Vorprogramm
The Ancestry Program
(Ahnenforschung-Programm) oder auch kurz TAP, ein Kürzel das man sich
merken kann und sollte, das mit dem P auch an Progressiv, ELP oder die
in der Heimatnähe lokalisierten RPWL aus Freising erinnert. Ein
kreatives Kollektiv von sehr geachteten, gut vernetzten und erfahrenen
Musikern aus dem südbayrischen Raum. Sie haben es geschafft sich, mit
nur drei Studiowerken, bei der jeweiligen Gesamtlänge würde ich aber
eher von 3-mal zwei Alben sprechen, starke Aufmerksamkeit zu
verschaffen, auch über Europa hinaus. Das liegt an ihrer besonderen
Musik, aber auch an Gestaltung und Konzept, Promo sowie Produktion. Hier
spürt man die Erfahrung, die sie im Musikgeschäft haben sehr deutlich.
Auf einige Aspekte gehe ich später im Text noch ein.
Mir kommen zur Musik von
TAP und deren Präsentation immer wieder Vergleiche zu einer Schar von
anderen bekannten Musikern zu Gesicht und Gehör. Das ist nicht schwer,
denn die inzwischen zum Sextett erweiterte Truppe aus
Multi-Instrumentalisten, wie TAP selbst sagt: „eigentlich spielen alle
Alles“, musizieren mit einer Bandbreite an grenzübergreifenden
Stilarten, dass einem schwindelig wird. Ich möchte wie immer hier keine
Vergleiche ziehen, ich kann aber jedem empfehlen der die großen Werke
des Art- und Prog-Rock liebt, sich die Musik von TAP einmal selbst anzuhören.
Aber Vorsicht, Suchtgefahr!!

Andy Lind und Mani Gruber zur Zeit vom Rock Meets Gospel
Project
The Ancestry Program
wurden 2014 zunächst von Schlagzeuger Andy Lind (Schizofrantik, Freaky
Fuckin’ Weirdoz, LIND) und Gitarrist Mani Gruber (Boysvoice, Skybus,
Othello) als Studio-Projekt gegründet. Dazu gesellten sich kurz danach
Keyboarder Thomas Burlefinger (Poison Ivy, Number Nine, Wally Warning, 7
for 4) und Sänger Ben Knabe (Phantone), allesamt vier namhafte und
vielbeschäftigte Studio- und Session-Musiker. Nun fragen sich natürlich
einige, warum schon nach 10 Jahren Bestehen der Band eine Werkschau.
Ganz einfach, weil der Zeitraum überhaupt keine Rolle spielt, auch
nicht wie viel Musik bisher veröffentlicht wurde. Allein die Qualität
der Kompositionen und die Ausführung sind für mich entscheidend. Dafür
gibt es in der Geschichte der populären Musik in jedem Genre massenhaft
Beispiele, ich kenne Bands, die mit weniger oder gleich vielen Alben
Musikgeschichte geschrieben haben. Darüber hinaus haben alle
Mitglieder, die bisher in diesem Projekt mitgearbeitet haben, sehr viel
Erfahrung und Kompetenz. Beispielsweise Multi-Instrumentalist Andy Lind,
der saß schon als 13-jähriger auf dem Hocker hinter den Trommeln und
betreibt seit 1988 sein Mars Music Studio. Oder Saiten-Artist Mani
Gruber mit seinen fast unüberschaubaren Arbeiten als Musiker und in
seinem ManiAC Studio (ich liebe solche Wortspiele). Aber auch Thomas
Burlefinger, der bereits 1991 bei den harten Rockern Ez Livin' aus
Ingolstadt die Schwarz-Weiß-Tasten gedrückt hat und das FreiBad Studio
erfolgreich betreibt. Also betrachte ich einen Zeitraum der über die 10
Jahre mit TAP hinausgehen. Man könnte hier durchaus von einer
bayrischen „Supergroup“ sprechen, einen Begriff den ich auch nicht
so besonders mag, der aber oft von vielen Berichterstattern benutzt
wird. Von mir diesmal auch, denn er ist hier sicher angemessen.
