in[SPYRA]tion
(E-Circus Summer Edition, Borgholzhausen, 24.06.2023)


    

Als Hauptact des sommerlichen Elektronikfestivals fungierte dann das Trio in[SPYRA]tion. In dem Projektnamen in[SPYRA]tion ist der Nachname des Elektronikmusikers Wolfram Spyra integriert. Darüber hinaus soll er natürlich auch die Inspiration, die das Trio, bestehend aus Roksana Vikaluk, Wolfram Spyra und Hajo Liese bei ihren Kompositionen und Improvisationen an den Tag legt, widerspiegeln.

     

    

Wolfram Spyra schloss sein Studium an der Kunsthochschule Kassel mit der Diplomarbeit „Klangerzeugung, Klangkomposition, Klangskulptur“ ab und ist seit seinem ersten Album von 1995 mittlerweile eine echte Institution in der Elektronischen Musik. Seine Klanginstallationen in Kassel haben ihn neben seinen Veröffentlichungen über die Ländergrenzen hinaus sehr bekannt gemacht. 2019 brachte Spyra gemeinsam mit Roksana Vikaluk das Album „InSPYRAtion“ (Live in Solingen) heraus. Der Nachfolger „IN[SPYRA]TION II“ war ein Live-Mitschnitt von der „Superbooth 2019“ in Berlin. Bei diesem Konzert spielte Spyra gemeinsam mit HaJo Liese (EL-KA) und Roksana Vikaluk. Gerade die Zusammenarbeit mit HaJo Liese begeisterte Spyra, weil HaJo mehr Tiefe, Rhythmus und Ambiente in die Kompositionen einbrachte.

     

    

Das es dieses Trio gibt ist reiner Zufall. Beim Ricochet-Festival im Jahr 2010 trat Hajo Liese live auf. Und während er den Soundcheck machte, kam Wolfram Spyra in den Raum und spielte spontan zu der Musik. Die Bandmaschine lief damals mit und die Beiden fanden das Ergebnis so gut, dass sie eine Zusammenarbeit vereinbarten die seit 2019 unter dem Namen in[SPYRA]tion Früchte trägt.

    

     

Wolfram Spyra & Co. hatten sechs Stücke plus Zugabe geplant, bei denen bei vier Stücken lediglich einige Absprachen und Sequenzen im Vorfeld abgesprochen waren. Titel hatten die Stücke, bei denen improvisiert wurde, noch nicht. Die Drei spielten sich schon zu Beginn so in einen Flow, in dem sie die ersten drei Stücke völlig ungeplant ineinander fließen ließen und ohne Unterbrechung durchspielten, so dass ein gut 40minütiger Track entstand.

    

    

Es begann mit weiten Flächen in die Roksana mit ihrer Stimme, die sie als Instrument einsetzte und teils auch mit arienhaftem und kehligem Gesang verzierte, eine besondere Stimmung erzeugte. Langsam entwickelte sich das Stück. Nach einigen Minuten spielte Roksana dann eine Pianoartige Abfolge, die in die Flächen eingewoben wurde. Weitere Minuten später setzte dann der Sequenzer ein und es begann ein „Berliner Schule“-mäßiger Part, der eine Spur von Tangerine Dream enthielt. Das wechselte dann in einen Part, bei dem Roksana wieder mit Pianosounds fast schon klassisch agierte. Flächige und schwebende Momente wechselten sich mit rhythmischen Parts ab.

     

Darauf folgte dann ein gut 14minütiger Track, der auf Sequenzerrhtyhmen basierte, die Hajo Liese im Vorfeld erstellt hatte. Darauf improvisierten sie dann. Ein rhythmischer, hypnotischer Track. Wolfram benutzte bei einigen Stücken unter anderem ein Mundstück, das an den Synthie angeschlossen war und mit dem er die Synthsounds verändern konnte. Damit klangen einige Sounds noch sanfter.

    

    

Roksana, die aus der Ukraine stammt und mit Wolfram verheiratet ist, sorgte dann für einen ganz besonderen Gänsehautmoment. Sie trug ein traditionelles Stück aus ihrer Heimat vor, das den Titel „Tuman Yarum“ trägt. Sie sang das Stück allein und loopte dabei ihre Stimme, was zu einem mehrstimmigen Gesamtbild führte. Ein sehr eindringliches und intensives Lied, das die Tradition der Ukraine widerspiegelte.

                  

    

Nach den rein improvisierten Stücken standen dann noch zwei Stücke aus dem Solorepertoire von Wolfram Spyra auf dem Programm. Als erstes spielte er seinen Klassiker „Future Of The Past“ vom gleichnamigen Album aus dem Jahr 1997. Gänsehaut treibende Harmonien sowie ein sanfter Rhythmus bildeten die Grundlage für dieses wunderbare Stück auf dem zunächst ein Pianosound die Grundmelodie bestritt. Nach wenigen Momenten übernahmen dann aber Synthsounds, die einen leichten Trompetenhaften Einschlag besaßen, diesen Part. Nach ein paar Minuten kam dann ein knackiger Rhythmus auf gefolgt von einem melodischen Einschub, der an „Akte X“ denken ließ und der dann wieder in die Ursprungsmelodie überging. Eine tolle, modernisierte Version seines Klassikers.

    

    

Als Zugabe spielte das Trio dann eine Version des ursprünglich ruhigen Stückes „Frozen Fountain“ aus dem 2018’er Album „Dunst“. Für ein Theaterstück hatte Wolfram das Stück nochmal neu aufgenommen und spielte es an diesem Tag in einer mit Beats unterlegten Version. Zunächst starteten sie mit perlenden Klängen und Flächen, die sich nach etwas mehr als einer Minute in einen pulsierenden Mahlstrom transformierten. Das klang streckenweise teils recht rockig und tanzbar und wechselte nach einigen Minuten wieder in einen ruhigeren Part. Ein gelungenes Ende eines tollen Konzertes und Festivals.

    

Auch für das nächste Jahr ist die Scheune in Borgholzhausen wieder eingeplant. Wer auf gute elektronische Musik steht, der sollte die Augen offen halten und die Veranstaltungen des Electronic Circus besuchen.

    

Stephan Schelle, Juni 2023

Konzert von Filter-Kaffee

 

E-Circus Summer Edition 2023