Ich
habe damals in den 70ern Dutzende von Krautrocker Ost und West erlebt.
Angefangen hat es bei vielen in Jugendheimen, geendet bei einigen auf
den größten Bühnen im deutschsprachigen Raum. Was war der Schlüssel
des Erfolgs: na eben der stetige Zusammenhalt und der Spaß, die Freude
gemeinsam Großartiges zu schaffen, verschmelzen mit den Feierbiestern
zu einem vielköpfigen Kollektiv, vor allem bei Konzerten.

Ich
glaube nach dem Kracher-Album „Weltklang“ (2020), dem Live-Album
„Unterwegs I“ (2023) und dem demnächst erscheinenden neuen Album
(zurzeit noch ohne Titel) ist die Zeit nun gekommen und auch passend,
den Fans von gut gemachter deutschsprachiger Rock-Musik die Polis-Jungs
mal etwas näher vorzustellen. Ich plane diese wunderbaren Menschen 2024
in ihrem heimischen Studio in Plauen zu besuchen, dazu werde ich später
dann wie immer detailliert berichten.
„EINS“
Die
Band Polis war im Frühjahr 2010 nach etwas Vorlauf blitzschnell gegründet.
Bass-Mann Andreas Sittig holte Taste Marius Leicht mit an Bord, mit dem
arbeitete er zu jener Zeit an einem Studio-Projekt und sie spielten
zusammen auch in einer Pink Floyd Tribute Band. Goldkehlchen Christian
Roscher wurde bei einem Auftritt seiner damaligen Band High Fidelity
entdeckt und er brachte auch gleich Gitarrist Christoph Kästner in das
sich nun füllende Boot. Jetzt bereits als Vierer ohne Trommler begann
das Quartett Lieder zu komponieren. Bei der Besetzung des Schlagzeugers
war die Suche dagegen nicht so leicht. Jedoch fand sich mit Cornelius
„Corny“ Grünert dann doch ein sehr guter Schlagzeuger, der war dann
während des ersten Jahres des Bestehens festes Mitglied von Polis. Er
spielte parallel auch noch bei der damals ebenso recht unbekannten
Stoner-Band Mother Engine. Das hat sich inzwischen total geändert, denn
beide Bands haben nun auch überregional hohen Bekanntheitsgrad.

Bereits
Anfang September 2010 das erste Konzert, der geschätzte Meister des
Wohlklanges Dirk Meinel sorgte schon damals für stabile Technik und gut
gemischte Klänge. Allerdings verabschiedete sich Corny recht schnell
wieder und Anfang 2011 nahm Sascha Bormann den Platz hinter den Trommeln
ein. Damit war die Besetzung gefunden, die bis heute durchgängig und
stabil zusammen musiziert. Es wurde komponiert und im Tonstudio TAM
Recordings weiter am Material für das Debüt gewerkelt. Auch Corny
hatte zu dieser Zeit noch großen Anteil am Entstehungsprozess von
„EINS“, ohne ihn wäre das Debüt vielleicht niemals in dieser Form
entstanden.

Insbesondere
die Freude an Improvisationen sind prägend, der bleibende Stempel bis
heute und das kann man immer noch am aktuellen Live-Album „Unterwegs
I“ deutlich heraushören. Nach nur unglaublichen sechs Monaten war es
am 26. August 2011 dann endlich soweit, auf der Rampe der Alten Kaffeerösterei
in Plauen wurde die Veröffentlichung des Debüts „EINS“ mit einer
ausufernden Party gefeiert. Dabei wurde auch eine für die Band
unvergessliche Version von „Psychodelia“ gespielt, gleichzeitig mit
Sascha und Corny in zwei Trommelburgen. Bis heute sind die Titel „Sag
Mir“, „Mutter Gaia“, „Eins“, „Schwester Abenddämmerung“
mehr als zeitgemäß und werden gerne dem Publikum Live variantenreich
dargeboten.
„SEIN“
Die
erste echte Polis-Tour nach Hannover und Hamburg fand holperig aber zur
vollen Zufriedenheit bereits im Februar 2012 statt und in den nicht ganz
neun Monaten danach waren schon wieder acht neue Stücke fertig
geschrieben, schrien förmlich nach Aufnahmen im Studio. Und so überraschend
glatt wie es beim Debüt geklappt hatte, so unerwartet schwierig wurde
die Realisierung des zweiten Werks im Saraswati Studio von Raj mitten im
schlesischen Nirgendwo. Der Entstehungsprozess war ein stetiges Auf und
Ab und alle Geschichten dazu würden den Rahmen dieses Berichts
sprengen.

Es
gab in dieser stressigen Zeit aber auch schöne Erlebnisse,
beispielsweise die beiden Besuche in der privaten polnischen Farm The
Apple Republic, wo sie unter Gleichgesinnten feierten, musizierten und
Kontakte knüpften. Am Ende wurde aber das Album doch noch fertig, unter
dubiosen Umständen freigekauft und Ende 2013 endlich wieder in
Eigenregie veröffentlicht. Die glückliche Veröffentlichung wurde mit
einem Konzert im Plauener Malzhaus gefeiert, dabei musizierten Raj mit
Band und die Kollegen von Mother Engine auf Startplatz 1 und 3 auch mit.
Von dem Album „SEIN“ gibt es ebenso Favoriten die bis heute immer
wieder Live erklingen: „Blumenkraft“, „Danke“, „10.000
Jahre“, „Sein II“.

