Der 1957 geborene Norbert Krüler veröffentlicht seit 1986 unter dem
Pseudonym SHAMALL Musik. Die ersten Produktionen (zwei MaxiSingles "My Dream"
und "Feeling Like A Stranger") waren noch sehr Discoorientiert. Doch mit der
1989 erschienenen CD "Journey To A Nightmare" ging es dann schon mehr in die
Richtung der elektronischen Musik. Auf seinen bisher sieben Veröffentlichungen (neben den
zwei Maxis) bringt Norbert eine sehr rhythmusbetonte, teils rockige Instrumentalmusik. In
einigen Stücken verwendet Norbert Stimme bzw. Gesang, die sich aber in das Gesamtbild gut
einfügen.

Kürzlich ist seine siebte CD "Influences" erschienen. Dies
und der Besuch auf seiner sehr ansprechenden
Homepage nahm ich zum
Anlass, ein
Interview per E-Mail mit ihm zu führen.
Stephan: Du hast bereits mit 11 Jahren Gitarre
gespielt und die ersten Experimente im Soundbereich gemacht. Wie kamst Du zur Musik?
Norbert: Durch eine leichte körperliche Behinderung
in meiner Kindheit (Epilepsie) war ich oft alleine und verbrachte einen Grossteil der Zeit
mit meiner Gitarre. Die Gitarre sollte mir den fehlenden Freundeskreis ersetzen, was zur
Folge hatte, dass ich stunden- und tagelang nur am Spielen war. Zunächst hatte ich
Stücke von John Mayall ("Room to move"), Jimi Hendrix ("Hey Joe") und
Shocking Blue ("Venus") immer und immer wieder geübt. Später, - mit dem Album
"Ummagumma" von Pink Floyd - war ich inspiriert, eigene Stücke schreiben und
insbesondere den Gitarrensound zu verfremden. (von Synthesizern konnte damals noch nicht
die Rede sein...).
Stephan: Hast Du anfangs auch in einer Schülerband
gespielt?
Norbert:
nein, leider. Siehe oben.
Stephan: Wenn ja, welche Musik habt ihr gemacht? Habt
ihr andere Bands nachgespielt?
Norbert: "Entdeckt" wurde ich durch den
Bruder meines damaligen Gruppenleiters (bei den Pfadfindern) der Konzertveranstalter im
westfälischem Raum war. Als erstes Konzert durfte ich als Vorgruppe von King Ping Meh
auftreten (hat mir damals satte 50,- DM Gage gebracht. Wenn man bedenkt, dass ich damals
mein komplettes Mofageld für eine Gitarre ausgegeben hatte, stand ich danach immer noch
mit 550,- in den Miesen.)
Stephan: Du bist auch in den 70ern auf Festivals
mit so angesagten Bands wie Kraan, Birth Control, Guru Guru und Grobschnitt aufgetreten.
Schildere doch bitte einige Eindrücke, die Dir noch in Erinnerung sind.
Norbert:
Die damaligen Gruppen beherrschten ihre
Instrumente virtuoser, waren wesentlich kreativer und dabei überhaupt nicht arrogant
(aber dafür waren sie alle ganz schön verkifft!). Typen wie Manni Neumeier (Guru Guru)
habe ich später nie wieder getroffen. Das Publikum war viel begeisterungsfähiger und das
trotz bescheidener Mittel (Sound, Licht etc.). Daher wurde die Leistung einzelner Musiker
viel kritischer bewertet (als Beispiel: nie werde ich das Konzert von Eberhard Weber,
Charlie Mariano, Bobo Stenson, Philipp Cathrine und Volker Kriegel in der Uni Mensa in
Münster vergessen - nicht mal flüstern durfte man während des Konzertes. Jede Note
wurde mit den Augen aufgesogen. (Übrigens: Um 70iger Jahre-Feeling nachzuempfinden, muss
man heute auf Jazz-Konzerte gehen.). Hochinteressant waren auch Auftritte mit den Gruppen
Can und Kraftwerk mit welchen "Instrumenten" die Musik gemacht haben: vom
Löffel bis zur Maultrommel war wirklich alles vertreten. Insgesamt war einfach ALLES
innovativer. Die gemeinsamen Konzerte mit Novalis, Kraan, Jane, Birth Control, Guru Guru,
Rufus, und Omega etc. waren durchweg alle warm und positiv. Nur ein einziges Mal ist mir
Arroganz entgegengeschlagen (wieder in der Uni Mensa in Münster mit Eloy).
Stephan: Wie sahen denn die Konzerte damals aus? Bist
Du allein mit einer Akustikgitarre aufgetreten und hast dazu gesungen?
