Flying Circus
Artrockfestival, Reichenbach, 05.04.2024
 


    

Der Fokus am ersten Festivaltag des Artrockfestivals lag deutlich im Art- und Neo-Prog -Bereich. Die drei Tage waren geprägt von nahbaren Musikern und tollen Gesprächen, da sich alle Beteiligten nach ihren Konzerten im Foyer den Fragen, Selfie- und Autogrammwünschen in sehr entspannter Atmosphäre stellten. Unter den Besuchern waren auch Bandmitglieder von Gruppen, die letztes Jahr auf der Bühne standen. So gaben sich die Musiker von Emerald Lies, der Keyboarder von TAP und der Gitarrist von Dawnation die Ehre und fachsimpelten ebenso mit vielen Besuchern. Leider waren am ersten Tag nicht so viele Besucher wie erwartet im Neuberinhaus und so verpassten viele vier eindrucksvolle Konzerte. Positiv zu bemerken ist auch der gute Sound im Raum sowie die kurzen Umbaupausen, die den Tag sehr kurzweilig machten.

     

Flying Circus ist eine bereits 1990 gegründete Rockband aus Grevenbroich, die Hardrock, Progressivrock, AOR, 70’er Jahre Rock etc. miteinander verbindet. Der Bandname ist auf Monty Python’s Flying Circus zurückzuführen. Michael Dorp hatte in ihrer Gründungsphase aus dem British Council in Köln nach und nach alle VHS-Cassetten mit der TV-Serie ausgeliehen, und ihr Ur-Drummer Falco Kurtz war auch ein großer Fan.

    

Lange ist die Band unter dem Radar der Musikfreunde geflogen, was sich aber hoffentlich jetzt ändert, denn sie sind live präsent und haben zahlreiche Alben veröffentlicht, zuletzt im Jahr 2023 den Livemittschnitt „Live im Roten Krokodil“, das ich jedem Rockfan wärmstens ans Herz lege.

    

Im November 2023 sind sie zusammen mit der deutschen Progrockformation Chandelier auf eine Doppel-Headliner-Tour gegangen und überzeugten ihr Publikum auf ganzer Linie. Jetzt haben sie – wieder zusammen mit Chandelier – einen Auftritt am ersten Tag des Artrockfestivals hingelegt. Und als Opener für solch ein Festival sind sie bestens geeignet, denn sie rocken richtig los und bringen das Publikum schnell auf Betriebstemperatur. So schafften sie das auch am Eröffnungstag im Neuberinhaus.

    

    

In Reichenbach standen Michael Dorp (Gesang, Perkussion), Michael Rick (Gitarre), Rüdiger Blömer (Keyboards, Geige), Roger Weitz (Bass) und Ande Roderigo (Schlagzeug, Gesang) auf der Bühne.

    

Die Band zündete sofort ein Rockfeuerwerk, das eine Mischung aus Hard- und Artrock präsentierte. Die Setlist war bis auf einen Song mit der identisch, die sie auch auf der letztjährigen Double-Headliner-Tour mit Chandelier gespielt hatten.

    

    

Flying Circus starteten ihr Set mit dem Song „The World Is Mine“ (vom „Forth“-Album). Flächige und teils orientalisch anmutende Keyboardsounds leiteten in diesen Track, der sich dann nach einigen Momenten aber in einen kraftvollen Rocksong der Marke Led Zeppelin verwandelte. Das war ein toller Einstieg und zeigte den Besuchern, die die Band bisher nicht kannten, in welche Richtung das Konzert gehen würde. Dem schloss sich dann ein furioses „Fire (I Wanna Go)“ an.

    

Im Anschluss gab es dann mit „More Than One“, „No Way Back” und „Voices In The Rain” drei Songs vom Konzeptalbum „Starlight Clearing“. „More Than One“ präsentierte sich in einer Mischung aus Prog und Folk. Garniert wurde der Track von einem jazzigen Keyboardsolo von Rüdiger Blömer. Im Song „No Way Back“ griff Rüdiger Blömer dann auch erstmals zu seiner Violine, die dem Song eine ganz besondere Note verlieh. Musikalisch präsentierte sich der Song in einer Mischung aus White Stripes und Led Zeppelin sowie weiteren Elementen. In der zweiten Hälfte kam dann ein leicht psychedelischer Part auf und Rüdiger steuerte darüber hinaus ein weiteres Keyboardsolo bei. Im Song „Voices In The Rain“, das mit Akustikgitarre begann und ein leichtes Uriah Heep-Feeling verströmte, geht es um eine fiktive Band und die Probleme, die so ein Rockleben mit sich bringt.

