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Interview mit Frank van Bogaert
im August/September 2005 per Email geführt

 

Stephan: Frank, du hast mit der CD „Closer“ mittlerweile dein fünftes Album auf dem Markt. Man kann also sagen, dass du schon zu den etablierten Musikern in der Elektronikszene zählst. Seit wann machst du selbst Musik und wie bist du zur Elektronikmusik gekommen?

Frank: Im Alter von 18 Jahren, in den 80’ern, gründete ich die belgische New Wave Band 1000 Ohm. Mit dieser Band hab ich Popmusik im Stil von Depeche Mode und Ultravox gespielt. Wir waren glücklich, dass wir einige Hits in Belgien, Frankreich und Kanada platzieren konnten. Weil wir relativ erfolgreich waren hatten wir einen Plattenvertrag bei einer Majorcompany, was uns durch das Budget eine Menge Zeit im Aufnahmestudio bescherte. Kurz bevor die Band 1000 Ohm sich im Jahr 1987 auflöste, war das Studio schon mein natürliches Biotop geworden und ich begann andere Bands zu produzieren.

Einige Jahre später kaufte ich das ACE-Studio, das mir als dauerhafte Basis für meine Aufnahmeprojekte dient. Als der finanzielle Stress, der auf der Übernahme des Studios zurückzuführen war, beendet war, (dies dauerte einige Jahre) begann ich das Studio regulär zu mieten um die Musik zu machen, die ich im Herzen trug. Die Art von Musik, die ich für mich selbst, nicht für irgendwelche Käufer, machen wollte, elektronische Musik verwurzelt in den 70’ern und frühen 80’ern. Das Resultat war mein erstes Soloalbum „Colours“, das ich 1998 herausbrachte.

Stephan: In deinen Stücken klingt eine gehörige Portion Vangelis durch. Ist der große Grieche ein Vorbild für dich?

Frank: Ich respektiere ihn sehr und tatsächlich hat er einen großen Einfluss auf meine Musik, aber auch eine Reihe anderer Musiker hat meine Musik inspiriert. Ich höre Elektronische Musik schon seit ich noch sehr jung war und ich hab immer die melodische Art der Elektronikmusik bevorzugt. So kam man natürlich damals an Vangelis nicht vorbei. Es gibt eine Reihe Komponisten, die eine hohe Qualität in der elektronischen Musik erreichen. Wenn man mich den neuen Vangelis nennt, dann bin ich natürlich geehrt, auf der anderen Seite irritiert es mich aber auch, weil es sich anhört, als würde man nur kopieren und das ist etwas, das ich nicht tun will.

Menschen neigen dazu alles zu kategorisieren. In die Schublade, in die man mich steckt, gibt es wenige andere Namen als Vangelis und Jean Michel Jarre. Aber aufgrund fehlender Namen vergleicht man mich meist mit Vangelis. Das ist für mich das gleiche, als würde man jede Gitarrenrockband, die nicht mehr als vier Akkorde in einem Song benutzt, mangels anderer Vergleiche mit den Rolling Stones gleichsetzen.

Aber lass uns mal das positive daraus sehen. Leute, die Vangelis lieben, werden meine Musik mögen, weil wir die Liebe für große Melodien und gut klingende Synthesizerarrangements gemeinsam haben. Einige Leute, die ihr Interesse am großen Griechen verloren haben, hören heute meine Musik und dieser Umstand allein ist es Wert, dass ich weiter meine Musik mache und herausbringe.

Stephan: Aus deinen Songs sind Ähnlichkeiten zu den Vangeliswerken „Albedo 0.39“ und auch „Blade Runner“ zu erkennen. Welche Vangelis-Alben gehören zu deinen Favoriten?

Frank : Mein Lieblingsalbum von Vangelis ist „Soil Festivities”. Nach meiner Meinung ist es das schönste Ambientalbum, das jemals aufgenommen wurde. Obwohl er noch mehr großartige Alben herausgebracht hat, habe ich „Soil Festivities“ am meisten gespielt. Ich höre es mir von Zeit zu Zeit wieder an. Das für meinen Geschmack zweitbeste Album von Vangelis ist sein Meisterwerk „China“. Andererseits sind da noch „Albedo 0.39“ und Pink Floyd’s „Dark Side Of The Moon“ zu nennen, das Album, über das ich auf die Existenz des Synthesizers aufmerksam wurde. Ich wusste zwar nicht wie er aussah, aber es klang für mich fantastisch, so dass ich mir einen zulegte. Zu diesem Zeitpunkt war ich 14 Jahre alt.