„Weltklang“
Die
vielen Turbulenzen die das normale Leben so in der Regel mit sich
bringen; Trennungen, neue Beziehungen, Umzüge, Geburten, Studiobau und
vieles andere mehr, können auch Musiker ausbremsen und deren Prozesse
stark verlangsamen. Besonders wenn es fünf verschiedene Menschen an
verschiedenen Lebensplätzen sind. Man wollte sich, basierend auf den
Erfahrungen der beiden Vorgänger-Alben, mehr Zeit beim Produzieren
lassen, besonders deshalb, weil auch die Ansprüche an die Qualität der
Kompositionen erfahrungsbedingt enorm gestiegen waren. Aber das es dann
doch über sechs Jahre bis zum bisherigen Meisterstück „Weltklang“
dauern sollte, damit hat das Quintett aus dem Vogtland damals nicht
gerechnet.

Bereits
2016 waren genug Lieder für ein weiteres Album geschrieben, man dachte
sogar wegen der Fülle über ein Doppel-Album nach, 2018 waren viele
davon im nun eigenen Weltklang Studio schon in den Rohversionen
eingespielt. Zwar wurden bei den Auftritten in Clubs und Festivals
bereits viele der neuen Lieder gespielt, aber die Veröffentlichung des
Albums zögerte sich immer weiter hinaus. Aus dem früheren Turbo-Modus
wechselte man unverschuldet und krisenbedingt in eine langsamere
Gangart, die aber diesem dritten Studio-Album mit acht bärenstarken
Liedern sehr gut getan hat. Allein die Reise zum finalen Mixing nach Box
in Wiltshire zu Peter Gabriels Real World Studio, die Rückreise mit
einer Übernachtung im Freien auf einem Bunker in der Normandie und kurz
später noch einem Bühnen-Auftritt beim Burg Herzberg Festival 2019 auf
der beliebten Freak-Stage ist reichlich Stoff für ein langes Kapitel
eines Buches.

Eine
weitere schöne Anekdote: das erstklassig passende Weltklang-Cover-Foto
entstand bereits 2015 beim Erholungsurlaub nach dem Auftritt beim Spirit
Of Woodstock Festival in Italien. Nach dem Auftritt und anstrengender
Anreise ins vorher für alle angemietete Ferienhaus, von der Terrasse
ein freier Blick in eine atemberaubend schöne Berglandschaft mit dem
funkelnden Mittelmeer am Horizont. Am nächsten Morgen gleich nach
Sonnenaufgang wird das komplette Equipment früh auf der Terrasse
aufgebaut und dann spielen die fünf Plauener „Mutter Gaia“ in diese
beeindruckende italienische Welt hinaus! Dabei entsteht dieses Bild. Die
CD erscheint mit diesem preisverdächtigen Cover bei Progressive
Promotion Records, das Vinyl in Eigenregie.

Bis
jetzt stellt „Weltklang“ (2020) bei Auftritten mit „Tropfen“,
„Gedanken“, „Eine Liebe Tausend Leben“, „Sehnsucht“ und
besonders „Mantra“ immer das zentrale Material. Dabei ist das
gemeinsam von allen Fünf zum Beginn quasi Acapella gesungene
„Mantra“ inzwischen ein echter Dauerbrenner, gehört zum festen
Bestandteil von jedem Konzert.
„Unterwegs
I“
Ich
war bei fast allen Festivalauftritten von Polis dabei, leider nicht beim
vorher erwähnten Spirit Of Woodstock Festival in Italien, habe diese
starke Verbundenheit dieses Kollektivs immer wieder gespürt und deren
Weg seit 2017 auf meine eigene Weise begleitet. Dabei habe ich die
Entwicklung des Repertoires miterlebt und war immer wieder begeistert
von den dazu parallel veröffentlichten Videos und deren Aktionen.
Besonders war für mich das Konzert beim 2022er Woodstock Forever eine
Festival-Rakete. Dieser klingende Ort war wie zugeschnitten auf diese
fantastische Band.

Für
mich sind Formationen, die an solchen Stätten spielen, hier sogar früh
zur Eröffnung des Tages und dabei sogar sehr mutig brandneues Material
präsentieren, die Speerspitze an Selbstbewusstsein, Begabung und
Kreativität. Die nächste Generation junger Polis-Stadtbürger waren
auch dabei, hielten auf und vor der Bühne die magischen Momente der Väter
mit in ihren Händen großen digitalen Kameras wie alte Profis fest. Und
nun erscheint „Unterwegs I“ und überrascht mich mit vielen
Band-Favoriten und zwei neuen Stücken. Darauf auch „Sag Mir“ und
„Blumenkraft“, zwei Titel des aufgezeichneten
Jahresabschlusskonzerts vom 30. Dezember 2022, die auch als Videos auf
einer bekannten digitalen Plattform zu sehen sind.

Es
ist ja beim inneren Zirkel schon einiges durchgesickert, die Arbeiten an
den vier Titeln „Der Kreis“, „Die Einsamkeit“, „Das Erste
Leuchtfeuer“ und „Pilger“ sind fast abgeschlossen, an den anderen
Kompositionen wird weiter hart gearbeitet. Ich bin sehr gespannt und
werde natürlich weiter berichten.
|