Der Hauptact des Tages hieß Picture
Palace Music. Die Band um Thorsten Quaeschning und Sascha Beator spielt
ihre Gigs in unterschiedlichen Zusammenstellungen. In Gütersloh bestand
der Hauptteil der Band aus insgesamt sechs Musikern, die um weitere
Gäste ergänzt wurden. Mit zwei Keyboardtürmen (Thorsten Quaeschning und
Sascha Beator), zwei Gitarristen (Djirre und David See, letzterer an der
elektrischen Mandoline) und zwei Schlagzeugern (Vincent Nowak und Kai
Hanuschka) machten sie zu später Stunde ordentlich Druck.
Ihren gut zweistündigen Auftritt
begannen Picture Palace Music allerdings sehr außergewöhnlich, denn als
Intro, zu dem die Musiker die Bühne betraten, lief der Frank
Sinatra-Song „I Get A Kick Out Of You“. Das zeigt schon den Humor, den
Thorsten Quaeschning & Co. besitzen. Auch zeigte sich Thorsten’s
humorvolle und lockere Art während der Ansprachen, die er beim Konzert
machte. Er bedankte sich beispielsweise am Ende des Gigs bei den
Besuchern für ihren Musikgeschmack und das sie so lange ausgehalten
hatten. Es war zu diesem Zeitpunkt auch für die meisten bereits ein
langer Tag gewesen. Aber kommen wir zur Musik.
Picture Palace Music präsentierten
einen Querschnitt ihrer bisherigen Veröffentlichungen „Midsummer“,
„Symphony For Vampires“, „Fairy Marsh Districts“, „Sonambulistic Tunes“
und „Natatorium“ sowie der brandneuen EP „Metropolis Poetry“. Daneben
hatten sie auch neues Material dabei, das im nächsten Jahr auf dem Album
„Indulge The Passion“ erscheinen soll. In ihrem Gig ging es von der
ersten Minute an ziemlich druckvoll und rockig zur Sache, denn die
beiden Schlagzeuger Vincent Nowak und Kai Hanuschka legten sich
ordentlich ins Zeug. Für so manchen war das eine Spur zu laut, ich für
meinen Geschmack fand die Lautstärke genau passend, denn hier wurde
nicht einfach Elektronikmusik geboten, sondern der Grad zur Rockmusik
war in vielen Stellen schon überschritten, was mir außerordentlich gut
gefiel.
Und das der Druck ordentlich war, wird
daran deutlich, dass während des Konzertes eine der Monitorboxen durch
die Vibration der Schallwellen von der Bühne kippte. Davon ließen sich
die Jungs auf der Bühne aber nicht beirren, sondern gaben vielmehr
weiter Gas und Thorsten kommentierte dies nach Beendigung des Stückes
nur mit den Worten: „Das ist Punkrock!“.
Als besonderes Schmankerl boten Djirre,
Vincent Nowak
und David See bei einem Track eine Einlage mit Sound-Stones. Sie
vollführten rhythmische Muster mit zwei Steinen, die sie in den Händen
hielten und rhythmisch gegeneinander schlugen. Vor allem David ging bei
dieser Performance so richtig aus sich raus und übertrug ein
hypnotisches, ekstatisches Feeling auf das Publikum. Man konnte in
diesem Moment von dieser Musik richtig high werden.
Stücke wie „Moon Dial“, „Metropolis
Theme“ oder „Risk Pool“ bekamen ein leicht verändertes Gesicht. Picture
Palace Music live ist halt eine ganz andere Nummer, als es auf den CDs
rüberkommt. Dafür sorgten dann auch einige Gastmusiker wie zum Beispiel
Frank Ebeling, der bei „Damsel’s Dive“ in die Saiten seiner E-Gitarre
griff und die Anzahl der Gitarristen auf der Bühne damit auf drei
erhöhte. Ein weiterer Gast war Andreas Parnow von der Gruppe Vraigaist
am Saxophon. Durch den Einsatz dieses Instrumentes beim Stück „Spring
Water Fall“ kam noch einmal ein ganz anderes Flair in die Musik von
Picture Palace Music. Zu Beginn spielte Andreas Parnow das Saxophon noch
recht smoothy, zum Ende hin wurde es aber gar jazzig, experimentell und
abgefahren. Man konnte auch an Thorstens Mimik und Gestik erkennen, wie
sehr er Spaß an dieser Einlage – wie im Übrigen auch am gesamten Konzert
– hatte. Das sind die überraschenden Momente, die ich liebe und die ein
derartiges Konzert einfach unglaublich machen.
