Vor dem Open Air-Konzert in Arnsberg
hatte ich die Gelegenheit Wolf Maahn einige Fragen zum Konzert und zum
neuen Album zu stellen. Was er geantwortet hat, lest ihr hier:
Stephan:
Auf deiner Homepage ist zu lesen, dass eigentlich eine Konzertpause
angesagt war, du aber doch einige Open Air’s kurzfristig gebucht hast,
darunter auch Arnsberg. Was hat dich bewogen jetzt doch auf die Bühne zu
gehen und vor allem Open Air zu spielen?
Wolf:
Im Sommer sind es vor allem Open Air’s, da spielt man ja eher selten
Clubs. Bewogen hat mich, dass ich die Erfahrung gemacht habe, dass es
immer ganz gut ist, auch wenn man das Gefühl hat, man braucht eine
Pause, dass so ein paar Liveevents zwischendurch dir wieder einen ganz
anderen Blickwinkel zurückgeben, den du sonst verlierst. Ich wusste ja,
ich habe den ganzen Sommer diese Doppelalbum-Session (Anmerkung:
gemeint ist das kommende Album „Direkt ins Blut II“) zu mischen. Vor
drei Tagen dachte ich noch „Oh, jetzt auf eine Bühne“, das konnte ich
mir gar nicht vorstellen. Jetzt, wo ich den Soundcheck mache, fange ich
schon wieder an das zu schmecken. Das motiviert einfach.
Stephan:
Ist es ein Unterschied für dich draußen zu spielen statt in der Halle?
Wolf:
Nein, eigentlich nicht. Einen Unterschied macht es, wenn es dann ganz
groß wird, so die Größenordnung von über 10.000 annimmt, wo man dann den
Kontakt nicht mehr hat und du nicht weißt, wer steht denn da hinten noch
und hören die überhaupt zu. Du siehst einfach nichts mehr. Solch ein
großes Event haben wir zum Beispiel mal bei einer Tour mit Herbert
Grönemeyer gemacht, das war eine Riesenumstellung vom Act, weil kleine
Gesten usw., die setzen sich gar nicht bis hinten durch.

Wolf Maahn mit Markus Wienstoer beim Soundcheck
Stephan:
Bei deinem Auftritt in Arnsberg wird es dann wahrscheinlich viel
intimer.
Wolf:
Ja, ich denke mal, alles so unter 5.000 ist dann schon recht intim.
Stephan:
So viele Leute werden heute wohl nicht kommen. Was macht dir denn mehr
Spaß?
Wolf:
Ich finde die Abwechslung schön. Ich fände es doof nur in kleinen Clubs
zu spielen. Ich hab jetzt auch eine lange Solo-Tour gemacht und da waren
auch Sachen dabei, die ungewöhnlich waren. Kino’s, Schauspielhaus oder
auch ganz kleine Sachen. Ich hab das sehr genossen, aber dann freut man
sich natürlich auch mal wieder auf ein Open Air. Die Weite, die man im
Blick hat, fühlt man auf einmal auch in der Musik. Wenn der Sound dann
auch noch stimmt, denkt man, der Wind trägt das sozusagen in die Herzen.
Stephan:
Was erwartet die Zuschauer heute Abend? Deine neue CD „Direkt ins Blut
II“ wird ja bald erscheinen, wobei es sich wieder um ein unplugged-Album
handelt. Vorhin beim Soundcheck konnte man schon hören, dass das Konzert
nicht so unplugged wird. Wird es da eine Mixtur aus normalem Rockkonzert
und unplugged geben?
