Stephan: Martin, Du bildest mit Ralf Obel das Duo
NAUTILUS. Wie seid ihr zusammengekommen ?
Martin: Ralf und ich haben uns kennengelernt durch
einen Infoletter, den mir Ralf etwa Anfang 1995 zugeschickt hatte. Er bot damit seine
beiden MC-Produktionen in Kleinauflage an, damals noch unter dem Pseudonym
"Aquarius". Meine Adresse hatte er aus dem Kleinanzeigenteil des
Elektronik-Magazins "Cascades". Um ganz ehrlich zu sein, hab ich den Infoletter
damals nicht weiter beachtet, aber auch nicht weggeworfen. Einige Monate später
blätterte ich in einer älteren Keyboards-Ausgabe und stieß auf die Rezension von
Ralf´s erster MC "Recalls and illusions", die von Albrecht Piltz recht gelobt
wurde. (Piltz hat noch vor einigen Jahren in unregelmäßigen Abständen
Tape-Besprechungen unbekannter Elektroniker gebracht). Daraufhin habe ich den Infoletter
hervorgekramt und seine beiden Tapes bestellt. Ich habe seine Musik sofort als erfrischend
anders empfunden, wenn auch mitunter als etwas gewöhnungsbedürftig. Etwa zur gleichen
Zeit habe ich mir meinen ersten Synthesizer zugelegt und meine ersten musikalischen
Experimente begonnen. Es entstand ein reger Briefkontakt mit Ralf (wir wohnten damals -
wie auch heute - 300 km auseinander), während dessen wir natürlich auch unsere neuesten
musikalischen Ergebnisse austauschten.
Ralf Obel (links) und Martin Ludwig (rechts)
1997 reifte dann bei mir der Entschluß meine Musik unter dem Namen
Nautilus herauszubringen. Zunächst wollte ich das alleine machen, hatte aber auch das
Gefühl, das irgendwas fehlte, eine Art musikalischer Gegenpol. Da Ralf und ich bereits
über eine "Aquarius"-Veröffentlichung durch ein geplantes
"Nautilus"-Label gesprochen hatten, der Name "Aquarius" aber durch den
gleichnamigen Vertrieb schon "besetzt" war, letztenendes aber vor allem, weil
mir seine Musik im Laufe der Zeit immer besser gefiel und mich auch für meine eigene
Musik inspirierte, schlug ich ihm vor gemeinsam unter "Nautilus" Musik zu
machen. Er war sofort dabei - was für mich musikalisch wie menschlich ein echter
Glücksfall war.
Stephan: Habt ihr schon vorher allein oder in einer
Band Musik gemacht ?
Ralf: Ich habe seit 1994 unter dem Namen
"Aquarius" bereits 2 MC´s und 2 CD´s in Kleinstauflage veröffentlicht. Einige
Nautilus-Stücke basieren in überarbeiteter Form auf den damaligen Aquarius-Stücken.
Martin: In einer Band habe ich nie gespielt. In meiner
Kindheit habe ich Gitarre gespielt (mehr schlecht als recht) und damals schon eigene
Stücke geschrieben, so richtig mit Grifftabellen und Texten. "Message of the
earth" (Nautilus-CD "Underground Visions") basiert auf so einem Stück aus
dem Jahre 1976. Der Text dazu ist glücklicherweise verschollen...
Stephan: Gibt es die
"Aquarius"-Veröffentlichungen noch oder sind die mittlerweile vergriffen ?
Ralf: Die sind eigentlich vergriffen. Die DAT-Bänder
habe ich natürlich noch...
Stephan: Nautilus ist ja bekanntlich der Name des
U-Bootes von Kapitän Nemo, welches in den Erzählungen "20.000 Meilen unter den
Meeren" und "Die geheimnisvolle Insel" des französischen
Science-Fiction-Schriftstellers und Visionärs Jules Verne vorkommt. Auch die bisher von
Euch veröffentlichten CD´s sind Erzählungen von Jules Verne gewidmet. Die erste CD
"Rising Balloon" seiner ersten Geschichte "Fünf Wochen im Ballon" und
"Underground Visions" dem Buch "Reise zum Mittelpunkt der Erde". Wart
ihr so fasziniert von den Erzählungen, dass ihr diesen Namen gewählt habt ?
