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Interview mit Wolfram DER Spyra
im Dezember 2000 und Januar 2001 per Email geführt

 

Stephan: Du veröffentlichst deine CD’s auch unter dem Namen Wolfram DER Spyra. Was bedeutet die Schreibweise DER hierbei?

Wolfram: Bis auf "Little Garden of Sounds" tragen alle meine Solo-CDs den "Projektnamen" SPYRA, also meinen "echten" Nachnamen, der aber theoretisch auch ein Gruppenname sein könnte (haha: Tippe mal SPYRA bei Napster ein, da kommen unter anderem Stücke von SPYRA GYRA - also SPYRO GYRA falsch geschrieben- vor...so kann´s gehen). Für Musikprojekte steht also SPYRA, und für Kunstprojekte DER SPYRA. - Da die CD "Little Garden..." im Zusammenhang mit der gleichnamigen Ausstellung von Klangskulpturen entstanden ist, hat sie als Titel das "DER" mit übernommen.

Stephan: Um was für Klangskulpturen handelt es sich und wer hat sie erstellt?

Wolfram: Die Klanginstallationen sind alle von mir erdacht, das Design zweier Arbeiten ist von Matthias Rexforth.

Stephan: Wie bist du zur elektronischen Musik gekommen?

Wolfram: Bereits das erste Mal, als ich bewusst elektronische Musik gehört habe (das war mit ca. 11 Jahren das Stück "Die Hütte der Baba Yaga" / Bilder einer Ausstellung in der Version von Tomita), dachte ich: 1. Was ist das nur für ein seltsames Instrument, welches in der Lage ist, solch scheinbar außerirdische Klänge zu erzeugen? und 2. Egal, was es ist, solch ein Instrument möchte ich auch spielen!

Damit hat es dann noch gedauert, bis ich 16 war und meinen ersten (gebrauchten) Synthesizer kaufte, den Kawai 100f. In der Zwischenzeit habe ich verschiedene Tongeneratoren gebaut und damit "Hörspiele" gemacht in Kombination mit Umgebungsgeräuschen, allen möglichen mechanischen Instrumenten und verfremdeter Stimme, alles durch Echos und verschiedene Bandgeschwindigkeiten eines Uher Royal Spulentonbandgerätes verfremdet.

Mit dem Kawai 100f und dem kurze Zeit später gekauften String-Synthesizer Korg Delta konnte man schon einiges anfangen, besonders, da man mit dem Uher Tonbandgerät mehrere Spuren (Multiplay) hintereinander aufnehmen konnte. So gründete ich mit einem Freund (Ommi Schmidt) die Gruppe "GUT", mit der wir es durch selbstproduzierte Tapes (Erstlingswerk: "Synthaft GUT") und Schulkonzerte in der Umgebung der hessischen Kleinstadt Schwalmstadt zu einiger Bekanntheit brachten. Der Stil bewegte sich von NDW über Gary Numan - inspirierte Stücke bis zu ruhigen Instrumentalsachen mit improvisierten Melodien. Nebenbei waren Ommi und ich noch Mitglieder der im weitesten Sinne "Art"-Rock- Band CB-Tune, mit der wir nur live auftraten. (bis 1984)

Stephan: Hat es vor deinem Erstlingssilberling "Homelistening Is Killing Clubs" bereits Veröffentlichungen von dir gegeben (z. B. auf Kassette)?

Wolfram: Wie oben bereits erwähnt gab es Tapes (also Cassetten) von GUT, später dann Tapes der Band "Excursions & Visites" (zusammen mit Bernd Friedmann/ heute "Drome", "N.U.F.", "Flanger") und auch 2 Tapes von SPYRA, nämlich "20 Intermezzi" und "Excerpts 1". Außerdem befinden sich 2 Tracks von "Excursions & Visites" auf der CD "Rock around Kassel".

Stephan: Hast du von den alten Aufnahmen auch etwas für deine Veröffentlichungen verwendet? Gibt es noch Exemplare der Kassetten?

Wolfram: Es gibt 2 Stücke auf meinen bisherigen CDs, die auf alte Kompositionen zurückgreifen: 1. Level.voice von "Phonehead" ist ursprünglich von ca. 1987 aus der "Excursions - Zeit und wurde mit einem Digital Delay - loop (lalelilolalelalo), CX5-Computer und Live-Percussion von Bernd Friedmann erstellt. 2. Le parc de la vie von der "little garden..." ist aus der "Gut" - Zeit / ca. 1983 und ist ursprünglich ein kurzer Song mit Text. Beide Stücke wurden für die CDs aber komplett neu arrangiert und aufgenommen.

