Filter-Kaffee
Live in der Kulturkapelle, Hemer am 25.10.2025

Filter-Kaffee, das sind die beiden Berliner Elektronikmusiker Frank Rothe und Mario Schönwälder. Die Beiden traten am 25.10.2025 in der PeRo Kunstkapelle von Hemer auf. Das ist eine kleine Kapelle, in der seit gut acht Jahren Petra und Robert Bluhm aus Hemer mehr als 200 Veranstaltungen verschiedenster Art organisierten. Der Besitzer, die Kirche Hemer, hat allerdings vor gut einem halben Jahr den Beiden – ohne Angabe von Gründen – gekündigt und so fand am 25.10.2025 das letzte Konzert in der kleinen Location, in der 50 Personen Platz fanden, statt. Wie an einigen anderen Standorten auch, scheinen Institutionen kein Interesse mehr an Kultur zu haben, so auch in Hemer.

Mario Schönwälder war auf Hemer aufmerksam geworden, als er eine Sendung von „Bares für Rares“ verfolgte und ein Ehepaar dort am Tresen stand und auf die Frage, was sie denn machen würden, antwortete: „Wir organisieren Veranstaltungen u.a. auch Konzerte.“ Das interessierte Mario und so schrieb er die Beiden an. Diese waren sehr angetan von dem Vorschlag ein Elektronikkonzert zu organisieren (es war für die Beiden das Erste dieser Musikart) und so kam es dann zu dem letzten Termin im Oktober.

 

     

    

Frank und Mario boten einige Stücke aus ihren bisherigen Alben und darüber hinaus auch ein neues, bisher unveröffentlichtes Stück. Wie Mario erklärte, könnte dies der Beginn eines neuen Albums der Beiden sein. Der Hauptteil des mehr als zweistündigen Konzertes, das aus zwei Sets mit einer Pause bestand, war dem aktuellen, 2024’er Album „106“ gewidmet, aus dem vier Longtracks gespielt wurden. Die Beiden waren sehr gut gelaunt und Mario gab zwischen den Tracks Erklärungen zu den Hintergründen oder der Namensgebung der Stücke ab.

    

    

Los ging es, mit dem zum herbstlich/stürmisch/regnerischen Wetter vor der Tür passenden Titel „Den Tilltaganen Stormen“, was niederländisch ist und so viel wie „die aufkommenden Stürme“ bedeutet. Das Stück wurde auf ihrem letzten Album „106“ veröffentlicht. Mit einem etwas dunklen Pianomotiv starteten die beiden in diesen ersten Track und ersetzten damit die bedrohlich wirkenden Klänge der Studiofassung. Den Track, der um dreieinhalb Minute kürzer als in der Studiofassung war, spielten sie in einem etwas veränderten Arrangement. Zwischendrin wurden einigen Mellotronklänge eingebaut. Vor allem nach etwas mehr als vier Minuten entwickelte sich das Stück zu einem harmonischen Track, der langsam dahin mäanderte und in Richtung „Berliner Schule“ wies. Damit erzeugten sie eine wohlige Stimmung, die sich im Raum ausbreitete.

    

    

    

Als Fan von Tangerine Dream, die ein Stück namens „Coldwater Canyon“ gemacht haben (findet sich auf ihrem 1977’er Album „Encore“), hatten sich Mario und Frank für das nächste Stück überlegt, dies doch mal ins Deutsche zu übersetzen. Dabei kam dann der humorvolle Titel „Kaltwasserhahn“ heraus, der sich auch auf dem Album „106“ befindet. Diesen spielten sie dann in einer ebenfalls leicht kürzeren Version und ohne den Einsatz des Gitarristen Thomas „Tom“ Köhler. Leicht industriell klingende Synthesizerklänge leiteten in dieses Stück ein. Dann kamen aber schnell Mellotronklangfarben auf und die Beiden bewegen sich im Stil von Tangerine Dream der Endsiebziger. Es dauerte fast drei Minuten bis dann ein Sequenzerrhythmus den Takt vorgab und sich der Track nun in einen rhythmischeren Part wandelte. Ein klasse Track, der für mich zum Highlight ihres Albums „106“ gehört und auch live überzeugte.

     

    

„Die Weltmaschine“ ist inspiriert von der wahren Geschichte, die Mario im Spiegel gelesen hatte. Der Artikel berichtete über einen Bauern in Österreich, der sein Leben lang Schrott gesammelt hatte und in seiner Scheune eine riesige Maschine baute. Er nannte die Maschine die Weltmaschine. Die ratterte, die blinkte, die klingelte und rasselte, hatte aber keinerlei Funktion um etwas zu produzieren. Er hatte 30 bis 40 Jahre daran gearbeitet und ging dann abends zu seiner Frau in die Wohnung zurück und sagte: „Die Maschine ist jetzt fertig.“ Dann legte er sich schlafen und starb. Sein Lebenszweck, die Maschine fertig zu stellen, war nun erfüllt. Mario war von den Bildern so angetan, dass er mit Frank daraufhin das Stück „Weltmaschine“ einspielte. Das Stück war im Konzert eine Minute länger als im Original. Ein sehr schönes, harmonisches Stück, bei dem die Flächen durch den Raum zogen und einige Effekte und rhythmische Elemente die Maschine darstellten. Nach sieben Minuten starteten sie dann den Sequenzer und es wurde rhythmischer und ratterte stoisch dahin.