Martin: Nun, das mit Jules Verne ist auf meinen Mist
gewachsen. Jeder hat halt so seine Steckenpferde, man könnte auch "Spleens"
sagen. Ich habe zwei: Jules Verne und Laurel & Hardy. Zu Verne sei gesagt: ich habe
auch andere Autoren aus meiner Jugendzeit "herübergerettet", wie Twain,
Dickens, Conan Doyle oder Poe, warum ich gerade zu Jules Verne eine so große Affinität
entwickelt habe, kann ich gar nicht so genau erklären. Mit Sicherheit nicht, weil er als
"Vater der Science-Fiction" gilt. Ich war nie ein großer Science-Fiction-Fan.
"2001-Odyssee im Weltraum" z.B. habe ich bis heute nicht gesehen.
Verne hat nur ganz selten den Boden der Realität verloren. Bei ihm
gibt es keine Klingonen, fliegende Hunde oder was weiß ich noch alles. Er hat das
bestehende Wissen seiner Zeit mit sehr viel Phantasie aufbereitet. Und hier ist für mich
der erste Bezug zur Nautilus-Musik. Wir haben ja schließlich keine neuartige Musik
erfunden. Heute ist es ja so: man läßt meinetwegen die Snare-Drum weg und hat ne neue
Schublade gefunden (wer kann die ganzen Stilbezeichnungen eigentlich noch
auseinanderhalten ?), im besten Fall eine neue musikalische Strömung, deren Quelle
letztenendes aber, nimmt man die "Elektronische Musik" - und was ist heute in
der sogenannten zeitgenössischen Musik eigentlich nicht mehr elektronisch ? - dann doch
wieder Tangerine Dream oder Kraftwerk sind. Es kann eigentlich nur darum gehen, die
musikalischen Einflüsse, die man im Laufe seiner Entwicklung erlebt, möglichst
phantasievoll weiterzuspinnen. Es ist wie bei einem Kind, daß mit Bauklötzen spielt. Die
Klötzchen sind immer die gleichen, aber es lassen sich die unterschiedlichsten Türme
damit bauen. Wieso also nicht mal einen Elektronik-Samba oder -Boogie, wie wir es schon
gemacht haben. Verne hat in seiner Phantasie die ganze Erde bereist und nicht nur die.
Für mich sind die Nautilus-CD´s "musikalische Reisen" und die möchte ich auch
gar nicht begrenzen.
Was die Titel der CD´s anbetrifft, sollte man diese nicht
überbewerten. Zwar sind die Titelfolgen grob den entsprechenden Romanen nachgezeichnet,
als eine Art "Soundtrack" sind sie aber nun wirklich nicht zu verstehen. Man muß dem Kind halt einen Namen geben.
Und ich für meinen Teil mag es nun mal, wenn eine CD eine Art
"roten Faden" hat und nicht nur eine lose Folge von "electronicals"
darstellt. Musik, Cover und Thema sehe ich gerne als eine Einheit und bei Jules Verne gibt
es faszinierende Themen ohne Ende. Ich weiß, daß dies heutzutage beinahe schon
anachronistisch anmutet, aber ich lade mir immer noch nicht irgendwelche MP3´s runter,
sondern möchte was "in der Hand haben". Das Auge hört schließlich mit....
Wir möchten uns auch nicht dem allgemeinen Trend in der Szene
anschließen, in der immer mehr Leute dazu übergehen, keinerlei Risiko mehr einzugehen
und ihre Musik auf lieblos gestalteten selbstgebrannten Rohlingen zu vertreiben. Aus
finanziellen Gesichtspunkten kann ich das zwar gut verstehen, aber ich frage mich manchmal
schon, welche Bedeutung ihre eigene Musik für diese Leute überhaupt noch hat. Wenn ich
wochen-, monatelang an einem Geschenk bastele, pack ich das doch anschließend auch nicht
in Clopapier ein, oder ?
Stephan: Ist "Rising Balloon" eure erste
Veröffentlichung ?
1. CD "Rising Ballon" (1998)
Ralf & Martin: Ja !
Stephan: "Underground Visions" ist sowohl
musikalisch als auch klanglich eine Steigerung zu "Rising Balloon". Wie sehr ihr
diese Entwicklung ?
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