Norbert: Nein, ganz so war es nicht. Mit einem
damaligen Freund, der die ganze Sache rhythmisch mit Bongos begleitet hat, sind wir voll
auf die Richie Havens-Schiene abgefahren ("Freedom" war dann auch immer unsere
Zugabe).
Stephan: Welche Musik hast Du dann gespielt?
Norbert: Eigenkompositionen, die in ihrer Art
vergleichbar mit dem damals sehr berühmten Neil Young waren. Außer Eigenkompositionen
zierte auch bspw. "Heart of Gold" unser Repertoire.
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Stephan: Du
hast Dich dann Mitte der 70er von den Bandauftritten abgewandt und bist Discjockey
geworden. Wie kam es zu dieser radikalen Wandlung?
Norbert:
50 bis 250 DM pro Auftritt - das war nun
absolut nicht der Hammer, im Hinblick darauf, dass man ja nur ein bis zwei Auftritte in
der Woche hatte. Manchmal auch gar keinen. Hinzu kam erschwerend, dass aufgrund meiner
Epilepsie mir verschiedene Arbeitsformen ärztlich untersagt waren. So kam es, dass ein
weiterer alter Schulfreund, der derzeit eine Disco eröffnete und nach kurzer Zeit schon
DJ-Probleme bekam (Unzuverlässigkeit etc.), sich meiner musikalischen Ambitionen
erinnerte und mich danach fragte, ob ich mir vorstellen könne, für ihn zu arbeiten, da
das Unterhalten von Publikum mir nicht fremd sei.
Stephan: Hast Du zu der Zeit noch eigene Stücke
geschrieben oder Dich mehr auf das Auflegen von Platten konzentriert?
Norbert: Um folgenden Absatz zu verstehen, musst Du
wissen, dass ich nie in der "Disco-Ecke" beheimatet war, sondern von der ersten
Minute an als Discjockey im Alternativ-Bereich tätig war (meine ersten Disco-Hits in
unserem Club waren "Ricochet" von Tangerine Dream und "Tubular Bells"
von Mike Oldfield). Da das ein völlig neues Metier für mich war, hatte ich im wahrsten
Sinne des Wortes erst einmal einen Haufen Schularbeiten zu machen, denn - wie Du weißt -
waren insbesondere die 70er von den blumigsten Musikrichtungen durchzogen. Da die zweite
Hälfte der 70er schwer jazz- und jazzrockdurchwachsen war, und dieses Genre nicht gerade
als Easy Listening betrachtet werden kann, musste ich meine persönlichen musikalischen
Ambitionen erst einmal auf Eis legen, denn sich mit Gruppen wie Herbie Hancock, Weather
Report, Soft Machine, Embryo, Munju etc. auseinanderzusetzen, das war schon harter Tobak.
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Stephan:
Wie kam der Wunsch auf, wieder eigene Musik zu machen? War es damals schon geplant
Instrumentalmusik zu machen?
Norbert: Der Club, in dem ich gearbeitet habe, war
immer sehr innovativ in Sachen Licht. Damit Du eine Vorstellung davon bekommst, wie das
damals in unserem Club in den frühen 80ern ausgesehen haben könnte, musst Du Dich
einfach an ein Pink-Floyd oder Genesis-Konzert erinnern. Jetzt war es ja nun leider in den
80ern nicht mehr so, dass innovative Gruppen den Markt beherrschten, (mal abgesehen von
Pink Floyd und Genesis), sondern Radio-Rocker wie Bon Jovi die Bühne betraten. Da hätte
es auch eine einfachere Lightshow getan. In Anbetracht der Tatsache, dass nun nicht jeden
Tag 'ne neue Pink Floyd herauskommt und es auch nicht so sehr viele andere Gruppen in
diesem Bereich gibt, die innovativ, aber trotzdem publikumsorientiert arbeiten, lag die
Idee nahe, so genannte esoterische Klänge mit tanzbarem Rhythmus zu unterlegen. Ohne
kommerziellen Hintergrund schlugen meine Erstlingswerke beim Publikum bombastisch ein und
über einige Umwege bekam ich einen Schallplattenvertrag bei der Ariola. Mit einem Titel
landete ich sogar in den europäischen Dance-Charts .... und den Rest weißt Du ja aus der
History. Abschließend möchte ich zu meiner Musik sagen, dass ich bemüht bin, nur dann
meine Stimme zu benutzen, wenn auch eine ideelle Message darin liegt und nicht einfach ein
Playback mit sinnlosem Gelaber zu füllen.
Stephan: Auf den CDs findet sich immer eine
Angabe zu "Aladin Music Cycle Center". Handelt es sich hierbei um die Discothek,
in der Du gearbeitet hast?
Norbert: Ja.
