Polis
(Das Rind, Rüsselsheim, 31.10.2025)


Zweistufig weiter bis in die Exosphäre

    

Die entspannten Musiker von Polis sitzen, während The Artrock Project spielen, draußen vor der Halle und führen einige Gespräche, auch mit einem Veranstalter aus der Region. Inzwischen hat sich die Qualität der Plauner Deutsch-Rocker reichlich rumgesprochen, auch bei den bekannten Magazinen und einige nutzen die Gelegenheit, die Männer mal anzufassen und mit ihnen in den Dialog zu kommen. Einige Magazine haben ihre Scouts geschickt und auch wir nutzen natürlich die Gunst der Stunde, um einiges mit Polis auszutauschen. Wir sind seit vielen Jahren auf den Spuren dieser Band im wahrsten Sinne mit Unterwegs. Es lohnt sich tiefer in den Kreativ-Kosmos dieser besonderen Band einzutauchen.

    

    

Nach ultrakurzer Pause, hier auch ein riesiges Kompliment an alle beteiligten Techniker im Hintergrund, geht es mit dem Geheim-Tipp Polis aus Plauen weiter. Und schon einmal vorweg, wir haben in über 50 Jahren Besuchen von Konzerten einige unvergessliche Momente erlebt, magische Konzerte mit Weltstars aber auch von aufstrebendem Nachwuchs. Und hier in Rüsselsheim haben wir am Reformationstag wieder so eine Magie gespürt, die alle auf, vor, hinter und neben der Bühne verbunden hat. Wenn eine Band sich traut, zu Beginn fünf Titel des neuen Albums zu präsentieren, dann kann man sagen, die haben Courage und Mut. Dass sich diese Musik absolut nahtlos in die bekannteren Lieder verzahnten, zeigt die Souveränität und Erfahrung, die Polis inzwischen hat und die sie mit Fingerschnippen erreichen. Wir hören gerade den unveröffentlichten Konzert-Mitschnitt „Live In Biberach“ und haben dabei die fünf Musiker vor Augen, die uns diesen unvergesslichen Abend bereitet haben. Jeder ist über sich hinausgewachsen.

    

    

    

Mit dem Orgelbetonten „Der Kreis“ und dem Lied „Berg“, zwei starke taufrische neue Kompositionen, direkt zum Einstieg und gleich danach sehr druckvoll und in langer Jam-Version der Band-Klassiker „Tropfen“ vom letzten Studio-Album „Weltklang“ starteten sie ihr Programm. Hier bereits die ersten Keyboard-Gitarren-Duelle von Marius Leicht und Christoph Kästner. Marius wie immer sehr konzentriert und wie in Trance in seinem burgähnlichen Tasten-Karree, Christoph der Gegenpol, der förmlich mit seiner Gitarre verschmolzen ist und man immer aufpassen muss, das er nicht durch die Decke des Rüsselsheimer Rind in den Orbit durchstartet. Schlag-Maschinist Sascha Bormann und Bassist Andreas Sittig stacheln die beiden immer wieder an, sorgen für ein rhythmisches Fundament und ordentlich NACHSCHUB und das ist doppeldeutig gemeint. Christian Roscher, zentraler Stadtbürger dieser Polis, hält vorne die Fäden aller vier Instrumente in seinen Händen, verwebt mit Gesten, Minen, Körperhaltung und seiner glasklaren schönen Stimme alles zu lebhaften Musik-Gemälden. Schon jetzt spürt man, was sich heute hier anbahnt.

    

    

Das Publikum ist hellwach und honoriert solistische Glanztaten mit Zwischen-Applaus. Auch die beiden Lieder „Die Einsamkeit“ und „Das Erste Leuchtfeuer“ gibt es bisher nicht als Studio-Versionen, sind aber bereits auf dem Live Album „Unterwegs I“ zu genießen. Die ersten zwei Drittel dieses Live-Albums wurden im August 2023 beim Woodstock Forever Festival 2022 in Waffenrod aufgenommen (die 2 letzten Titel in der Alten Kaffeerösterei Plauen). Wir waren damals im Thüringer Wald dabei und sind sehr positiv überrascht dass sich die beiden Lieder verändert haben, wie bärenstark sie vorgetragen werden.