Wolf:
Nein, unplugged haben wir das ja mehr aus Spaß genannt. Es war halt der
Versuch minimalistischer an die Songs heran zu gehen, vorwiegend
akustisch. Und schon beim ersten unplugged hat der Gitarrist damals
sofort die E-Gitarre genommen. Und dann haben wir das „un“ eingeklammert
(Anmerkung: die 94’er CD trägt den Zusatz [un]plugged). Das ist
so unser eigenes Format, wenn man es so nennen will, unsere eigene Art
von unplugged. Das heißt eigentlich nur minimalistischer, schon mehr
akustisch, heißt aber auch, dass wir die Stück in einem intimeren Rahmen
neu entdecken. Intim heißt jetzt nicht unbedingt, dass man nicht auch
Open Air spielen kann, das heißt, dass auf der Bühne sitzt man dann oft
auf einem Barhocker, man hat untereinander einen anderen Blickkontakt,
man hat nicht diese Situation, dass man permanent auf der Bühne
herumläuft, sondern man macht mehr miteinander, grinst sich öfter
zwischendurch an. Man geht auch mehr in die Songs rein. Wir suchen dann
auch andere Wege, die Songs zu bringen, nutzen andere Styles und sehen
was die Stücke noch alle hergeben.
Stephan:
Du hast dann die Songs auch anderer arrangiert?
Wolf:
Teilweise völlig anders, ja. Songs werden dann auch mal als Reggae, Ska,
als Rockabilly oder sonst was, was einem gerade so einfällt, gespielt.
Stephan:
Liegt das jetzt auch daran, dass die Band in einer anderen Besetzung
spielt? Macht sich das bemerkbar?
Wolf:
Ja, die Band ist eigentlich auch extra so zusammengestellt. Gerade der
durch den zusätzlichen Mann, den Matthias, der viele akustische Parts
übernimmt, die ich beim Singen gar nicht hinkriege. Er ist ein ganz
toller Musiker, der auch dauernd neue kleine Melodien findet. Man nimmt
erst beim dritten Mal wahr, was der zwischendurch wieder alles gespielt
hat. Man hört wirklich mehr zu, würde ich sagen. Das ist jetzt dadurch
ein bisschen mehr konzertant.

Wolf Maahn beim Soundcheck
Stephan:
Du feierst mit dieser Tour auch dein 25jähriges Bühnen-Jubiläum. Was hat
sich in dieser langen Zeit getan, was hat sich verändert?
Wolf:
Manches hat sich überhaupt nicht verändert. Ich finde dass vieles
durchaus vergleichbar ist, zum Beispiel die Publikumsreaktion, wenn wir
spielen. Was ich feststelle ist, dass Leute, wenn sie so … ich sag mal,
meine Fans sind ja teilweise auch über 30 oder 40 Jahre alt, dass dann
Musik für sie anfängt teilweise unwichtiger zu werden. Früher hat man
Musikzeitschriften gelesen und war immer auf dem Laufenden. Neulich war
ich in Köln (Anmerkung: Wolf Maahns Wohnort) in einem Laden für
Sanitäranlagen und habe etwas gekauft. Da sagt der Mann zu mir: „Ach,
Wolf Maahn, von Ihnen habe ich aber lange nichts mehr gehört.“ Und dann
sag ich „Ja, ich hab doch erst vor zwei Wochen in Köln im Gloria
gespielt.“ „Ach ja, wirklich?“ „Wann waren Sie denn zum letzten Mal in
einem Konzert?“ Da sagt er: „Das war doch erst neulich.“ Da sag ich: „Ja
wann denn?“ Darauf fing er an zu rechnen und es stellte sich heraus,
dass das vor zehn Jahren bei Fury In The Slaughterhouse war (lacht).
Aber das ist halt so. Die Leute haben Familien usw. und das
Musikinteresse ist leider eher bei den Leuten, die jünger sind, was ich
schade finde, weil man will ja auch Entdecker bleiben. Das finde ich
schon wichtig, wenn man in Würde altern will, sollte man trotzdem
neugierig bleiben (lacht).
Stephan:
Was motiviert dich jetzt nach über 25 Jahren Bühnenpräsenz immer noch
Musik zu machen?
Wolf:
Motivieren tun mich in erster Linie die Songs und die Konzerte. Die
Songs sind halt zuerst da und wollen raus. Es macht unheimlich viel Spaß
die zu realisieren. Das ist eine schöne Form der Selbstverwirklichung.