Stephan: Bist dort heute auch noch tätig?
Norbert: Nein. (20 Jahre haben
gereicht, und bevor ich bei "Boehse Onkelz" taub werde.....)
Stephan: Die erste Veröffentlichung "My
Dream" klingt ein wenig nach Bands wie Alphaville, die damals modern waren. Hat Dich
und Deine Mitmusiker die Musik damals inspiriert?
Norbert:
Überhaupt nicht, aber es entsprach meinem
damaligen musikalischen Intellekt. Und außerdem waren es die Achtziger, da hat Musik so
geklungen. Viele Bands klangen ähnlich, weil auch das elektronische Equipment noch nicht
so ausgereift war.
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Stephan:
Welchen Einfluss haben die Pioniere der "elektronischen Musik" Kraftwerk,
Tangerine Dream, Klaus Schulze oder auch Jean Michel Jarre auf Deine Musik gehabt?
Norbert: Während andere Bands
mehr auf Melodien aufgebaut haben und oftmals dabei vom Sound her auf der Strecke
geblieben sind, war es bei den o.g. Gruppen eher umgekehrt: weniger Melodie, dafür sehr
guter Klang. Ferner war ich natürlich (wie alle) von den akustischen Experimenten
begeistert (Meeresrauschen, Wind, Vogelgezwitscher eingebunden in Musik - das hatte schon
was!) Wie begeistert ich davon bin, hörst Du ja auch in vielen meiner Kompositionen.
Stephan: Nach den etwas discobetonten
Veröffentlichungen kam 1989 der erste komplette CD "Journey To A Nightmare"
heraus. Hier finden sich schon vorwiegend Instrumentalstücke im Stil der eher
"traditionellen EM" vor. Was bewog Euch damals zu diesem Stilwechsel?
Norbert:
Der Hauptgrund war wohl
ich selber. Wir waren zu dritt und ohne mich negativ über meine früheren Mitstreiter
äußern zu wollen: wir haben wohl einfach nicht zusammengepasst. Der eine stand auf
Disco, das Idol des Zweiten hieß Rory Gallagher (nix gegen good old Rory!) und ich wollte
mir einfach alle musikalischen Türen offen halten. Das Hauptinteresse in meiner Musik ist
Innovation. Klar ausgedrückt: in meiner Musik wird alles erlaubt und nichts bevorzugt.
Mein Ehrgeiz ist es, sämtliche Musikrichtungen miteinander zu verschmelzen und da konnten
meine Mitstreiter sich einfach nichts drunter vorstellen. Das Ende erinnerte dann die
"10 kleinen Negerlein".... Den Rest kannst Du Dir denken......
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Stephan:
Auf der 90er CD "Moments Of Illusion" hast Du noch einen Mitmusiker, ab
der 93er "Mirror Of Eternity" veröffentlichst Du allein unter dem Namen
Shamall. War Shamall ursprünglich ein Bandprojekt? Warum machst Du jetzt allein weiter?
Norbert: Aus den oben genannten Gründen. Aber so ganz
alleine bin ich ja nicht. Wie Du auf meinen Alben sehen kannst, tauchen dort immer wieder
"good old friends" auf. Was auch gut so ist, denn zwei, drei oder vier Köpfe
können manchmal doch sehr bereichernd sein!..... Wie gesagt, manchmal.... Was Shamall
sonst angeht, habe ich meine klaren Vorstellungen, die nicht immer mit denen meiner
Freunde übereinstimmen. Dafür nehme ich die Sache wohl zu ernst.
Stephan: Shamall bedeutet übersetzt "heißer
Wüstenwind". Auf einigen Deiner CDs tauchen auch immer wieder Pyramiden auf. Welche
Bedeutung hat für Dich Ägypten und seine Kultur?
Norbert: Eine faszinierende natürlich. Die Pyramiden
von Gizeh sehe ich als Monument der Macht des menschlichen Geistes und seiner
Ausführungskraft. Sie sind mehr als 3000 Jahre alt, und doch sind Architekten der
Gegenwart nicht in der Lage (und das mit all den technischen Möglichkeiten von heute)
ähnlich perfekt durchdachte Gebäude zu schaffen (die dann auch noch 3000 Jahre halten).
Ägypten erinnert mich immer wieder an eine große Aufgabe: Etwas zu schaffen, das nicht
mit mir stirbt, sondern an dem sich vielleicht auch danach noch Menschen erfreuen.
Sicherlich keine 3000 Jahre.....aber ich denke, "DER GEDANKE ZAEHLT" !!!
Stephan: Nachdem die Sendung "Schwingungen"
aus der Radiolandschaft verschwunden ist, hat man nicht mehr viel von Dir in den Medien
gehört, Du hast aber weiterhin Platten produziert. Hat sich die Einstellung der Sendung
auf die Verkaufszahlen Deiner CDs ausgewirkt?