Von den "Excerpts 1" gibt es noch Kopien, von den anderen Tapes nur einzelne Exemplare. Von "GUT" werde ich vielleicht mal etwas im Internet veröffentlichen...

Stephan: Du hast im Auftrag der Stadt Kassel eine Soundcollage erstellt, in dem du an verschiedenen Stellen der Stadt Geräusche aufgenommen hast. Diese Aufnahmen sind u. a. auch auf der CD "Kassels akustischer Stadtplan" erschienen. Erzähl doch ein wenig über dieses Projekt.

Wolfram: Der "Akustische Stadtplan von Kassel" war, wie (in der Anlage) bereits erwähnt ein Teil des "Little garden of sounds" - Projektes während der documenta X. Auf einem Plan der Stadt befinden sich 20 Taster an bestimmten von mir ausgewählten Orten (z.B. Bergpark Wilhelmshöhe, Bahnhof, Hochschule, Kirchen, Autobahn etc.). Wenn man einen der Taster drückt, werden über 2 angeschlossene schalldichte Kopfhörer die aufgenommenen und collagierten Geräusche des jeweiligen Ortes wiedergegeben. Die Aufnahmen erfolgten in Kunstkopftechnik, so dass für den Hörer / die Hörerin ein weitestgehend räumlicher Eindruck des Original-Aufnahmeortes entsteht. Der Akustische Stadtplan wurde nach Beendigung der Ausstellung von der Stadt Kassel angekauft und hängt seitdem im Rathaus. Außerdem wurde mit Unterstützung der Kasseler Sparkasse eine CD-Auflage der Geräusche (+1 Bonustrack mit Musik) hergestellt und in Kasseler Läden verkauft. Mittlerweile habe ich noch Akustische Stadtpläne von Frankfurt/M, Budapest, Vauxhall (Stadtteil v. London) und Baunatal (bei Kassel) hergestellt.

Stephan: Sind Vertreter der obigen Städte (bezieht sich auf die akustischen Stadtpläne) auf dich zugekommen ebenfalls etwas zu machen, oder ist das in Eigeninitiative entstanden?

Wolfram: Gottseidank wurde ich gefragt...ich bin nämlich, was Eigenwerbung anbetrifft leider zu dezent (daher gibt´s außer den erwähnten Plänen auch noch keine neuen)

Stephan: Sind diese Collagen schon in den Städten installiert?

Wolfram: FFM und Budapest warten darauf, in Budapest gezeigt zu werden, die anderen sind installiert.

Stephan: Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit dem FAX-Label?

Wolfram: Ich schickte ein Fax an Pete, bekam eine Negativantwort; aber irgendwie sind wir dann doch zusammengekommen...

Stephan: Du bist ja auch im Techno/Chillout-Bereich bekannt. Ist das auch auf die Veröffentlichungen beim FAX-Label zurückzuführen?

Wolfram: Gewiss auch, obwohl ich schon vorher durch meine Auftritte im "Aufschwung Ost" / "Stammheim", beim "Waterworld" und auch bei einer "Love Parade" (ich glaube 1995) in der entsprechenden Szene unterwegs war.

Stephan: Wie entstehen deine Stücke? Entwickelst du erste einen Rhythmus auf dem dann die Melodielinien und Akkorde gesetzt werden?

Wolfram: Ca dépend... bei Sequencer - Stücken gibt‘s natürlich zuerst die Sequenz, die dann overdubbed wird. Manchmal ist es aber auch eine Melodie oder gar ein Sound, die/der am Anfang steht. Samples anderer Leute verwende ich so gut wie nie.

Stephan: Nebenbei arbeitest du auch für das Theater. Welche Werke hast du für welche Bühne bereits gemacht?

Wolfram: Neben der Mitarbeit an einer Komödie gab es im "echten" Theater eigentlich nur "Die Blinden von Kilcrobally" am Kasseler Staatstheater. Andere, fühere Sachen waren eher im Kunst / Performancebereich angesiedelt.

 

Stephan: Du lerntest Bob Rutman kennen, der das BOW CHIMES vor gut 30 Jahren entwickelt hat. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?

Wolfram: Wir haben uns 1998 in London kennengelernt, als ich an dem Kunstprojekt "Le Jardin" in den Stockwell Studios mitgearbeitet habe. - Bob hatte zuvor bei dem Glastonbury - Festival gespielt. Im Rahmen der o.g. Ausstellung gab es einige andere Aktivitäten, u.a. Performances im I C A (Institute of contemporary arts), der Beaconsfield Gallery und dem St. Peter´s Heritage Center in Vauxhall, wo ich erstmalig mit Bob (und einigen anderen) zusammenspielte. Mein Instrument dabei war (in Ermangelung von Synthesizern) eine über einen meiner Klangrucksäcke verfremdete und durch einen Bass-Schallwandler über ein Bow chimes verstärkte Gummibandgitarre.

