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Interview mit Thomas Fanger und Michael Kersten
alias Fanger & Kersten / Mind~Flux

im Dezember 2000 per Email geführt

 

Stephan: Wie seid ihr beide zusammengetroffen?

Michael: Wir trafen uns Ende der Siebziger Jahre auf dem Berliner Kurfürstendamm bei dem Open Air-Elektronik-Festival "Klangmeile" in Berlin.

Stephan: Habt ihr vorher schon - jeder für sich - Musik gemacht?

Michael: Sowohl Thomas als auch ich waren Ende der Siebziger Jahre in anderen Elektronikformationen aktiv. Die erste Gruppe, in der wir zusammenspielten bestand aus insgesamt vier Musikern. Später ging aus dieser Formation mit wechselnden Besetzungen und Bandnamen wie "Clavius", "Violet Border" und "Out Left" Mind~Flux hervor.

Stephan: Welche Art von Musik spielten diese Bands?

Thomas: Ende der Siebziger: Improvisierte Live-Elektronik in der Tradition der Berliner Schule mit psychedelischen Farbtupfern. In den Achtzigern wurden die Stücke etwas kompakter und organisierter, z. T. richtig electropoppig. Wir haben auch mit wechselnden Sängern und Sängerinnen zusammengearbeitet. In den Neunzigern haben wir dann den Mind~Flux Stil entwickelt. Ab Mitte der Neunziger habe ich außerdem ziemlich häufig auf diversen Raves und anderen Club-Events als Amorph (mit Jan Siebert) gespielt.

Stephan: Der Name Mind~Flux ist eine Kombination aus zwei Worten. Was bedeuten sie?

Thomas: Einfache Frage, schwere Frage. Einfach gesagt: wörtlich übersetzt in etwa "Gedanken-Fluss", andererseits gefällt mir diese Übersetzung nicht wirklich, denn sie beleuchtet nur eine Schnittmenge der Bedeutung und der entsprechenden Assoziationen des englischen Begriffes. Ich denke, unsere Musik illustriert den Begriff Mind~Flux besser als jede Übersetzung oder Interpretation.

Stephan: Warum firmiert ihr neben Mind~Flux auch noch unter der Bezeichnung Fanger & Kersten?

Thomas: Zum einem weil wir als Mind~Flux exklusiv auf IC/Digit veröffentlichen, Ausnahme war hier die Collector's Edition #1 auf unserem eigenen Label Starflux Music.

Da ich vor einiger Zeit mit Jan Siebert auf Fax Records bereits als Fanger & Siebert veröffentlicht habe, schien es uns nur konsequent zu sein, auch bei Fanger & Kersten eine entsprechende Nomenklatur zu benutzen. Wie Du aber sicher schon bemerkt hast, unterscheiden sich Mind~Flux und Fanger & Kersten auch stilistisch. Es macht aus unserer Sicht keinen Sinn, bei Fanger & Kersten genau den gleichen Stil wie bei Mind~Flux zu fahren, d. h. der andere Projektname bietet für uns auch neue Möglichkeiten der stilistischen Entfaltung.

Stephan: Wie entstehen eure Stücke? Arbeitet jeder für sich etwas aus, was dann zusammen weiterentwickelt wird oder komponiert ihr gemeinsam?

Michael: Sehr unterschiedlich. Ein Teil der Kompositionen wird gemeinsam erarbeitet, bei anderen bereitet einer von uns in seinem Studio etwas vor und wir bringen es dann gemeinsam zum Ende. Wieder andere Tracks entstehen im Studio in einer live-ähnlichen Situation, wo wir improvisieren und später die besten Elemente beibehalten und neu zusammensetzen.

Stephan: Gab es vor der CD "Trancefloor" bereits Veröffentlichungen von euch?

Michael: Ein paar verschollene MC-Releases auf Indepedent Labels.

Stephan: Dann ist anzunehmen, dass es von den alten Tapes keine Exemplare mehr gibt. Ist das richtig?

Thomas: Das ist korrekt. Die Master sind in unserem Tresor verschlossen und werden dann aber vielleicht bei dem ersten 100-CD Set "FANGER & KERSTEN" berücksichtigt.

Stephan: Welche Art Musik war denn das? Ging das schon in die Richtung der heutigen Sachen?

 

Michael: Musikalisch waren diese Veröffentlichungen eher in der Richtung Electro-Pop oder Dark Wave angesiedelt. Die mehr experimentellen, abgedrehten Tracks aus unserer Frühzeit wurden bislang nicht veröffentlicht. Aber vielleicht, siehe oben...

Stephan: Welche Art von Musik wurde als Projekt Fanger & Siebert gemacht? Ist die Musik anders als die, die ihr macht? Sind weitere Kollaborationen mit andern Musikern geplant?