Die komplexe Musik von
The Ancestry Program war konzeptionell von Beginn an durchaus auch zur
Präsentation vor Publikum gedacht. Das ist seit Jahrhunderten von den
Komponisten so gedacht gewesen, früher noch viel ausgeprägter als
heute. Auch wenn Musik nun in analogen und digitalen Konserven gepackt
werden kann und für den Konsumenten jederzeit verfügbar ist, ein
leibhaftiges Zusammentreffen von Künstlern und Publikum ersetzt das in
keinster Weise. TAP: „Aber am wichtigsten ist der Band ihre Eigenständigkeit,
die Songs werden alle selbst komponiert und man schöpft tief aus dem
kommunen Erfahrungsschatz und verwebt die individuellen Fäden zu einem
bunten Klangteppich, bei dem auch die englischen Texte von einer
tiefergreifenden Lebenserfahrung sprechen. Auf der Bühne bietet die
sympathische Mannschaft ihre doch recht anspruchsvolle Musik
nichtsdestotrotz mit einem Lächeln im Gesicht, Schalk im Nacken und
originellen Kostümen dar.“ Ich hatte das Vergnügen, diese ausgewöhnliche
Truppe schon einmal bei einem Auftritt erleben zu dürfen. Stimmt alles,
dazu später im Text noch einmal ein paar Zeilen mehr.
Der
77-minütige Einstieg
Mit dieser Musik auf dem
großartigen Debüt „Tomorrow“ (2020) legt TAP die Messlatte schon
recht hoch, präsentierte eine kreative Stilmischung aus harten und
sanften progressiven Klängen, abwechslungsreiche, zeitgemäße, sehr
gut komponierte Musik mit Konzept und auch längeren Titeln inklusive.
Vier erfahrene Musiker aus dem Großraum München hatten eine Menge
musikalischer und visueller Ideen, haben sich 2015 zusammengetan um
gemeinsam parallel zu ihren anderen vielfältigen musikalischen Aktivitäten
auch hier im progressiveren Bereich eine ordentliche Duftmarke zu
setzen.

TAP:
Tomorrow (2020)
Das Quartett besteht im
Kern aus den drei Multi-Instrumentalisten Andreas Lind, Mani Gruber und
Thomas Burlefinger sowie Front-Vokallist Ben Knabe. Unterstützt werden
sie bei einigen Passagen von einigen Gästen, am Bass Heiko Jung
(Panzerballett) sowie Martin Kursawe (Gitarre) und beim schönen Titel
„Human Key“ an Blass-Instrumenten Axel Kühn (leider Mitte 2024
verstorben). Nicht unerwähnt bleiben darf Jan Reiser, hier schon beim
Debüt für das spektakuläre Cover sowie Art-Work des 24-seitigen
CD-Mini-Büchlein verantwortlich, später dann auch noch für das
gesamte Design der zwei Alben der folgenden Dilogie. Daran sollten sich
auch andere hochdotierte Künstler im progressiven Bereich mal ein
Beispiel nehmen, die mit zunehmender Bekanntheit immer lieblosere
Produkte auf den Markt bringen. Natürlich gibt es auch da einige
Ausnahmen.
Besonders auf dem
LP-Cover, der auf nur 320 Stück limitierten türkisen
Doppel-Vinyl-Ausgabe kommen die futuristischen Zeichnungen einer
humanoiden Roboter-Dame im Terminator-Outfit und grünen Zweig im Mund
sehr schön zur Geltung. Und passgenau knüpft die wundervolle Musik
dieser prallvollen CD, beziehungsweise Doppel-Vinyl (FreiBad
Schallplatten & Musikverlag), an das Gesamt-Konzept an.
Dass dieses Münchener
Projekt The Ancestry Program mit ihrer enormen Bandbreite natürlich an
verschiedene andere Bands aus Vergangenheit bis heute erinnert, sollte für
Niemanden eine Überraschung sein. Ich erspare mir wie üblich diese
Vergleiche. Aber die moderne progressive Musik von TAP hat trotz Nähe
zu bekannten Melodien und Klangmustern auch immer wieder Überraschungen
parat. Schon nach dem knapp 1-minütigen sphärischem „Silver Intro“
geht es bei „Silver Laughter“ schon ordentlich krachend zur Sache.