 

Stephan: Der Nachbau des BOW CHIMES (Stahl-Cello) wird von dir auch auf Platte (Virtual Vices II – zusammen mit Pete Namlook) sowie live (z. B. bei der 2. Space Trance Tronics Night) eingesetzt. Was bedeutet für dich der Einsatz solcher eher unkonventioneller Instrumente?

Wolfram: Live im Zusammenhang mit Elektronik ist das Instrument ideal zum Improvisieren; außerdem liebe ich den dadurch entstehenden Klang, es klingt weder eindeutig mechanisch noch elektronisch. Solche Klänge kann man auf keine andere Weise erzeugen...auch die Wechselwirkung zwischen Spielen - Hören - Verfremden ist sehr spannend. Da passieren sehr viele ungeplante Dinge! In Kroatien habe ich das Klangsystem außerdem noch um meine Klangbleche erweitert, die als Lautsprecher bzw. Resonatoren dienten...da der Ausstellungsraum eine recht kahle ehemalige Kapelle war, hatte ich einen fantastischen Sound... ungeeignet für Beats, aber für das, was ich dort entwickelt habe einmalig!

Stephan: Wird man zukünftig mehr davon hören, oder hast du schon wieder neue Ideen?

Wolfram: Die Aufnahmen aus Kroatien gefallen mir sehr gut, vielleicht erscheinen sie irgendwann einmal auf CD. - Auch live werde ich dieses Set noch des öfteren verwenden...und neue Ideen habe ich schneller, als ich sie realisieren kann (Gottseidank und leider...)

Stephan: Du hast dich auch bereits als DJ betätigt. Unter anderem legtest du in einem Club Werke von Klaus Schulze auf. Wie kam es dazu und wie war die Reaktion des Publikums?

Wolfram: Das war damals im Chillout des Stammheim ... ich hatte einige Schulze-Remix-Geschichten extra dafür aufgenommen und live dazu gespielt, ansonsten, das stimmt schon, ausschließlich Original-Werke von Klaus aufgelegt. Die Reaktion der Leute war positiv; diejenigen, die fragten "wasistdas?" waren schon manchmal erstaunt, dass die Tracks z.T. schon 20 Jahre alt waren. Im Stammheim Chillout lief Klaus damals öfters, da ein Bekannter von mir ab und zu vor meinen Live-Sets auflegte und auf mein Anraten hin auch mal Sachen wie z.B. Timewind spielte.

Stephan: Hast du Klaus Schulze schon mal persönlich kennen gelernt?

Wolfram: Ja; einmal habe ich Fotos gemacht für ein Interview, und ein anderes Mal habe ich das Interview gleich selbst gemacht (zum Erscheinen der "Wahnfried: Drums ´n´ balls"). Danach hat er mich zusammen mit seinen Freunden zum Essen und diversen Clubbesuchen (in HH) eingeladen, und schließlich haben wir uns noch die ganze Nacht zusammen mit der Managerin an der Hotelbar sehr interessant unterhalten. Ist ein wirklich toller Typ, der Klaus!

Stephan: Wie sieht es mit einer Zusammenarbeit zwischen dir und Klaus aus?

Wolfram: Ist in Planung, aber noch nicht konkret.

 

Stephan: Könntest du dir vorstellen auch mit anderen Musikern gemeinsam live aufzutreten oder bist du lieber ein Einzelkämpfer auf der Bühne?

Wolfram: Da ich früher auch in Bands gespielt habe, ist das für mich schon denkbar...die Chemie muss halt stimmen.

Stephan: Welche Art von Musik bzw. Interpreten hörst du selbst gern?

Wolfram: Außer Elektronischer Musik höre ich auch gerne Sachen wie Van Der Graaf / Peter Hammill, Soft Machine und Sachen in dieser Art. Meine Lieblings-CD (außer dem neuen Schulze-10er-Set) ist von der Kanadischen Gruppe "Godspeed you black emperor!" deren neueste Produktion "Levez vos skinny fists comme antennas to heaven". Diese Musik ist einfach groß und großartig. - Bei denen würde ich sofort einsteigen als Stahlcello-Spieler!

Die Internetseite von Wolfram (Flash-Seite) findet ihr unter:

www.derspyra.de

 

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