Stephan: Zum E-Live-Festival hast du im Jahr 2003 eine MaxiCD mit dem Titel „Hi-Tech Hippies“ kostenlos an die Zuschauer verteilt. Hervorzuheben ist bei den beiden Stücken, dass sie - entgegen deinen bisherigen Aufnahmen - Gesang enthalten und recht kommerziell klingen. Welchen Hintergrund hatte diese Veröffentlichung und wie kam es, dass du die CDs kostenlos abgegeben hast?

Frank : Ich habe immer eine ganzes Bündel an Aufnahmen im meinem Studio rumliegen. Von Zeit zu Zeit komponiere ich Musik, die außerhalb meines „persönlichen Stils“ liegt., die es aber Wert ist aufzunehmen. „Hi-Tech Hippies“ war so ein Stück. Normal hätte ich dieses Stück nicht herausgebracht, aber als ich an dem Stück arbeitete, hörten es einige Leute im Studio und waren ziemlich begeistert. Sie fragten mich nach einer Veröffentlichung dieses Stückes. Weil ich mich so über den Auftritt beim E-Live 2002 so begeisternd aufgenommen wurde, entschied ich mich, hieraus eine Maxi CD als „give away“ für alle Besucher des E-Live 2003 zu machen. Ich konnte nicht allen Besuchern einen Drink spendieren, daher zog ich es vor, auf diesem Wege „Danke schön“ zu sagen. Auf diese MaxiCD habe ich außerdem ein Stück mit dem Titel „L’etang“ hinzugefügt. Dieses Stück stammt aus meiner privaten Kollektion von Ambientwerken, die ich im Laufe der Zeit komponiert habe. Es ist sehr fließende Musik mit klassischen Einflüssen. Man könnte es mit den Worten „Claude Debussy trifft Steve Roach“ umschreiben.

Stephan: Im Cover der „Hi-Tech Hippies“ steht, dass die Stücke auf einem zukünftigen Album erscheinen werden. Nun sind sie aber auf „Closer“ nicht mit drauf. Wird es irgendwann mal ein Album mit diesen Stücken geben oder können sich all diejenigen, die die CD erhascht haben über ein Unikat freuen.

Frank : Ich hatte das Gefühl, dass das Stück nicht auf das Album „Closer“ passen würde. Es wird auch nicht auf einem zukünftigen Album erscheinen und die MaxiCD wird auch nicht wieder nachgepresst. Ja, es ist ein einzigartiges Release, ein Unikat.

Stephan: Auf deinem aktuellen Album „Closer“ hast du eine Version des Deep Forrest-Klassikers „Sweet Lullaby“. Davor hast du keine Coverversionen auf deinen Alben. Wie kam es zu dem Song?

Frank: Ich wollte nie Coverversionen machen weil ich glaube, dass man meist nicht das Gefühl, das ein Künstler in das Original gelegt hat, verbessern kann. Von Zeit zu Zeit höre ich schon mal einen Titel, den ich gerne covern würde. Aber der Grund dafür, dass ich es nicht mache ist, dass man die magische Energie eines Originals niemals in einer Coverversion einfangen kann. Daher ist es das beste, die Finger davon zu lassen! Wie auch immer, mit „Sweet Lullaby“ hatte ich das Gefühl, die Hauptmelodie in ein typisches „Van Bogaert“-Arrangement ohne Energie- und Qualitätsverlust umarrangieren zu können. Die Melodie war lange in meinem Kopf. Seit ich sie zum ersten Mal gehört hatte arbeitete ich nicht daran, weil ich überzeugt war, dass es Deep Forest’s Originalkomposition sei. Erst als ich entdeckte, das es sich dabei um eine traditionelle Melodie von den Solomon Inseln handelt und das Jan Garbarek auch schon seine Version dieses Stückes gemacht hat, bekam ich Interesse an einer eigenen Version. Die Melodielinie, die von Deep Forest gesampelt wurde stammt von einem Song der in den Siebziegern von der Unesco aufgenommen wurde. Gesungen wurde er damals von einer weiblichen Sängerin von den Solomon Inseln. Die Sängerin nannte das Stück damals „Rorogwela“ und daher gab ich meiner Version dieser wunderbaren Melodie den gleichen Titel. Ich bin der Meinung, dass es eine der wunderbarsten Melodien ist, die jemals im Bereich der Weltmusik komponiert wurden!

Stephan: Du hast beim E-Live im Jahr 2002 ein tolles Konzert gegeben. Man spürte förmlich deine Energie und Spielfreude. Was bedeuten dir Liveauftritte?