Alle Musiker können hier ihre Fähigkeiten virtuos ausspielen und Ben
Knabe verbindet alles mit einer in Ausdruck und Variation starken
Vokalleistung. Bei einigen Titeln, alle mit Spielzeiten zwischen sechs
und elf Minuten, gibt es sogar Passagen mit dosierten, gut platzierten
Growls von Andy Lind, ähnlich wie bekannter weise in einigen
Metal-Genres verwendet.
Gut platziert ist auch
der Einsatz von gleich mehreren Blasinstrumenten durch Gast-Bläser Axel
Kühn; Saxofone, Flöten, Klarinette; im bereits erwähnten „Human
Key“, dass insgesamt etwas düsterer wirkt. Aber diese Klangmuster hätte
TAP jedoch für meinen Geschmack auch noch etwas mehr einsetzen können.
Auch hier gibt es natürlich etliche sehr gute bekannte Beispiele aus
den 70er. Die Münchener orientieren sich aber nicht nur Retro, knüpfen
zwar an die erfolgreichen Zeiten der Vergangenheit (der Ahnen) an, sie
setzen aber vital und modern ihr eigenes frisches Programm. Ich habe
lange gesucht, auch nach vielen Durchläufen sind mir keine
signifikanten Punkte zum Kritisieren aufgefallen. Einige Passagen wären
mittels auffüllen mit dosierten klassischen Streich-Instrumentar noch
perfekter. Das ist aber keine Kritik, sondern nur meine persönliche
Sicht.
Beim nachfolgenden
„Mysticeti Ambassadors: Part 1“ hat man dann tatsächlich auch
diesen Ball gespielt und dazu gewonnen. Aus dem ursprünglichen
Studio-Projekt ist bereits auch eine Live-Band geworden, weitere feste
Bandmitglieder nun Live und im Studio, Gitarrist Wolfgang Zenk
(Stingway, Sieges Even, 7 For 4, LIND) und am Bass Frank Thumbach
(Klima, Rock Antenne Band, RPWL). Ein rundum überzeugendes,
abwechslungsreiches Debüt mit Bandbreite von Art-Rock bis Prog-Metal,
Growls-Allergiker müssen sich wegen ein paar Gröl-Momente keine grauen
Haare wachsen lassen, ein insgesamt ausgesprochen einfallsreiches,
frisch-modernes, gut eingespieltes Album, das nach einem ebenbürtigen
Nachfolger schreit. Das erschien dann zum Jahresende 2021 mit dem ersten
Teil der Dilogie.
Mysticetische
Botschafter…
Bereits im November 2021
erschien dann der erste Teil, wieder in Eigenvertrieb (FreiBad
Schallplatten & Musikverlag), der schon im Titel ein zweites
beziehungsweise drittes Album ankündigte, geplant war aber eine
Dilogie. Auch auf die Gefahr, dass ich mich wiederhole, kann ich es mir
aber inzwischen viel besser erklären warum solche Bands wie The
Ancestry Program, kurz TAP, aus der Bavaria-Hauptstadt immer wieder weit
unter dem Radar vieler Konsumenten und sogar Musik-Facharbeitern laufen.
Schwieriger ist nachzuvollziehen, warum, wenn diese großartigen
Kompositionen denn mal bekannt geworden sind, oft das Material von
englischsprachigen Künstlern dennoch vorgezogen wird.