    

    

Das Stück „Follow The Empress“ ist das Einzige, bei dem Schlagzeuger Ande Roderigo den Leadgesang übernahm. In dem Song sorgte Michael Rick für ein sehr schönes Solo auf der Akustikgitarre. Ande Roderigo besitzt eine gute Gesangsstimme (er sang in den 90ern den Titelsong der RTL-Fußballshow „Anpfiff“ und gehört zum festen Sänger-Ensemble der RTL-Show „Let’s Dance“), die dem Song eine besonders, sanfte Note verlieh. Zu Beginn untermalten Akustikgitarre und Bass den Gesang. Nach einigen Momenten stiegen alle mit ihren Instrumenten in den Song ein und Ande und Michael kombinierten ihre Stimmen im Refrain. Das war ein wunderschöner, atmosphärischer Song.

    

Dann folgten, beginnend mit dem Stück „Derry“ drei Songs vom Konzeptalbum „1968“. Bei „Derry“ spielten sich Rüdiger Blömer an der Violine und Michael Rick an der Akustikgitarre im Stile des Irish Folk die Bälle zu. Im Song „My Lai“ kamen dann fernöstliche Klänge auf. Auch hatten sie in diesen Song recht jazzige und vertrackte Parts eingebaut, die mit Hardrockeinschüben verziert waren. „The Hopes We Had (in 1968)“ wies dann wieder Spurenelemente von Prog und Psychedelic auf und begann gar mit einigen funkigen Gitarrenlicks. In der zweiten Hälfte kamen dann herrlich floydige und an Nektar erinnernde Gitarrensounds im Solo von Michael Rick auf.

    

    

Während „Living A Lie“ von rhythmischem Klatschen eingeleitet wurde und recht vertrackt angelegt war, wies „Your Liege Forever“ neben Led-Zeppelin-Feeling auch eine Spur Neo-Prog der Marke Arena & Co. auf. Michael Rick griff in diesem Stück zu seiner Doppelhals-Gitarre.

    

Das kraftvolle „New York“ mit 70’er Jahre Rock-Flair und markantem Basslauf (Roger Weitz sei hier erwähnt, der die Stücke von Flying Circus unaufgeregt mit dem notwendigen Drive perfekt unterstützte) und das Titelstück vom 97’er „Seasons“-Album beschlossen dann ihr Set. Sie spielten es in einer absolut treibenden Version mit Led Zeppelin-Flair, bei der Michael zu einer Darbuka (ein Instrument aus dem nordafrikanisch/arabischen Kulturkreis) und zum Tamburine griff und sich so zusammen mit Drummer Ande Roderigo ein treibender, hypnotischer Rhythmus entwickelte, während Rüdiger Blömer erneut mit seiner Violine nach vorne kam.

    

    

Flying Circus waren ein klasse Opener des Artrockfestivals, die ordentlich einheizten und das Publikum im Neuberinhaus sofort auf Betriebstemperatur brachte. Sie überzeugten auf ganzer Linie und haben sich an diesem Tag viele Freunde erspielt. Wer sie bisher nicht kennt, dem empfehle ich dringend ihr aktuelles Livealbum „Live im Roten Krokodil“, das sie gegen Porto und eine Spende über ihre Internetseite herausgeben.

                   

    

 
 

 

Setlist

The World Is Mine
Fire (I Wanna Go)
More Than One
No Way Back
Voices In The Rain
Follow The Empress
Derry
My Lai
The Hopes We Had (in 1968)
Living A Lie
New York
Seasons


 

 

 

Stephan Schelle, April 2024

 

Besetzung

Michael Dorp (Gesang, Perkussion)
Michael Rick (Gitarre)
Rüdiger Blömer (Keyboards, Geige)
Roger Weitz (Bass)
Ande Roderigo (Schlagzeug, Gesang)


 
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