Frank: Ich glaube es war wichtig, das Konzert auf dem E-Live zu geben. Eine Reihe von Leuten haben mich nach einem Konzert gefragt und gleichzeitig hatte ich mein Album „Human“ veröffentlicht, das so eine gewisse Promotion bekam. Weißt du, ich hab eine Menge Zeit in mein professionelles Aufnahmestudio gesteckt, daher arbeite ich so lange an meiner Musik, bis sie soundtechnisch perfekt ist. Aber bei Livekonzerten gibt es so viel, was schief gehen kann und daher trete ich nicht so gern live auf, außer es ist sehr gut vorbereitet. Auf der anderen Seite ist es sehr aufregend live zu spielen. Ich liebe die Spannung die sich Minuten vor dem Betreten der Bühne einstellt. Und wenn du dann die Bühne betrittst, verwandelt sich die Spannung in eine aufgeladene Energie, bei der du dir wünschst, ins Publikum katapultiert zu werden. Ich liebe das einfach und es war nicht erst nach dem E-Live, das ich bemerkte, das zu viel Zeit seither vergangen war, seit ich in seit den 80’ern die Bühne verlassen hab.

Stephan: Wird man dich mal wieder live erleben können? Wie sehen deine nächsten musikalischen Pläne aus?

Frank: Ich habe mir gerade Gedanken zu einem Livekonzert gemacht, auch weil in Kürze ein Best Of-Album mit dem Titel „One Out Of Five“ erscheinen wird. Dies Album ist vor allem für Leute gemacht, die meine Musik bisher noch nicht kennen, daher wird es keine neue Musik von mir enthalten. Alle meine Alben vermitteln ein geringfügig abweichendes Gefühl. „One Out Of Five“ wird die besten Tracks meiner bisherigen fünf Veröffentlichungen beinhalten. Mein Label Groove Unlimited und ich sind der Auffassung, das wir mit einem Best Of-Album ein breiteres Publikum erreichen können, das auch außerhalb der „Elektronikmusik-Szene“ zu finden ist. Eine witzige Idee von uns war es, das wir Leute eingeladen haben, uns per Email Vorschläge für die Zusammenstellung der CD zu machen. Alle die uns dabei geholfen haben werden namentlich in den Credits auf der CD genannt. Im Moment arbeite ich auch gerade an einem neuen Album, das voraussichtlich Ende 2006 herauskommen wird. Daher glaube ich, ob nun im Zuge der „One Out Of Five“ oder meines kommenden sechsten Albums, ein weiteres Livekonzert wird es in 2006 wahrscheinlich geben.

Stephan: Du hast auch ein eigenes Studio. Produzierst du auch andere Musiker? Wenn ja, welche Art von Musik produzierst du da, beschränkt sich das auf die Elektronikmusik oder geht das auch in andere Richtungen?

Frank : Ja, ich produziere eine Menge an Musik anderer Künstler. Es ist wahrscheinlich überraschend aber außer meinen Alben produziere ich keine elektronische Musik. Seit einigen Jahren habe ich mich darauf spezialisiert Rockbands zu produzieren (und von Zeit zu Zeit auch mal eine Jazzband). Die Musikrichtung, die ich wirklich am meisten mag ist definitiv der Progrock. Du weist, ich wuchs mit Bands wie Yes, Pink Floyd, Genesis auf … daher bin ich sehr froh zu sehen, dass diese Progszene derzeit ihre zweite Geburtstunde feiert. Ich mag Bands wie Porcupine Tree, Ozric Tentacles, Kino, Spock’s Beard, The Flower Kings … und ich könnte noch weitere Namen von Progbands der jungen Generation nennen. Dieses Jahr produziere ich Alben der beiden führenden belgischen Progbands Ghirribizi und Mind Games. Wenn ich an dieser Art von Musik arbeite, dann fühle ich mich wie „ein Fisch im Wasser“. Es gibt zwischen der Elektronikmusik und dem Progressivrock genügend Querverbindungen, so dass es leicht ist, Ideen aus den einzelnen Bereichen zu übernehmen. Ich bin sehr froh, das diese Szene eine große Zukunft zu haben scheint, auch wenn sie sich als Underground-Szene darstellt und nicht mehr die Beachtung erhält, die Progbands in den 70’ern hatten. Aber was soll’s, ich kann wirklich nichts mit dem anfangen, was derzeit im Radio und TV gespielt wird. Wir wollten immer Musik hören, die von realen Musikern gemacht ist, die mit dem Herzen an dem hängen, was sie tun. Gut das wir nun das Internet zur Verfügung haben, da gibt es so viel gute Musik zu entdecken!

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