Schon mit dem Debüt
„Tomorrow“ (2020) spielte das Münchner All-Star
Progressive-Rock-Quartett plus Gäste ein großartiges Album ein. Viele
Kollegen wurden damals schon von der außergewöhnlichen Qualität
angelockt und haben einhellig sehr positiv dazu berichtet. Ich bin bei
einem Sommer-Festival 2022 glücklicherweise in den Genuss gekommen,
eines der letzten CD-Exemplare des zweiten Werkes „Mysticeti
Ambassadors: Part 1“, sogar in Erstauflage und von der kompletten Band
signiert zu bekommen. Das Album wurde inzwischen bei Progressive
Promotion Records neu aufgelegt und laut Thomas Burlefinger sollte dort
auch dann der zweite Teil dieser musikalischen Geschichte, der zu diesem
Zeitpunkt kurz vor der Vollendung stand, veröffentlicht werden.
Ein Konzept über
mehrere Alben ist nicht neu, aber sehr selten und in dieser hochwertigen
Qualität und hier im deutschsprachigen Raum schon sicher beachtens- und
erwähnenswert. Schon die Außen- und Innenseite des 8-seitigen Digipak
von „Mysticeti Ambassadors: Part 1“ mit zwei beeindruckenden
Breitbandbildern, ist ähnlich wie beim Debüt, ein echter Hingucker.
Vorne: Ein Schwarm Roboter-Bartenwale (Mysticeti) schwebend in einem
Medium in einer fernen Zukunft auf Planet Erde oder einem anderen Ort
irgendwo im Universum. Hinten: Eine wüstenähnliche Mars-Landschaft,
Gase in Gelb und Feststoffe in Orangebraun. So könnte beispielsweise
das marine Leben auf einem erdähnlichen Planeten in zwei verschiedenen
Zeitabschnitten ausgesehen haben oder noch aussehen, oder wenn die
Menschheit so weitermacht auch auf unserer heimischen Terra. Hier sind
den Phantasien individuell keine Grenzen gesetzt und das ist von TAP
auch so gewollt. Ebenso ist das 16-seitige Büchlein in diesem
Design-Stil gehalten. Es gibt wenige Alben, bei denen ich so viel über
das Cover erzähle, aber es gibt doch immer wieder mal Ausnahmen.
Beide Alben haben mit
den erstklassigen Frontbildern einen Wiedererkennungseffekt und sind
zwei echte sagenhafte Blickfänger!! Inzwischen ein Sextett aus
erstklassigen Musikern, dazu gekommen Gitarrist Wolfgang Zenk und im
unteren Bereich der Frequenzpyramide Frank Thumbach, spielt hier unter
Mitwirkung einiger Gäste an Gitarren, Cello, Violine, Saxofone, ein
erstklassiges progressives Art-Rock-Album ein. Es steht seinem Vorgänger
in nichts nach. Ganz im Gegenteil, man merkt, dass sich diese Truppe
regelrecht warmgespielt hat, die Musik knüpft nahtlos an den Erstling
und hebt meines Erachtens sogar die Qualität signifikant an. Schon beim
treibenden 17-minütigen „Dark To Overcome“ werden alle Register an
Instrumenten, Stimmen und technischen Tricks gezogen. Ein durchlaufendes
7-teiliges 71-minütiges Klang-Konzept, eine Prog-Hauptspeise direkt mit
ordentlichem Nachschlag, ohne festgesetzte aber ineinanderfließende
Grenzen; melodischer, progressiver und klassischer, teils knallharter
Rock („Carry On: The Lyricist“), jazzige Fusion-Rock-Passagen,
modernes Spiel an allen Instrumenten. Wohldosierte und punktgenau
platzierte sphärische, gespenstische, elektronische Einspieler und ein
immer passender Gesang und Vokalakzente machen die Sache rund. So könnte
einer der Urgestein-Prog-Dinos (Ahne) der kreativen 70er heute klingen.