Leider hatten Picture Palace Music mit
technischen Problemen zu kämpfen. So verzögerte sich der Auftritt (auch
durch die spontane Einlage von Gandalf) um mehr als eine Stunde. Daneben
waren die Projektionen bei den ersten Stücken nicht zu sehen, was dann
insgesamt dazu führte, dass der geplante Auftritt von Geburtstagskind
Gerd Wienekamp am Didgeridoo bei einem Track ausfiel. Das war aber das
einzige Manko, denn ansonsten lieferten Picture Palace Music einen
grandiosen Auftritt.
Aber nicht nur Rock erklang bei
Picture Palace Music aus den Boxen. Stücke wie „Drowning Moon And Eleven
Suns“ ließen deutlich den Einfluss von Tangerine Dream erkennen. Durch Djirre’s E-Gitarren-Licks, mit denen er den Track ergänzte, wurde das
Stück noch mal in eine ganz andere Sphäre gehoben. Bei „Moon Dial“ kam
dann mit Thomas „Tommy“ Betzler der nächste Gast auf die Bühne. Der
studierte Schlagzeuger, der in den 70’er Jahren mit Klaus Schulze
zusammen gearbeitet hat und der Anfang der 80’er bei P’Cock mitspielte,
war das erste Mal seit 30 Jahren wieder live auf einer Bühne zu sehen.
Zunächst ließ er in dem Stück die Gongs und Becken erklingen, um dann
Vincent hinter dem Schlagzeug abzulösen. Und es war, als wenn es die 30
Jahre nicht gegeben hat, so rhythmisch und traumwandlerisch fügte er
sich in das Spiel der Band und den Dialog mit seinem Drummerkollegen Kai
Hanuschka ein. „Moon Dial“ entwickelte sich so zu einem perkussiven
Feuerwerk, das in einen ekstatischen Teil, in dem auch Thorsten und
Sascha richtig abgingen, mündete. Und auch mein Lieblingsstück „Risk
Pool“ durfte nicht fehlen. Allerdings war mir bei diesem Stück Thorstens
Vocoder verfremdete Stimme zu sehr in den Hintergrund geraten. Ansonsten
aber fesselnd wie immer.
Bei
„Indulge The Passion Part III“,
einem recht Flächenlastigen Stück bediente Thorsten dann eine Lapsteel-Gitarre, die
sonst eher im Countrybereich zu finden ist. Dabei handelte es sich um
ein auf dem Rücken liegendes Saiteninstrument ohne „Körper“. Dieses
hatte Thorsten vor sich auf einer Ablage liegen und bearbeitete es mit
zwei Metallstäben. Er holte damit sehr ambiente, spacige und
melancholische Klänge aus dem Instrument. Dazu liefen auf der
Rückwärtigen Leinwand Bilder vom Anschlag auf New York aus dem Jahr
2001 (man sah teilweise die beiden Twintower mit ihren Rauchfahnen), was der Performance eine leicht bedrückende Form verlieh.
Gegen ca. 1:00 Uhr war dann das Event
zu Ende und so langsam begann der Kehraus. Ein tolles Festival hatte
berauschende Konzerte von tollen Künstlern gesehen. Nicht erst seit
diesem Tag hat sich das Electronic Circus Festival als fester
Bestandteil und qualitativ hochwertiges Event in der Szene etabliert.
Dieses Festival gehört fest in den Terminkalender eines jeden
Elektronikfreundes eingeplant. Auf ein Neues im nächsten Jahr mit
hoffentlich noch mehr Besuchern, die Künstler und Macher haben das
einfach verdient.
Setlist
Right
Of Ascension
Chill Crystal Zone
Array Of Fadin’ Flowers
Drowning Someone’s Sorrow Into The Ocean
Damsel’s Dive
Spring Water Fall
Indulge The Passion Part IV
The Gretchen Tragedy
Drowning Moon And Eleven Suns
Moon Dial
Risk Pool
Indulge The Passion Part III
Knock Knock
Annual Fair
Tangled High Mass
Demeter-Morph
Metropolis Theme
Zugabe
Midsummer's Day
Stephan Schelle, 03.10.2011