              

    

Dann verlassen plötzlich drei Musiker die Bühne, was ist los, haben die sich übernommen?? Es kommt die Ansage von Christian: „Keine Sorge, die kommen wieder, ich möchte euch aber zusammen mit Marius etwas Besonderes vortragen.“ Dann ganz leise „Hier kommt die Flut.“ Tosender Applaus der Zuschauer, obwohl noch nicht eine Silbe gesungen oder eine Note gespielt wurde. Aber es folgt eine deutsche Version „Here Comes The Flood“ von Peter Gabriel, die uns mit offenem Mund dastehen lässt. Selbst jetzt, wenn wir darüber schreiben, fühlen wir uns mit Christian, Marius und Peter eng verbunden. Die Gründe dafür sind für uns auch persönlich und mir als Fotograf ist es in diesen Momenten in Rüsselsheim sehr schwer gefallen, den Blick von der Bühne abzuwenden und nicht zuzuhören. In den Armen Bleigewichte, bekomme kaum die federleichte Kamera hoch. Ich schaue ringsherum in die Gesichter, die konzentriert und ergriffen zur Bühne schauen. Erleichterung, es geht nicht nur uns so. Das Publikum ist mäuschenstill, „Die Flut“ klingt bis zur letzten Note aus, dann eine Sekunde Pause und tosender Applaus. Berechtigt!! Auch hier zeigt sich die Größe dieser fünf jungen Männer aus dem sächsischen Vogtland. Mit einer großen Verbeugung zum Kollegen Peter Gabriel und seinem Real-World-Studios, wo ein großer Teil ihres Albums „Weltklang“ (das mit dem fantastischen Artwork) entstanden ist, endet die erste Hälfte des Auftritts. Ja, ihr hört richtig, erst Halbzeit!!

    

    

    

Und der zweite Teil beginnt erneut mit neuem Material, dem bisher unveröffentlichten „Pilger“. Erneut starker Einstieg und danach ein Hit-Feuerwerk aus Plauen: „Eine Liebe“, „Tausend Leben“ („Weltklang“), das 20-minütige Medley: „Sehnsucht, Gebet, Steig Herab“ („Weltklang“), vom Debüt „EINS“ gibt’s 15 Minuten „Sag Mir“, vom Nachfolger „SEIN“ noch die vokalstarke „Blumenkraft“ obendrauf. Mitten in diesem Block noch einmal eine außergewöhnliche Ansage von Christian Roscher, der die Meinung von 10 Musikern, die hier nach Rüsselsheim im Herzen von Hessen beschwerlich angereist sind, deutlich wiederspiegelt. Er bedankt sich im Namen von allen die auf der Bühne waren und den Menschen hinter den Kulissen beim Drahtzieher und Meister Marek Arnold, der diese Veranstaltung zusammen mit Rind-Vorstand Florian Haupt möglich gemacht hat. Das ist nicht nur eine großartige Geste, sondern auch gelebtes kollektives Miteinander und Teamgeist.

    

    

Und welches Lied von Polis drückt das deutlicher aus und ist meist der Abschluss jedes Konzerts des Quintetts: EIN Mikrofon wird in Stellung gebracht, alle fünf Musiker versammeln sich darum im Halbkreis. Dann singen die fünf Stadtbürger der Polis Plauen quasi Acapella zusammen das „Mantra“. Wir haben diesen Canon schon sehr oft erlebt, aber auch hier platzt das Lied emotional aus allen Nähten. Und das ist genauso gemeint wie es hier beschrieben wird. Alle in der Halle stehen gefühlt im KREIS um das Mikrofon und singen zusammen diese Hymne, rücken dabei enger zusammen. Es ist auch für alle Musiker etwas Besonderes, alle spüren es!! Für Sascha ist es schwer sich aus diesem menschlichen Verbund zu lösen, hinter seine Trommelburg zu klettern und den Rhythmus mit seinem Instrument aufzunehmen und zu verstärken. Bass, Keyboards, Gitarre steigen schrittweise ein und führen in ein furioses Finale. Die Halle steht Kopf!!

    

    

Wir erinnern uns an das erste Mal, als Polis dieses Lied 2020 vorgetragen hat und wir uns hinterher mit den Musikern in den Armen lagen. „Das, was wir euch damals sagten, ist wichtiger denn je und zukünftig noch unverzichtbarer!! Wir wünschen euch noch viele solche Mantras auf eurem Weg zu weiteren großen Erfolgen!!“

    

    

    

Die Zugabe mit „Gedanken“ ist dann das Sahnehäubchen auf ein, wie bereits gesagt, unvergessliches Konzert. Damit ist das offizielle Programm beendet und mit fast vier Stunden Premium-Musik-Programm ist der Sachsen-Express eingestimmt auf Holger Stöckels (Stone Prog Magazin) 60. Geburtstag. Es wird weiter gefeiert auf den schönen Abend, das pure Leben, den Zusammenhalt!! Florian gibt auch noch eine Runde Hochprozentigen aus. So lebhaft und schön können manchmal Prog Rock Meetings sein, die nächsten sind konkret in Planung. Bleibt neugierig und interessiert.  

    

    

Setlist

Der Kreis
Berg 
Tropfen 
Die Einsamkeit 
Das Erste Leuchtfeuer 
Die Flut (Peter Gabriel Cover mit deutschen Text) 
Pilger 
Eine Liebe, Tausend Leben 
Medley: Sehnsucht, Gebet, Steig Herab 
Sag Mir 
Blumenkraft 
Mantra

Zugabe

Gedanken

Roland Koch, November 2025

 

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