TAP: „Wir agieren
getreu der Linie, keinerlei Kompromisse in Richtung Kommerzialität
einzugehen.“ Ich erspare mir oft die Vergleiche zu anderen Künstlern,
hier mal eine Ausnahme, ich bleibe aber in der Gegenwart. Konzept,
musikalische Ausrichtung und Qualität über alles erinnert mich stark
an die Werke des Berliner Projekt smalltape von Philipp Nespital, die
Prog-Kammermusik der Österreicher Blank Manuskript aus Salzburg oder
Marek Arnold’s Meisterwerk „Artrock Project“ (MAARP). Man könnte
sogar meinen, MAARP und TAP haben sich mit ihren beiden düsteren
postapokalyptischen Welten abgesprochen. Keine Musik zum Hören
nebenbei, eher komplexere Musik, bei der man den Geschichten folgen
sollte. Mir hat das überzeugende 71-minütige Werk von TAP sehr gut
gefallen, ich freue mich auf „Of Silent Mammalia: Part 2“.

TAP:
Mysticeti Ambassadors: Part I (2021) und Of Silent Mammalia: Part II
(2023)
…von
stummen Säugetieren
TAP: „Die Dilogie ist
vollbracht!“ Beim Mitte Juli 2023 veröffentlichten zweiten Teil „Of
Silent Mammalia: Part 2“ wurde das futuristische Design des ersten
Teils weitergeführt. Die beiden aufgeklappten CD-Cover ergeben ein
Breitbandbild. Ursprünglich schon für den Herbst 2022 geplant, gab es
eine Menge interner Gründe warum es doch noch ein halbes Jahr länger
gedauert hatte. Wenn man beide vorherigen Alben mehrmals gehört hat,
kann man sich einige der musikalischen Gründe denken. TAP wollte die
Qualität von „Of Silent Mammalia: Part 2“ unbedingt halten, wenn möglich
noch steigern, „gut ist manchmal noch nicht gut genug.“ Und es hat
geklappt, es passt nahtlos an den Vorgänger und das in jeder Hinsicht.
Vielleicht war auch der Wechsel von einigen Musikern doch nicht so
einfach zu kompensieren.

Die drei
Multi-Instrumentalisten Andreas Lind, Manni Gruber und Thomas
Burlefinger sowie Front-Vokallist Ben Knabe werden 2021 zum Quintett und
diesmal wird The Ancestry Program mit Bassist Marco Osmajic
(Schizofrantic) und mit dem weiteren Gitarristen Mike Voglmeier wieder
zum Sextett. Kompositorisch wird bei TAP von Anfang an wahrlich
geklotzt, nicht rumgekleckert. Jede Note kommt x-mal auf den Prüfstand,
bevor final aufgenommen und die geballten Tonfolgen dann über
Lautsprecher den geneigten Zuhörer erreichen dürfen.
Düster und wabernd geht
es gleich im Intro „Mysticeti Ambassadors“ richtig los und spätestens
im Mittelteil von „Path Of Inspiration“ ist man zurück in der
Geschichte der futuristischen Bartenwale. Danach gibt es sieben sehr schöne
zwischen 6 und 9-minütige Titel, die in der Qualität keine Wünsche
offenlassen und wie aus einem Guss wirken. Mit dem Outro „Of Silent
Mammalia“ wird das dritte Werk von The Ancestry Program ausgeblendet.
Ein echter Zugewinn sind bei dem dritten Album die Zutaten wie
Saxophone, Violinen, Bläsersätze, Streichquartette. TAP: „Hurra!
Echte Streicher, jetzt auch bei TAP!“ Den Kompositionen tun die zusätzlichen
Klangfarben eines veritablen Gäste-Orchesters aus Bläser und Streicher
sehr gut, es wirkt dadurch noch abwechslungsreicher. Aber die Münchener
Band hat auch noch das Glück mehrere erfahrene Komponisten, Texter und
Instrumentalisten in ihren Reihen zu haben, das sorgt zusammen mit den
vielen Gästen für den bereits angesprochenen Abwechslungsreichtum. Und
so ist es kein Wunder, dass auch „Of Silent Mammalia Part 2“ wieder
ein fantastisches Album geworden ist. Ich kann euch das jedenfalls nur wärmstens
empfehlen. Hier stelle ich nun die einzelnen tragenden menschlichen Säulen
von The Ancestry Program etwas näher vor.
