Lieder verändert haben, wie bärenstark
sie vorgetragen werden.


Dann verlassen plötzlich
drei Musiker die Bühne, was ist los, haben die sich übernommen?? Es
kommt die Ansage von Christian: „Keine Sorge, die kommen wieder, ich möchte
euch aber zusammen mit Marius etwas Besonderes vortragen.“ Dann ganz
leise „Hier kommt die Flut.“ Tosender Applaus der Zuschauer, obwohl
noch nicht eine Silbe gesungen oder eine Note gespielt wurde. Aber es
folgt eine deutsche Version „Here Comes The Flood“ von Peter Gabriel,
die uns mit offenem Mund dastehen lässt. Selbst jetzt, wenn wir darüber
schreiben, fühlen wir uns mit Christian, Marius und Peter eng verbunden.
Die Gründe dafür sind für uns auch persönlich und mir als Fotograf ist
es in diesen Momenten in Rüsselsheim sehr schwer gefallen, den Blick von
der Bühne abzuwenden und nicht zuzuhören. In den Armen Bleigewichte,
bekomme kaum die federleichte Kamera hoch. Ich schaue ringsherum in die
Gesichter, die konzentriert und ergriffen zur Bühne schauen.
Erleichterung, es geht nicht nur uns so. Das Publikum ist mäuschenstill,
„Die Flut“ klingt bis zur letzten Note aus, dann eine Sekunde Pause
und tosender Applaus. Berechtigt!! Auch hier zeigt sich die Größe dieser
fünf jungen Männer aus dem sächsischen Vogtland. Mit einer großen
Verbeugung zum Kollegen Peter Gabriel und seinem Real-World-Studios, wo
ein großer Teil ihres Albums „Weltklang“ (das mit dem fantastischen
Artwork) entstanden ist, endet die erste Hälfte des Auftritts. Ja, ihr hört
richtig, erst Halbzeit!!



Und der zweite Teil
beginnt erneut mit neuem Material, dem bisher unveröffentlichten
„Pilger“. Erneut starker Einstieg und danach ein Hit-Feuerwerk aus
Plauen: „Eine Liebe“, „Tausend Leben“ („Weltklang“), das
20-minütige Medley: „Sehnsucht, Gebet, Steig Herab“
(„Weltklang“), vom Debüt „EINS“ gibt’s 15 Minuten „Sag
Mir“, vom Nachfolger „SEIN“ noch die vokalstarke „Blumenkraft“
obendrauf. Mitten in diesem Block noch einmal eine außergewöhnliche
Ansage von Christian Roscher, der die Meinung von 10 Musikern, die hier
nach Rüsselsheim im Herzen von Hessen beschwerlich angereist sind,
deutlich wiederspiegelt. Er bedankt sich im Namen von allen die auf der Bühne
waren und den Menschen hinter den Kulissen beim Drahtzieher und Meister
Marek Arnold, der diese Veranstaltung zusammen mit Rind-Vorstand Florian
Haupt möglich gemacht hat. Das ist nicht nur eine großartige Geste,
sondern auch gelebtes kollektives Miteinander und Teamgeist.


Und welches Lied von
Polis drückt das deutlicher aus und ist meist der Abschluss jedes
Konzerts des Quintetts: EIN Mikrofon wird in Stellung gebracht, alle fünf
Musiker versammeln sich darum im Halbkreis. Dann singen die fünf Stadtbürger
der Polis Plauen quasi Acapella zusammen das „Mantra“. Wir haben
diesen Canon schon sehr oft erlebt, aber auch hier platzt das Lied
emotional aus allen Nähten. Und das ist genauso gemeint wie es hier
beschrieben wird. Alle in der Halle stehen gefühlt im KREIS um das
Mikrofon und singen zusammen diese Hymne, rücken dabei enger zusammen. Es
ist auch für alle Musiker etwas Besonderes, alle spüren es!! Für Sascha
ist es schwer sich aus diesem menschlichen Verbund zu lösen, hinter seine
Trommelburg zu klettern und den Rhythmus mit seinem Instrument aufzunehmen
und zu verstärken. Bass, Keyboards, Gitarre steigen schrittweise ein und
führen in ein furioses Finale. Die Halle steht Kopf!!


Wir erinnern uns an das
erste Mal, als Polis dieses Lied 2020 vorgetragen hat und wir uns
hinterher mit den Musikern in den Armen lagen. „Das, was wir euch damals
sagten, ist wichtiger denn je und zukünftig noch unverzichtbarer!! Wir wünschen
euch noch viele solche Mantras auf eurem Weg zu weiteren großen
Erfolgen!!“



Die Zugabe mit
„Gedanken“ ist dann das Sahnehäubchen auf ein, wie bereits gesagt,
unvergessliches Konzert. Damit ist das offizielle Programm beendet und mit
fast vier Stunden Premium-Musik-Programm ist der Sachsen-Express
eingestimmt auf Holger Stöckels (Stone Prog Magazin) 60. Geburtstag. Es
wird weiter gefeiert auf den schönen Abend, das pure Leben, den
Zusammenhalt!! Florian gibt auch noch eine Runde Hochprozentigen aus. So
lebhaft und schön können manchmal Prog Rock Meetings sein, die nächsten
sind konkret in Planung. Bleibt neugierig und interessiert.