Preisverleihung
(Schallwelle-Preis 2009)


    
Detlef Keller / Winfrid Trenkler und Bernd Kistenmacher

Am 20.02.2010 fand zum zweiten Mal die Verleihung des Schallwelle-Preises statt, der die besten Musiker / Künstler aus dem Bereich der Elektronikmusik für ihre Verdienste des vergangenen Jahres prämiert. Ermittelt wurden die Preisträger durch eine mehrköpfige Jury, die sich aus Medienvertretern zusammensetzte sowie einem Onlinevoting an dem jeder seine Stimme abgeben konnte. Darüber hinaus gab es einen weiteren Ehrenpreis, der von der Jury vergeben wurde. Dieser Preis soll die langjährigen Verdienste in der Elektronikmusik ehren. Im letzten Jahr war kein geringerer als Winfrid Trenkler, u. a. Moderator der wegweisenden Radiosendungen „Rock In“ und „Schwingungen“, Träger dieses Preises. In diesem Jahr hielt er die Laudatio für den aktuellen Preisträger Ashra, das ist in erster Linie der Kopf dieses Projekts, Manuel Göttsching. zum aktuellen LineUp gehören aber auch noch Harald Grosskopf und Steve Baltes.

    
Frank van Bogart & Erik Wøllo / Uwe Cremer aka Level Pi und Steve Baltes

    
Klaus Hoffmann-Hoock / Robert Schroeder und Meesha

Neben vielen geladenen Musikern, die aus weiten Teilen Europas angereist waren, war die Veranstaltung auch für die Öffentlichkeit, nämlich die Fans der Szene, die diesen Event ja erst ermöglichen, geöffnet. Gegen 19.00 Uhr begann der offizielle Teil der Veranstaltung, der wie schon im Vorjahr im Ledigenheim von Dinslaken-Lohberg stattfand. Wie schon bei der ersten Preisverleihung, so waren auch im Februar 2010 die Besucher wieder zahlreich erschienen um die Preisträger, von denen im Vorfeld nur Ashra feststand, zu ehren und die drei Liveact (plus Überraschungsgig), die das Rahmenprogramm darstellten zu genießen.


Peter Seiler

    

Nach dem Livegig von Dithmar stand der erste Teil der Preisverleihung auf dem Programm, der mit viel Spannung erwartet wurde. Neben drei Jury-Preisen („Bester Musiker 2009“, „Bestes Album 2009“ und „Bester Neuling 2009“) sowie dem Ehrenpreis, gab es auch zwei Hörerpreise in den Kategorien „Bester Musiker 2009“ und „Bestes Album 2009“, die über das Internet gevotet werden konnten. Die Sieger erhielten eine sehr schöne Laserskulptur, die zu Beginn der Veranstaltung alle am rechten Bühnenrand aufgereiht waren. Mit der roten Beleuchtung sahen sie zwar zunächst aus wie Grableuchten, doch eins kann hier deutlich gesagt werden, die Elektronikmusik zeigte sich an diesem Tag gestärkt und wird noch lange nicht zu Grabe getragen.

    

    

Den Anfang der Nominierungen machte das „Beste Album 2009“ der Hörerwahl. Als Laudator hatte man Christoph Cech ausgewählt, der seit gut zehn Jahren Radiomoderator beim Dortmunder Radiosender eldoradio* ist und allwöchentlich mit seiner Sendung Codo’s Traumreisen die Hörer auf einen Trip durch die Welt der elektronischen Musik schickt. Wie einige nach ihm, beschrieb Christoph den Weg, den er im Umfeld der elektronischen Musik genommen hatte. Die ersten drei Plätze belegten:

    

1. Synth.NL – OceanoGraphy
2. Dithmar – Zodiac Zeit
3. Meesha – Novia

    

Der Preisträger, der Niederländer Michel van Osenbruggen aka Synth.NL, war sichtlich überrascht von dieser Platzierung, das ihm bei der Übergabe des Preises quasi die Worte fehlten.

Der nächste Laudator hieß Detlef Keller. Die meisten der Elektronikfreunde kennen ihn als Solokünstler und als Bestandteil von BK&S (Broekhuis, Keller & Schönwälder). Und genau diese Entwicklung und Freundschaft, die sich zwischen den drei Musikern über die Jahre entwickelt hat, machte Detlef zum Thema um zu erklären, warum Musiker und vor allem er und seine Kollegen Musik machen. Er prämierte den von den Hörern ermittelten Musiker in der Kategorie „Bester Künstler 2009“. Die Erstplatzierten in dieser Kategorie sind:

                   

1. Dithmar
2. Meesha
3. Synth.NL

Hier konnten augenscheinlich drei junge Musiker ihre Fans für die Abstimmung motivieren, was zu dieser unerwarteten Platzierung führte. Dennis Dithmar, der ja zuvor noch auf der Bühne gestanden hatte, war ebenso überrascht wie zuvor Synth.NL und bekam – sichtlich beeindruckt – kaum Worte heraus. Da hatte sich die weite Reise aus dem fernen Dänemark für ihn richtig gelohnt.