Andy
Lind

Der
Multi-Instrumentalist Andy Lind saß schon als 13-jähriger auf dem
Hocker hinter den Trommeln und betreibt seit 1988 sein Mars Music
Studio. Er ist bei TAP der Schlagzeuger, Perkussionist und Taktgeber. Er
hat unter anderem auf dem letzten Album „Oh My God“ von Freaky
Fuckin Weirdoz mitgespielt, lange die avantgardistischen Art-Prog-Rocker
Schizofrantik unterstützt, auch für Acht. (mit Gil Ofarim), Jacuzzi
(Funk), Tryologue Jazz Trio, The Wall, einem Projekt von und mit
Panzerballett-Gründer und Gitarrist Jan Zehrfeld gearbeitet. Aber
besonders für sein Solo-Projekt LIND war er seit 1996 insgesamt 6-mal
im Studio, zuletzt 2023 für „A 3rd Ear Conversation (The
Justification Of Reality Part II)“. Und dort arbeitete er mit fast
allen zusammen die ich bisher erwähnt habe, inklusive Kalle Wallner
(RPWL), Arno Menses (Subsignal), Marek Arnold (Toxic Smile, Cyril, Seven
Steps To The Green Door +), Marco Glühmann (Sylvan), Jan Zehrfeld
(Panzerballet), Gary Husband (John McLaughlin, Level 42 +), Wolfgang
Zenk (Sieges Even). Andy spielt zusammen mit Mani Gruber auch beim Rock
Meets Gospel Project von Georgio Farina und in der Cover-Band ABBA 99.
Mani
Gruber
Seit nunmehr fast 40
Jahren arbeitet Mani Gruber nun erfolgreich in vielen Bereichen des
Musikgeschäfts. Den Gitarristen Mani Gruber kennt man vor allem von den
Bands BoysVoice, aber auch Skybus und Othello (Die Rockoper). Als geschätzter
Produzent und Tontechniker arbeitete er in seinen früheren drei
Studios, zuletzt Sky Studio in Taufkirchen sowie seit 1998 im ManiAC
Studio München für viele Künstler, Bands, Projekte. Hier seit 2007
zusammen mit den Nachbarn Reamonn-Gitarrist Uwe Bossert (Achtung Music
Studio) und Schlagzeuger Corni Bartels (Weltraumstudios). Tausendsassa
Mani spielt bei der Glam Gang (The Wizard), aber auch zusammen mit Andy
Lind beim ambitionierten Rock Meets Gospel Project von Georgio Farina
und fast drei Jahrzehnte in der Cover-Band ABBA 99 (1998-2024 als Björn).
Dort arbeiten sie mit einer Vielzahl von Musikern aller Stilrichtungen
zusammen und nutzen diese Verbindungen auch für ihre anderen Projekte.
Thomas
Burlefinger
Multi-Instrumentalist
Thomas Burlefinger darf man als Tasten-Urgestein bezeichnen. Er spielte
schon 1991 als Gast bei den harten Rockern Ez Livin' aus Ingolstadt. Er
hat bei zahllosen Bands mitgewirkt: Wally Warning, Stormhammer, Poison
Ivy, Number Nine, 7 for 4, schrieb eine stattliche Zahl an TV-Musiken
(Fall Für Zwei, Faust, Zorc, etc.). Zurzeit spielt und singt er auch
als Rick Davies in der Supertramp-Tribute-Band Century’s Crime. Er
betreibt und arbeitet in München in seinem FreiBad Studio seit 1988.
Ben
Knabe

Ben Knabe hat Gesang
studiert, singt und spielt Gitarre seit 2017 auch bei Phantone (Debüt
Phantone One) und hat trotz seines überschaubaren Alters schon so
mancher Kraut-Rock-Legende sein Organ geliehen. Er lieferte den Gesang
bei Trees Under Water und war Mitglied der Stoner-Band Gods Ground.
Wolfgang
Zenk
Auch der
Meister-Gitarrist Wolfgang Zenk (Stingway, Sieges Even, 7 for 4, LIND)
ist ein Urgestein der harten deutschen Rockmusik und hat seit Geburt
seinen Lebensmittelpunkt im Großraum München. Europatour mit dem New
Yorker Broadway Ensemble Hair und Rocky Horror Show sowie einige weitere
Arbeiten für Zirkus, Shows und TV. Seit 1997 Leitung des renommierten
MGI München (Munich Guitar Institute).