Thomas: Fanger & Siebert ist schon deutlich anders als Mind~Flux, wesentlich psychedelischer und trippiger, manche sagen auch düsterer. Wie immer ist es ziemlich schwierig, die eigene Musik zu beschreiben. Der geneigte Leser dieses Interviews kann sich auf der Starflux Seite (www.starflux.de) gerne ein paar Kritiken dieser Produktion anschauen. In diesem Zusammenhang sind wir auch stets aufs Neue erstaunt, mit welcher Akribie und detaillierten Wortwahl sich viele Kritiker und Fans unseren Produktionen widmen. An dieser Stelle: Vielen Dank dafür, beruhigend, dass es fernab des Mainstreams doch noch so viele engagierte Hörer und auch Journalisten gibt. Was die Kollaborationen anbelangt, gibt's ein paar Überraschungen für 2001. Wie sagt man heute so schön: Bleiben Sie dran!

 

Stephan: Wie ist das Label IC auf euch aufmerksam geworden?

Thomas: Auf die klassische Art und Weise. Wir haben ein Demotape an IC geschickt. Mark Sakautzky und Michael Weisser von IC fanden's toll. Kurze Zeit später war der Deal mit IC perfekt.

Stephan: Für den Wellnessbereich habt ihr die CD "Body-Beat-Box" gemacht. Wie kam es dazu?

Thomas: Das Label, auf dem die Body-Beat-Box erschienen ist, Brainfood Music, ist ein Sublabel von IC. Als uns Michael Weisser fragte, ob wir Lust hätten, diese eher etwas programmatische Produktion zu machen, haben wir spontan zugesagt. Ich habe im übrigen nichts gegen funktionale Musik, Brian Eno hat mit seiner "Music for Airports", der ersten Platte, die in diesem Kontext den Begriff "Ambient" verwendet, und auf seinen späteren Ambient-Werken eindrucksvoll demonstriert, dass Musik, die auch als Hintergrundmusik funktioniert nicht automatisch klischeehaft und unbedeutend sein muss.

Stephan: Die Platte ist ja wie aus einem Guss und fesselt über die gesamte Länge. Wie steht ihr zu der Musik?

Thomas: Das interessante an dieser Platte ist, dass es etliche Fans gibt, die explizit diese Produktion favorisieren, wobei ich persönlich andere CDs von uns als Mind~Flux wie "Konception of Space" oder "Kontinuum" stärker finde. Michael hat da eine etwas andere Meinung. Für mich steht die "Body-Beat-Box" etwas außerhalb der anderen Mind~Flux Releases, da sie aus meiner Sicht doch etwas ungeschliffener und weniger vielschichtig als andere Mind~Flux-Alben ist. Was aber nicht heißt, dass ich die Platte nicht mag.

Michael: Mir gefällt an dieser Produktion, die ja in der Tat in einem viel kürzeren Zeitraum als die anderen Mind~Flux Alben entstanden ist, die schnörkellose und direkte Umsetzung der Beats, Melodien und des Arrangements.

Stephan: Wie kam es zum Remix von "Destination Unknown" auf der MaxiCD "Unknown Destination" und warum wurde der Name des Originaltitels umgedreht?

Thomas: DA-Music, der Vertrieb von IC/Digit, hat u. a. ein Dance-Label namens Triebwerk. Der verantwortliche Labelmanager kannte und mochte meine Clubreleases als Amorph und so kam es dann letztlich zu der Idee, den Titel "Destination Unknown" nochmals clubkompatibel umzusetzen. Da die Remixes auch stilistisch recht stark vom Original abweichen, dachten wir uns: "Da es schließlich auch neue eigenständige Tracks sind, drehen wir einfach auch den Namen um."

Stephan: Thomas, wenn du mit Jan Siebert unter dem Namen Amorph arbeitest, spielt ihr dann eigene Tracks in Clubs oder betätigt ihr euch als DJs?

Thomas: Amorph tritt als Live-Act auf, d. h. wir spielen nur eigene Tracks. Kleine Anekdote am Rande: Bei einem Amorph-Live-Auftritt bemerkte eine Clubbesucherin: "Das sind ja gar keine richtigen DJs, die haben ja keine Plattenspieler!" Tja, wir sind halt "nur" richtige Musiker...

Stephan: Gibt es auf eure Veröffentlichungen auch Resonanz aus der Dance- oder Techno-Szene?

Michael: Unser Schwerpunkt als Mind~Flux ist sicher nicht der Club-Bereich. Wir bekommen aber durchaus auch von etlichen DJs positives Feedback auf die Releases. So finden sich ja auch einige unserer Tracks auf Club-Compilations und DJ-Compilations. Im übrigen wird es 2001 auch erstmalig Fanger & Kersten Vinyl-Veröffentlichungen mit Club-Remixes auf Manikin Records geben.

Stephan: Die CD’s "Kontinuum" (Mind~Flux) und "Interkosmos" (Fanger & Kersten) hören sich beide sehr kompakt an und hätten auch gut als DoppelCD herausgebracht werden können. Die "Interkosmos" ist meines Erachtens für das Projekt Fanger & Kersten rhythmischer als gewohnt. Wie kam es zu dieser Teilung?