    

    

    

Mit „Epsilon In A Dark Twilight“ kam dann das erste Stück von ihrem 2017’er Album „103“ ins Programm. Ein Titel der ebenfalls von Tangerine Dream inspiriert ist. Das Stück hat im Original eine Länge von 25:24 Minuten Spielzeit und wurde in Hemer in einer 14einhalminütigen Fassung gespielt. In den ersten Minuten produzierten sie eher Stimmungsbilder, die aus mysteriösen Klängen bestanden. Nach neun Minuten wurde es dann durch den Einsatz des Sequenzers aber wieder rhythmischer und auch die Mellotronharmonien wiesen gingen wieder in Richtung Tangerine Dream. Danach ging es zunächst in eine gut halbstündige Pause.

     

    

Nach der Pause starteten die Beiden mit „The River Of Decision“. Mario erklärte, dass hier wieder Tangerine Dream Pate stand. „Über den Titel ist wichtig zu wissen, welchen Fluss die Beiden gemeint haben. Und wenn man den Namen des Flusses kennt, dann sollte man vielleicht auch die Geschichte dazu kennen. Julius Caesar ist irgendwann über diesen Fluss geschritten, hat einen entscheidenden Schritt getan.“ Der Fluss war Rubycon. Tangerine Dream haben 1975 ein Album gleichen Namens veröffentlicht. Frank und Mario bewegten sich mit diesem Stück, das mit einer Art Wasserrauschen begann, wieder im Umfeld der „Berliner Schule“, dem Stil von Tangerine Dream der 70’er Jahre. Mysteriöse Klänge und Mellotronsounds waren in den ersten Minuten zu vernehmen. Nach mehr als sechs Minuten kam dann ein pulsierender Sequenzerrhythmus auf, der eine hypnotische Stimmung erzeugte. Darauf legten sie dann ihre Mellotronharmonien. Ein schöner Track, der den Klang der 70’er Jahre wieder zum Leben erweckte.

    

    

    

Das folgende „Een Elektronisch Winterlandschap“ vom Album „104“ war von Klaus Schulze inspiriert. Marios Lieblingsalbum von Schulze ist „Mirage“ aus dem Jahr 1977. Es ist einem lieben verstorbenen Menschen gewidmet und trägt den Untertitel „Eine elektronische Winterlandschaft“. Schulze hat damit sein inneres Befinden musikalisch beschrieben. Frank und Mario haben sich inspirieren lassen und daraus dann „Een Elektronisch Winterlandschap“ gemacht. Das Stück atmete deutlich den Spirit von Klaus Schulze und zog atmosphärisch durch den Raum.

    

    

Mit „Run To Catch Your Thoughts“ folgte dann als letzter Track des offiziellen Teils ein zwölfminütiges neues Stück, das bisher unveröffentlicht ist. Es begann recht sphärisch. Nach wenigen Momenten kamen dann Synthesizerchöre auf und das Volumen steigerte sich. Nach gut zwei Minuten schälte sich ein sanftes Rhythmusmuster heraus und der Track zog stoisch seine Bahnen. Nach wenigen Momenten kamen auch noch Perkussionelemente auf, die man sonst von Bas Broeklhuis kennt (er machte im Übrigen das Licht), aber nicht von ihm stammten. Sanfte Harmoniebögen wurden darauf gelegt und es entwickelte sich ein wunderbarer, hypnotischer Track. Man darf auf ein kommendes Album von Filter-Kaffee gespannt sein.

    

    

    

Als Zugabe boten die beiden dann eine zwölfminütige Version ihres Stückes „Divania“ von ihrem Album „103“. Mit diesem sehr rhythmischen und druckvollen Track verabschiedeten sich die Beiden dann in die Nacht. Ein klasse Track, der alle noch mal wach machte und für so manche rhythmische Bewegung sorgte. Am Ende des Stückes ließen sie dann auch noch einige Glocken erklingen, was sehr passend für eine Kapelle war.

    

    

Neben einigen Fans der Elektronikmusik waren auch Besucher anwesend, die öfter in die Veranstaltungen der Kulturkapelle kommen und sich von den jeweiligen Auftritten überraschen lassen. Nicht nur die eingeweihten Elektronikfans, sondern auch die Besucher, die bisher noch keinen Kontakt zu dieser Musik hatten, waren von Frank und Marios Auftritt begeistert. Es war ein gelungenes Abschlusskonzert für Petra und Robert Bluhm, die damit quasi die Kulturkapelle abschlossen.

    

    

 

Setlist

Den Tilltaganen Stormen
Kaltwasserhahn
Die Weltmaschine
Epsilon In A Dark Twilight
The River Of Decision
Een Elektronisch Winterlandschap
Run To Catch Your Thoughts

Zugabe 

Divania

Stephan Schelle, Oktober 2025