Frank
Thumbach

Den Bassisten und
vielbeschäftigten Musiklehrer Frank Thumbach kennt man von vielen
unterschiedlichen Bands und Projekten: Just Two Plus One (Jazz Trio),
Squibzone (Fusion, Funk), Sdelay (Soul, Pop), Klima (Songwriter, Pop),
Triopuls (New Jazz), Mary Roos & Wolfgang Trepper (Pop), auf Tour
mit Jesse Witney, Chris Cronauer, RPWL, zuletzt war er im Projekt
Klassik Meets Jazz mit Bariton-Sänger Johannes Schendel und in die
Musikshow Made In Germany Live involviert. Leider musste Frank deshalb
aus zeitlichen Gründen TAP 2022 wieder verlassen. Man kann nur hoffen,
dass seine Wege ihn auch noch einmal zu TAP zurückführen.
Mike
Voglmeier und Marco Osmajic

Zwei Neuzugänge für
Studio und Bühne – Der erfahrene Gitarrist Mike Voglmeier und
Musiklehrer spielte alles zwischen Gospel, Punk und Jazz, beispielsweise
bei Lustfinger, Joan Orleans (1993-98), Anderson – Dorn (2007: CD
„Essences“). Auch die Serien Tatort und der Marienhof haben schon
seine Künste als TV-Komponist in Anspruch genommen. Der Bassist Marco
Osmajic ist das jüngste Bandmitglied. Er durfte seine progressiven Fähigkeiten
unter anderem bei The Roxx und Schizofrantic schulen. Beide standen nun
schon mehrfach mit TAP auf der Bühne, auch beim Art-Rock-Festival 2023.
Progressive-Rock-Abend
der Superlative 2023
Seit ich beim Night Of
The Prog 2022 zufällig dem charismatischen Multi-Instrumentalisten
Thomas Burlefinger aus München über den Weg gelaufen bin und er mir
die ersten beiden Werke seiner Band übergeben hat, bin ich mit The
Ancestry Program (Ahnenforschung-Programm), kurz TAP, aus der
Bavaria-Hauptstadt in regelmäßigen Kontakt. Thomas hatte damals ein
Angebot von den Freisingern RPWL, er hätte 2023 in jedem Fall im
Reichenbacher Neuberinhaus gespielt. Aber er hat sich für sein
Herzensprojekt entschieden, steht mit Front-Vokallist Ben Knabe,
Schlagmann Andreas Lind, Tieftöner Marco Osmajic und den beiden
Gitarristen Mani Gruber und Mike Voglmeier auf den ehrwürdigen Brettern
der imposanten Bühne im sächsischen Vogtland.
Die Aufgaben sind intern
bei Konzerten klar verteilt, aber eigentlich spielen laut TAP alle
„des guten Personals“ Alles. TAP: „Es begann in der zweiten Hälfte
der 2010er zuerst als Studio-Projekt, aus dem dann schließlich eine
echte Band wurde, die getreu dem Motto agiert, wenn man schon an Tonträgern
kaum mehr Geld verdient, dann wollen wir jetzt mal, fernab jeglicher
kommerziellen Kompromisse, so richtig die Sau rauslassen.“ Das haben
diese sechs sympathischen Bavarians zur Eröffnung des 3-tägigen 11.
Art-Rock-Festival 2023 punktgenau und blitzsauber hinbekommen. Und das
war gut so, denn der Festival-Einstieg ist für die eröffnende Band wie
auch für das Publikum nicht ganz unwichtig, oft wird hier schon eine
entscheidende Weiche gestellt.