Und es ging weiter Schlag auf Schlag, denn schon stand Sylvia Sommerfeld auf der Bühne, die – wie im Vorjahr – den Jury-Preis für den „Besten Neuling 2009“ vergab. Doch bevor sie sich mit der Laudatio und den nominierten Musikern befasste, bat sie zwei der Vorjahressieger Ambient Circle auf die Bühne, die neben der Trophäe auch noch eine CD-Produktion gewonnen hatten. Aus der vielköpfigen Mannschaft des Ambient Circle standen ihr Michael Kathke und Thomas Hermann Rede und Antwort. Sie präsentierten an diesem Tag ihr druckfrisches Erstlingswerk und berichteten über die Produktion.

Es war keine leichte Aufgabe, der sich die Jury da bei der Wahl des besten Neulings gestellt hatte, denn es ging um Künstler, die bisher noch nicht richtig in der Szene in Erscheinung getreten waren, auch wenn sie – wie der Gewinner – schon jahrelang Musik machen. Die Platzierungen lauten:

1. Meesha
2. Dithmar
3. Dutch Space Mission

    

Mit Meesha hat es einen Musiker getroffen, der in 2009 durch seinen Auftritt beim Electronic Circus-Festival in Bielefeld für Furore sorgte. Ron Boots, der ihn live sah, sprach kurze Zeit später beim E-Live davon, dass die besten beiden Keyboarder der Szene derzeit Stephen Whitlan und Meesha seien. Wenn das keine Referenz ist, dann weiß ich es auch nicht.

                   

Neben dem Auftritt tritt bei Meesha eine weitere Eigenschaft zu Tage, die die Leidenschaft zeigt, mit der er sich seiner Musik widmet. Eine richtige CD gibt es bisher von ihm nicht, wer aber seine Musik haben möchte, der kann sie sich kostenlos im Internet herunterladen. In Bielefeld ging er sogar soweit, dass er CDRs mit seinen Stücken an die Besucher, die Interesse daran hatten, verschenkte. Das nenne ich Idealismus.

Auch Meesha bekam neben der Lasertrophäe eine CD-Produktion mit allem drum und dran gesponsert. Man kann gespannt sein, was er im nächsten Jahr dann dem Publikum präsentieren wird.

Nach dem Liveauftritt von GartenOhm ging es mit den nächsten Preisträgern weiter. Der Jury-Preis für das „Beste Album 2009“ stand nun an und wurde von keinem geringeren als Robert Schroeder mit einer sehr humorvollen Laudatio seines Musikerlebens eingeleitet. Es waren einige Dinge von Robert zu erfahren, die man bisher nicht kannte, wie etwa die Tatsache, dass er Werbemusik für Atari und Lenor gemacht hatte.

                    

                        

Nominiert für diesen Preis waren:

Synth.NL – OceanoGraphy
Spyra – January In June
Erik Wøllo & Bernhard Wöstheinrich – Arcadia Borealis
Moonbooter – Cosmoclimax
Frank van Bogart & Erik Wøllo – Airmachine

    

    

und der Gewinner lautet:

Spyra – January In June

Wolfram Spyra freute sich sehr über diesen Preis, da er, wie er selbst sagte, mit „January In June“ kein reines Elektronikalbum, sondern zu dem noch ein sehr sperriges Album geschaffen hat und erstaunt war, dass es so gut ankam. Diese Redseeligkeit sollte dem aus Kassel stammenden Künstler einige Momente später noch vergehen, was er zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht ahnen konnte. Robert meinte dann spaßeshalber könnte Wolfram Spyra ja den Preis zersägen und das Geräusch dann aufnehmen. Aus diesem Sound lasse sich dann wahrscheinlich ein guter neuer Track aufnehmen, woraufhin Wolfram das Mikro an die Skulptur hielt um festzustellen welchen Klang er beinhaltet.

                   

Dann betrat Rolf Maier-Bode das Podium um die Laudatio für den „Besten Musiker 2009“ zu halten. Zunächst sagte mir der Name nichts, doch nach der Vorstellung war schnell klar, dass es sich um den Kopf des in den 90’er Jahren sehr erfolgreichen Elektronik-/Techno-Projektes RMB handelt. Rolf zeichnete in sehr anschaulichen Bildern seinen Weg, der ihn vom ersten Computer, dem C64 – ohne Datasette oder Diskettenlaufwerk – zum Programmieren und damit neben seinem Klavierspiel zur Musik brachte. Der erste Erfolg kam für ihn unverhofft im Alter von ca. 20 Jahren und besorgte ihm einen Plattendeal mit einer der größten Musikfirmen in Deutschland.