Norbert: Ich wußte bis heute nicht einmal, dass
SHAMALL im Radio gelaufen ist. Aber ! .... Danke für die Info. Dementsprechend kannst du
davon ausgehen, daß sich aus der Richtung eigentlich nichts geändert hat.
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Stephan:
Welche Leute hören Deine Musik? Bekommst Du einiges an Feedback auf Deine
Veröffentlichungen?
Norbert: Ja. Briefe, E-Mails, Gästebucheinträge,
Autogrammstunden, etc. Die meisten SHAMALL-Liebhaber findest Du in unserem Alter und
natürlich bei den Sammlern. Aber auch jüngere Leute, denen Techno zu schnöde oder zu
einseitig ist. Aus meiner Zeit als DJ weiß ich, der typische SHAMALL-FAN kommt eher aus
der Genesis, Pink Floyd, Jeff Wayne Ecke, als aus der New Age Ecke.
Stephan: Nachdem Du ja bereits in den 70ern live
aufgetreten bist (allerdings mit anderer Musik), stellt sich natürlich zwangläufig die
Frage, ob Du als Shamall ebenfalls Liveauftritte absolviert hast.
Norbert: Nein! Allerdings ist das ein Gedanke, der in
letzter Zeit sehr häufig aufgetaucht ist. Da ich mich mit einer Playback-Show allerdings
nicht zufrieden geben möchte, und meine Musik zum Teil sehr komplex aufgebaut ist, fehlt
mir im Moment die technische Umsetzungsidee. Denn wo eine Violine zu hören ist, ... da
sollte man auf der Bühne auch eine sehen. Oder nicht ?! :-)
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Stephan:
Wird man Dich zukünftig live erleben können?
Norbert: Daran wird tüchtig gearbeitet. Aber wie
schon erwähnt: .... Ich denke, dass mein härtester Kritiker Norbert Krüler heißt, ...
und der stellt ganz schön hohe Ansprüche! Aber! ... man wird sehen.
Stephan: Welche Musik hörst Du heute?
Norbert: Oh. Da kann ich Dir leicht drauf antworten.
Mal abgesehen von einigen wenigen wirklich guten neuen Bands (Meine Tipps: Die beiden
letzten Alben einer Band mit dem Namen Anathema. Dann noch Dream Theater, Ayreon, Arena,
Vanden Plaz) höre ich als Kontrast-Programm immer wieder gerne die "guten alten
Schinken" von früher. Einen Klassiker wie "Child in Time" von Deep Purple
zu komponieren .... da hast Du mich kalt beim Träumen erwischt. Sicher erstaunt Dich
jetzt, dass es in meinem Alternativ-Programm von Rock-Gruppen nur so wimmelt. Aber ich
glaube, dass da für mich heute inspirativ mehr zu holen ist, als in der EM-Ecke. Würde
ich privat auch noch EM-Musik hören, wäre es sehr wahrscheinlich, dass ich dann
vielleicht unbewusst viele meiner EM-Kollegen in gewisser Weise imitieren würde. Das
Wichtigste aber für mich ist, das SHAMALL seinen eigenen Stil behält. Außerdem gibt es
nichts Schlimmeres als immer nur das eine zu hören. In einem Satz: Ohne Mike Oldfield
wären Led Zeppelin genauso wenig wie umgekehrt, denn die Klasse einer Musikrichtung wird
erst durch den Kontrast geschaffen. Und wie wichtig es für eine Musikgruppe ist, sich
durch Kontraste zu entwickeln, sieht man an den Beatles im positiven Sinne: vom
Brit-pop-Schlager bis zur hochintellektuellen Jazz-Ballade. Schon Paul McCartney und John
Lennon haben viel Bach und Wes Montgomery gehört. Siehe: "Other side of Abbey
Road" Würde ich den ganzen Tag Yanni, Patrick O´Hearn oder Mark Shreeve hören,
würde ich mich zu sehr einengen. Ich denke, so ähnlich haben die Beatles auch gedacht.
Zum Schluss allerdings muss ich Dir noch meine absolute "favourite Band"
aufdrängeln... das ist natürlich ....................... SHAMALL :-))
Stephan: Woran arbeitest Du zur Zeit?
Norbert:
Ich hoffe, ich enttäusche Dich nicht mit der
Antwort. Aber ... ich arbeite an meiner nächsten CD. Ach ja ... und daran, dass mein Auto
endlich eine Garage bekommt :-) Du siehst: alles ganz normale Dinge.
Stephan: Vielen Dank für die Beantwortung meiner
Fragen.
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