TAP hat mit Debüt
„Tomorrow“ (2020) und dem Nachfolger „Mysticeti Ambassadors: Part
1“ (2021) zwei Kracher-Alben im Gepäck. Hier setzen TAP mit einer außergewöhnlichen
Mischung über die gesamte Spannbreite komplexen progressiven Art-und
Prog-Rock signifikante Duftmarken. Die moderne progressive Musik von The
Ancestry Program hat trotz Nähe zu bekannten Melodien und Klangmustern
auch immer wieder Überraschungen parat. Ich war sehr gespannt, wie die
sechs erfahrenen Musiker dieses durchweg komplexe Material dem
kritischen Publikum präsentieren würden. Und nicht nur mir stand der
Mund nach kurzer Zeit sperrangelweit offen. Man hatte das Gefühl, hier
spielt eine bühnenreife Band das 100ste Konzert, die homogenen Abläufe,
nahtlosen Übergänge, blindes Verständnis der aktiven
Instrumentalisten, kaum zu glauben, dass sie erst ihren zweiten Auftritt
bestritten. Und wie souverän dieses Septett es macht – die zum Teil
langen Kompositionen werden glasklar und sehr druckvoll präsentiert,
Live gespielt gewinnen sie dadurch noch mehr an Intensität. Man merkte
diesen sechs bayrischen Männern die Freude an, für dieses begeisterte
Publikum hier aufspielen zu dürfen.
Auch später im Foyer
strahlen sie in Dauerschleife, lassen sich umarmen, feiern mit den
Besuchern ein Fest, das laut Thomas weit über den Abend hinausgeht. Das
ist der wahre Geist von Musik, der auch mich immer wieder packt,
durchschüttelt und mitnimmt. Ich freute mich zuerst einmal über diesen
großartigen Auftritt und weiterhin schon auf das dritte Album, das
damals gerade kurz vor der Vollendung stand. Das Intro und Outro vom
kommenden „Of Silent Mammalia: Part 2“ (11-2023) haben The Ancestry
Program damals in Reichenbach schon gespielt. Und so etwas trauen sich
nur die Besten der Szene. Wer es nicht glaubt, besucht einen Auftritt
von TAP und staunt mit offenem Mund wie ich damals. Setliste ARF
2023: Mysticeti Ambassadors*** – Another Way To Fly* – More To This*
– Gusty Ghost** – Pun Intended* – Easy For Us* – Tiny Monsters**
– Tangerine Parties* – Zugabe: Of Silent Mammalia*** (* Tomorrow, **
Part 1, *** Part 2).
Das Kollektiv The
Ancestry Program hatte 2023 und 2024 einige Auftritte, arbeitet zurzeit
am nächsten Album. Man kann dieser großartigen Band nur die Daumen drücken
und viele Auftritte wünschen. Wenn auch zu solchen Veranstaltungen
nicht in Stadien geströmt wird, so kann ich von vielen diesjährigen
Club-Auftritten berichten wo solche fantastischen Musiker berechtigt
frenetisch gefeiert wurden.
TAP: „München
verbindet man bisher wohl eher mit Oktoberfest, Schuhplattler und
Bergsport in den nahegelegenen Alpen.“ Hoffentlich ist nun auch die
anspruchsvolle Rockmusik dazu gekommen. Solche erfahrene Musikschaffende
helfen mit, das die Musikkultur nicht komplett unter die Räder kommt
und das nicht nur in München oder Bayern. Deshalb wünsche ich den
grauen Eminenzen aus München weiter viel Schaffenskraft und
Leidenschaft. Denn es gibt nicht so viele Bands dieses Kalibers in
deutschen Landen und von mir aus könnte TAP das nächste Album schon
wieder 2025 veröffentlichen (ist bereits in Arbeit). Bis dahin können
Fans solcher Musik ja bei der weltweit größten digitalen
Video-Plattform den Suchbegriff The Ancestry Program eingeben und sich
die Studio-Videos von „Another Way To Fly“, „Pun Intended“
(2020) sowie die beiden Album-Teaser „Tomorrow“ (2020) und „Of
Silent Mammalia: Part 2“ (2023) anschauen. Oder noch besser, geht zusätzlich
zu einem der 2025 geplanten Konzerte.
Roland
A. Koch
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