Werkschau Polis
November 2025

Deutsch, Kraftvoll, Nostalgisch, Innovativ – das alles ist kein Widerspruch

 

Schaut nicht zu sehr in die englischsprachigen Länder, auch hier in unserer deutschsprachigen Heimat, von Graz nach Sylt und darüber hinaus, wird wieder verstärkt anspruchsvolle und ausdrucksstarke Rock-Musik gespielt. Einige von diesen Künstlern stelle ich hier im Zuge der Werkschauen immer wieder mal vor.

Ich habe damals in den 70ern Dutzende von Krautrocker Ost und West erlebt. Angefangen hat es bei vielen in Jugendheimen, geendet bei einigen auf den größten Bühnen im deutschsprachigen Raum. Was war der Schlüssel des Erfolgs: na eben der stetige Zusammenhalt und der Spaß, die Freude gemeinsam Großartiges zu schaffen, verschmelzen mit den Feierbiestern zu einem vielköpfigen Kollektiv, vor allem bei Konzerten.

     

Ich glaube nach dem Kracher-Album „Weltklang“ (2020), dem Live-Album „Unterwegs I“ (2023) und dem demnächst erscheinenden neuen Album (zurzeit noch ohne Titel) ist die Zeit nun gekommen und auch passend, den Fans von gut gemachter deutschsprachiger Rock-Musik die Polis-Jungs mal etwas näher vorzustellen. Ich plane diese wunderbaren Menschen 2024 in ihrem heimischen Studio in Plauen zu besuchen, dazu werde ich später dann wie immer detailliert berichten.

    

 

„EINS“

Die Band Polis war im Frühjahr 2010 nach etwas Vorlauf blitzschnell gegründet. Bass-Mann Andreas Sittig holte Taste Marius Leicht mit an Bord, mit dem arbeitete er zu jener Zeit an einem Studio-Projekt und sie spielten zusammen auch in einer Pink Floyd Tribute Band. Goldkehlchen Christian Roscher wurde bei einem Auftritt seiner damaligen Band High Fidelity entdeckt und er brachte auch gleich Gitarrist Christoph Kästner in das sich nun füllende Boot. Jetzt bereits als Vierer ohne Trommler begann das Quartett Lieder zu komponieren. Bei der Besetzung des Schlagzeugers war die Suche dagegen nicht so leicht. Jedoch fand sich mit Cornelius „Corny“ Grünert dann doch ein sehr guter Schlagzeuger, der war dann während des ersten Jahres des Bestehens festes Mitglied von Polis. Er spielte parallel auch noch bei der damals ebenso recht unbekannten Stoner-Band Mother Engine. Das hat sich inzwischen total geändert, denn beide Bands haben nun auch überregional hohen Bekanntheitsgrad.

Bereits Anfang September 2010 das erste Konzert, der geschätzte Meister des Wohlklanges Dirk Meinel sorgte schon damals für stabile Technik und gut gemischte Klänge. Allerdings verabschiedete sich Corny recht schnell wieder und Anfang 2011 nahm Sascha Bormann den Platz hinter den Trommeln ein. Damit war die Besetzung gefunden, die bis heute durchgängig und stabil zusammen musiziert. Es wurde komponiert und im Tonstudio TAM Recordings weiter am Material für das Debüt gewerkelt. Auch Corny hatte zu dieser Zeit noch großen Anteil am Entstehungsprozess von „EINS“, ohne ihn wäre das Debüt vielleicht niemals in dieser Form entstanden.

Insbesondere die Freude an Improvisationen sind prägend, der bleibende Stempel bis heute und das kann man immer noch am aktuellen Live-Album „Unterwegs I“ deutlich heraushören. Nach nur unglaublichen sechs Monaten war es am 26. August 2011 dann endlich soweit, auf der Rampe der Alten Kaffeerösterei in Plauen wurde die Veröffentlichung des Debüts „EINS“ mit einer ausufernden Party gefeiert. Dabei wurde auch eine für die Band unvergessliche Version von „Psychodelia“ gespielt, gleichzeitig mit Sascha und Corny in zwei Trommelburgen. Bis heute sind die Titel „Sag Mir“, „Mutter Gaia“, „Eins“, „Schwester Abenddämmerung“ mehr als zeitgemäß und werden gerne dem Publikum Live variantenreich dargeboten.

„SEIN“

Die erste echte Polis-Tour nach Hannover und Hamburg fand holperig aber zur vollen Zufriedenheit bereits im Februar 2012 statt und in den nicht ganz neun Monaten danach waren schon wieder acht neue Stücke fertig geschrieben, schrien förmlich nach Aufnahmen im Studio. Und so überraschend glatt wie es beim Debüt geklappt hatte, so unerwartet schwierig wurde die Realisierung des zweiten Werks im Saraswati Studio von Raj mitten im schlesischen Nirgendwo. Der Entstehungsprozess war ein stetiges Auf und Ab und alle Geschichten dazu würden den Rahmen dieses Berichts sprengen.

Es gab in dieser stressigen Zeit aber auch schöne Erlebnisse, beispielsweise die beiden Besuche in der privaten polnischen Farm The Apple Republic, wo sie unter Gleichgesinnten feierten, musizierten und Kontakte knüpften. Am Ende wurde aber das Album doch noch fertig, unter dubiosen Umständen freigekauft und Ende 2013 endlich wieder in Eigenregie veröffentlicht. Die glückliche Veröffentlichung wurde mit einem Konzert im Plauener Malzhaus gefeiert, dabei musizierten Raj mit Band und die Kollegen von Mother Engine auf Startplatz 1 und 3 auch mit. Von dem Album „SEIN“ gibt es ebenso Favoriten die bis heute immer wieder Live erklingen: „Blumenkraft“, „Danke“, „10.000 Jahre“, „Sein II“.