 

Thomas: Zwischen den Aufnahmen der beiden Produktionen liegen gut 6-8 Monate. Interkosmos beginnt sicher sehr rhythmisch und knüpft so vielleicht an die Kontinuum an, kommt dann aber doch viel getragener und ausschweifender als Kontinuum daher. Ausserdem finde ich persönlich Doppelalben nicht immer zwingend. Mich macht schon eine einfache CD eines Künstlers glücklich, die durchweg gelungen ist. Wenn man die Spielzeiten der alten LP berücksichtigt, ist ja jede unserer CDs im Prinzip ein Doppelalbum...

Stephan: Das aktuelle Album von Fanger & Kersten (aus 2000) trägt den Titel Splashdown. Durch die Covergestaltung (Meerjungfrau mit einem Alien im Bauch) und die Titel der einzelnen Stücke (beinhalten mit Ausnahme von Autumn Kiss alle das Wort Wasser oder Alien) lassen darauf schließen, dass es sich hierbei um ein Konzeptalbum handelt. Ist das richtig? Was hat es damit auf sich?

Thomas: Es lag irgendwie plötzlich die Assoziation "Wasser" in der Luft. Michael und ich hatten unabhängig voneinander begonnen, Ideen für dieses Album zu entwickeln und - man glaubt es kaum - es ging bei beiden um Wasser. So haben wir daraus den roten Faden bis zum Ende durchgesponnen. SPLASHDOWN bedeutet Wasserung, also die Wasserung eines Raumschiffes. So haben wir dann auch mit dem Grafikstudio zusammen dieses Konzept visuell für die Covergestaltung umgesetzt. Stichwort: Unser Raumschiff (siehe INTERKOSMOS-Cover) ist jetzt auf einem fremden Wasserplaneten gelandet.

 

Stephan: Der Titel Autumn Kiss fällt ein bisschen aus dem Rahmen, da er sehr rhythmisch ist und einen verfremdeten Gesang (er ähnelt der CD Eloquence von Hybrid Machine) sowie einen von Luna B. gesungenen Refrain beinhaltet. Der Titel könnte gut in einem Club gespielt werden. Wie kam es zu diesem Stück, dass auch nicht von Euch, sondern - laut Coverangabe - von Gian Luca komponiert wurde?

Thomas: Es war der letzte Track, den wir aufgenommen haben. Gian Luca ist - könnte man sagen - ein sehr enger Vertrauter der Fanger & Kersten-Familie, und so mussten wir diesen Track, der sicher der "reinen EM-Lehre" widerspricht, einfach aufnehmen. Er ist für mich reinster Space-Pop, macht Spaß und gute Laune. Man muss sich ja nicht immer endlosen kosmischen Klangmustern hingeben.

 

Stephan: Ist die männliche Stimme bei dem Titel komplett computergeneriert oder wurde eine echte Stimme verfremdet?

Michael: Die Stimme ist eine Mischung aus computer-generierter Sprache, Vocoder-Elementen und ein paar zusätzlichen kleinen Gimmicks.

Stephan: Im Booklet zur CD habt Ihr angegeben, dass die Platte durch Euren Titel Plasma Make Up Suite, der sich auf dem Mind~Flux-Album Collector‘s Edition #1 befindet, inspiriert wurde. Wie ist das zu verstehen?

Thomas: Das ist ein persönlicher Hinweis von unserer lieben Grafikdesignerin, die sich gerne durch unsere Musik inspirieren lässt. Findet man z. B. auch auf der Collector's Edition #1.

 

Stephan: Der Einfluss der "Grossen" (Ashra, Kraftwerk, TD) blitzt manchmal in euren Stücken auf. Gibt es musikalische Vorbilder bzw. Vorlieben?

Thomas: Vorbilder hatten wir eher in unserer Anfangszeit in den Siebzigern. Neben den bekannten Vertretern der Berliner und Düsseldorfer Schule haben mich persönlich die Komponisten der sog. Minimal Music wie Terry Riley oder Steve Reich sehr inspiriert. Aktuelle Vorlieben gibt es natürlich viele. Ich muss gestehen, dass ich privat so viel rein elektronische Musik im traditionellen Sinn nicht höre. Einige von mir geschätzte Künstler sind: William Orbit, Nightmares on Wax, Plaid, Moby und von Pete Namlook gibt es auch viele nette Sachen.

Michael: Zu meinen Favoriten zählen u.a. Pink Floyd, Moby, Kruder & Dorfmeister und Madonna.

Stephan: Hattet ihr bereits Kontakt zu Mitgliedern von Tangerine Dream?

Thomas: Ich habe Jerome Froese über den Radioredakteur Olaf Zimmermann kennengelernt und so halten wir ab und zu auch ein nettes Pläuschchen.

Stephan: War das Konzert am 11.11.2000 in Berlin euer erster Liveauftritt?

Thomas: Durchaus nicht, in den Neunzigern haben wir uns aber in der Tat als Mind~Flux live etwas rarer gemacht. Dafür war ich livemäßig in den Neunzigern mit Amorph und Fanger & Siebert ziemlich stark ausgelastet.

Stephan: Wird es weitere Auftritte von euch geben?

Michael: Sicher, es gibt momentan zwar keine aktuellen Daten, aber der interessierte Leser kann sich gerne über www.starflux.de oder www.electromusic.de informieren.

 

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