Rolf ging Musikmaschinerie recht deutlich ins Gericht und bezeichnete sie als Tod der Kreativität, denn wenn viel Geld fließt, dann will auch ein Label im Musikprozess mitmischen und -sprechen. Diese Erfahrungen ließen ihn dann aussteigen und er kümmerte sich fortan nur noch um Auftragskompositionen. Vor kurzem entdeckte er dann doch wieder die Liebe zu eigenen Stücken und brachte in Eigenregie ein neues Album heraus, auf das Stefan Erbe aufmerksam wurde und ihn als Laudator gewinnen konnte.

    

In seiner Laudatio machte Rolf deutlich, dass für ihn die wichtigsten Eigenschaften eines guten Musikers die Leidenschaft ist, mit der er an seine Musik herangeht. Darüber hinaus ist aber auch die eigene Handschrift, die sich in der Musik wieder finden muss, ein wichtiges Element. Für ihn haben alle nominierten Künstler diese Eigenschaften. Diese waren:

Ian Boddy
Wolfram Spyra
F.D. Project aka Frank Dorittke
Rainbow Serpent
Erik
Wøllo

    

    

Und der „Beste Künstler 2009“ lautet:

Wolfram Spyra.

Mit diesem weiteren Gewinn war Spyra nicht nur der Abräumer des Abends, sondern er war sichtlich sprachlos und konnte es nicht fassen, seinen Vorjahreserfolg noch einmal zu bestätigen. Spontan orderte er eine Lokalrunde.

    

Zunächst war es die Radiolegende Winfrid Trenkler, der extra aus dem hohen Norden seiner schwedischen Wahlheimat ins Ruhgebiet angereist war, um die Laudatio für den Ehrenpreis an das Musikprojekt Ashra zu vergeben. Hatte Trenkler im Vorjahr diesen Preis noch selbst erhalten, so wurde ihm nun das große Vergnügen zuteil, diesen Preis an Manuel Göttsching, dem Mastermind hinter Ashra, zu verleihen. Wie gewohnt holte Winfrid in seiner Laudatio weit aus und gab dabei einige Geheimnisse aus seinem Privatleben preis, wie etwa den Umstand, dass er bei seiner Hochzeit Manuel Göttsching angerufen hatte um ihn zu bitten auf seiner Hochzeitsfeier live zu spielen. Das lehnte Manuel damals aber ab und veröffentlichte dann einige Zeit später sein Erfolgsalbum „E2-E4“. Trenkler schloss den Kreis zwischen Hochzeit und Album, in dem er die Heirat, die in bäuerlicher Umgebung stattfand, mit dem Thema des Schachspiels, das sich Göttsching für „E2-E4“ ausgesucht hatte, miteinander in Bezug brachte. Denn wie Trenkler sagte, bestehen die Figuren im Schachspiel schließlich zur Hälfte aus Bauern.

                   

    

Es war eine sehr schöne Rede, in der Trenkler seine Liebe zur elektronischen Musik und im speziellen zu Ashra’s Stücken erklärte. Auf die kleinen Anspielungen wie zum Beispiel der Meinung, dass sich elektronische Musik besonders gut für die Liebesaktivitäten eigne, soll hier nicht näher eingegangen werden. Winfrid verstand es ganz geschickt die Titel des Albums „E2-E4“, das sichtlich zu seinen Lieblingswerken gehört, in seine Laudatio einzubinden. Das klang manchmal ungewohnt, wenn er von „Gemäßigter Aufbruch“, „Damen-Eleganza“ oder „Ehrenvoller Kampf“ sprach, zog sich aber wie ein roter Faden durch seine Rede.

    

     

Manuel Göttsching war persönlich angereist und nahm den Preis sichtlich gerührt entgegen. Nach der entsprechenden Würdigung kamen dann noch Harald Grosskopf und Steve Baltes, die derzeit mit zum Musikprojekt gehören, auf die Bühne um die Preisverleihung zu komplettieren. Scherzbold Grosskopf wollte sich dann auch gleich die Trophäe (es wurde ein Einzelstück verliehen) unter den Nagel reißen und ließ sie kurz unter seiner Jacke verschwinden. Doch schnell holte er sie wieder hervor und reichte sie an Steve Baltes weiter.

    
Wer will denn da den Preis verschwinden lassen?

    

Fazit eines Tages, der weit nach Mitternacht endete: Die Szene der Elektronikmusik hat am 20.02.2010 bewiesen, das sie noch lange nicht auf dem Abstellgleis gelandet ist. Es gab eine Reihe an innovativer Preisträger und Musik, die zur Begeisterung des Publikums beitrugen und zeigen, wie wichtig diese Stilrichtung im Kontext der Musik ist.

 


Zum Abschluss noch Mal alle auf die Bühne

Hier noch einmal die Preisträger in der Zusammenfassung:

Hörerwahl

Beste CD 2009 – Synth.NL - OceanoGraphy
Bester Musiker 2009 – Dithmar

Jurywahl

Bester Neuling 2009 Meesha
Beste CD 2009 – Wolfram Spyra - January In June
Bester Musiker 2009 – Wolfram Spyra
Sonderpreis - Ashra

Stephan Schelle, 21.02.2010

     

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