„Weltklang

Die vielen Turbulenzen die das normale Leben so in der Regel mit sich bringen; Trennungen, neue Beziehungen, Umzüge, Geburten, Studiobau und vieles andere mehr, können auch Musiker ausbremsen und deren Prozesse stark verlangsamen. Besonders wenn es fünf verschiedene Menschen an verschiedenen Lebensplätzen sind. Man wollte sich, basierend auf den Erfahrungen der beiden Vorgänger-Alben, mehr Zeit beim Produzieren lassen, besonders deshalb, weil auch die Ansprüche an die Qualität der Kompositionen erfahrungsbedingt enorm gestiegen waren. Aber das es dann doch über sechs Jahre bis zum bisherigen Meisterstück „Weltklang“ dauern sollte, damit hat das Quintett aus dem Vogtland damals nicht gerechnet.

Bereits 2016 waren genug Lieder für ein weiteres Album geschrieben, man dachte sogar wegen der Fülle über ein Doppel-Album nach, 2018 waren viele davon im nun eigenen Weltklang Studio schon in den Rohversionen eingespielt. Zwar wurden bei den Auftritten in Clubs und Festivals bereits viele der neuen Lieder gespielt, aber die Veröffentlichung des Albums zögerte sich immer weiter hinaus. Aus dem früheren Turbo-Modus wechselte man unverschuldet und krisenbedingt in eine langsamere Gangart, die aber diesem dritten Studio-Album mit acht bärenstarken Liedern sehr gut getan hat. Allein die Reise zum finalen Mixing nach Box in Wiltshire zu Peter Gabriels Real World Studio, die Rückreise mit einer Übernachtung im Freien auf einem Bunker in der Normandie und kurz später noch einem Bühnen-Auftritt beim Burg Herzberg Festival 2019 auf der beliebten Freak-Stage ist reichlich Stoff für ein langes Kapitel eines Buches.

Eine weitere schöne Anekdote: das erstklassig passende Weltklang-Cover-Foto entstand bereits 2015 beim Erholungsurlaub nach dem Auftritt beim Spirit Of Woodstock Festival in Italien. Nach dem Auftritt und anstrengender Anreise ins vorher für alle angemietete Ferienhaus, von der Terrasse ein freier Blick in eine atemberaubend schöne Berglandschaft mit dem funkelnden Mittelmeer am Horizont. Am nächsten Morgen gleich nach Sonnenaufgang wird das komplette Equipment früh auf der Terrasse aufgebaut und dann spielen die fünf Plauener „Mutter Gaia“ in diese beeindruckende italienische Welt hinaus! Dabei entsteht dieses Bild. Die CD erscheint mit diesem preisverdächtigen Cover bei Progressive Promotion Records, das Vinyl in Eigenregie.

Bis jetzt stellt „Weltklang“ (2020) bei Auftritten mit „Tropfen“, „Gedanken“, „Eine Liebe Tausend Leben“, „Sehnsucht“ und besonders „Mantra“ immer das zentrale Material. Dabei ist das gemeinsam von allen Fünf zum Beginn quasi Acapella gesungene „Mantra“ inzwischen ein echter Dauerbrenner, gehört zum festen Bestandteil von jedem Konzert.

 

„Unterwegs I

Ich war bei fast allen Festivalauftritten von Polis dabei, leider nicht beim vorher erwähnten Spirit Of Woodstock Festival in Italien, habe diese starke Verbundenheit dieses Kollektivs immer wieder gespürt und deren Weg seit 2017 auf meine eigene Weise begleitet. Dabei habe ich die Entwicklung des Repertoires miterlebt und war immer wieder begeistert von den dazu parallel veröffentlichten Videos und deren Aktionen. Besonders war für mich das Konzert beim 2022er Woodstock Forever eine Festival-Rakete. Dieser klingende Ort war wie zugeschnitten auf diese fantastische Band.

Für mich sind Formationen, die an solchen Stätten spielen, hier sogar früh zur Eröffnung des Tages und dabei sogar sehr mutig brandneues Material präsentieren, die Speerspitze an Selbstbewusstsein, Begabung und Kreativität. Die nächste Generation junger Polis-Stadtbürger waren auch dabei, hielten auf und vor der Bühne die magischen Momente der Väter mit in ihren Händen großen digitalen Kameras wie alte Profis fest. Und nun erscheint „Unterwegs I“ und überrascht mich mit vielen Band-Favoriten und zwei neuen Stücken. Darauf auch „Sag Mir“ und „Blumenkraft“, zwei Titel des aufgezeichneten Jahresabschlusskonzerts vom 30. Dezember 2022, die auch als Videos auf einer bekannten digitalen Plattform zu sehen sind.

Es ist ja beim inneren Zirkel schon einiges durchgesickert, die Arbeiten an den vier Titeln „Der Kreis“, „Die Einsamkeit“, „Das Erste Leuchtfeuer“ und „Pilger“ sind fast abgeschlossen, an den anderen Kompositionen wird weiter hart gearbeitet. Ich bin sehr gespannt und werde natürlich weiter berichten.

Roland A. Koch

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