Manchmal habe ich das Gefühl, sie sind wie Geschenke und die muss ich
dann so gut wie möglich umsetzen. Das nächste tolle sind dann die
Konzerte, wo du dann merkst, die Leute haben die Songs gehört und die
gefallen ihnen sogar. Das ist einfach umwerfend. Das ist eigentlich
schon alles, das ist der grundsätzliche Motor. Dann kommen halt noch so
Sachen dazu, die nach Außen die großen Momente waren, wie zum Beispiel
die Rockpalastnacht, was vielen dann einfällt. Das war sicher auch für
mich ein ganz besonderer Tag, aber die Show selber habe ich nicht so
genossen. Erstens war ich tierisch nervös, da wir damals noch nie in
einem so großen Rahmen gespielt haben und wir waren die erste Band in
dieser Rocknacht, unglaublich. Auf der einen Seite war ich nervös, auf
der anderen Seite hatte ich auch vier Tage vorher, was kaum einer weiß,
eine Neuralgie, also eine Nervenentzündung quer über die Brust. Dann
habe ich so ein Mittel bekommen, dass das lindert. Aber was mir keiner
gesagt hat, dass wenn man schwitzt, dass das dann brennt wie Sau.
(lacht) Da kannst du dir vorstellen, dass die ganze Show über mein
Oberkörper gebrannt hat. Ich hab versucht immer ein cooles Gesicht zu
machen und richtige Töne zu singen (lacht).
Stephan:
Du planst einen zweiten Teil deines erfolgreichen 94’er unplugged-Albums
„Direkt ins Blut“. Wie weit ist die Produktion und wann wird sie
erscheinen?
Wolf:
Es erscheint entweder am 14. oder am 21. September 2007. Das wird sich
jetzt im Laufe der kommenden Woche entscheiden. Ich habe noch drei
Stücke zu mischen und davon hängt es ab.
Stephan:
Wird es darüber hinaus auch wieder eine DVD-Version geben?
Wolf:
Ja, die wird es auch geben. Aber die kommt erst etwas später.
Stephan:
Zwischen den beiden Platten liegen jetzt mittlerweile 13 Jahre. In der
Zwischenzeit hast du ja auch einige Studioalben herausgebracht. Werden
hauptsächlich die Stücke, die seit der ersten „Direkt ins Blut“ von dir
veröffentlicht wurden in neuem Gewand auf der CD erscheinen oder gibt es
auch ältere Stücke, die schon auf Teil eins waren, die jetzt anders
arrangiert wurden?
Wolf:
Da gibt es überhaupt keine Vorgaben. Wir haben die Zusammenstellung so
gewählt, wie es gerade kam. Wir haben ja über 40 Songs quer durch alle
Alben ausprobiert. Das, was dann am schnellsten gut funktionierte und
wobei sich alle wohl fühlten, das wurde dann genommen. Wobei wir uns
dann schon beschränken mussten. Wir hätten noch mehr machen können. Es
gab wunderbare Stücke wie „Nach wie vor“ vom Album „Soul Maahn“ und von
„Irgendwo in Deutschland“ hätte es auch noch den ein oder anderen Titel
geben können. Das ging aber nicht, denn mit einem Doppelalbum haben wir
ja auch schon ein umfangreiches Repertoire zusammengestellt. Vielleicht
machen wir dann noch ein drittes Album.
Stephan:
Mit Xavier Naidoo hast du deinen Titel „Ich wart auf dich“ neu
eingespielt. Ich hab gelesen, dass das schon länger geplant war. Von wem
kam die Initiative? Ist er auf dich zugekommen und hat gesagt „Das ist
ein Stück, dass muss ich unbedingt machen“?

Wolf Maahn mit mir - nach dem Interview
Wolf:
Schon im Jahr 2000 hat mich seine Managerin, die ich auch kannte,
angerufen. Sie sagte: „Ich habe gerade mit dem Xavier gesprochen und er
will dich fragen, ob du Lust hast mit ihm „Ich wart auf dich“ zu
machen.“ Ich hatte aber mein Album gerade fertig und auch er hatte sein
Album schon fertig. Außerdem hatte er zu dem Zeitpunkt gerade fünf oder
sechs Duette herausgebracht. Dann haben wir gesagt: „Wir warten jetzt
erst einmal.“ Und dann haben wir das ganze ein bisschen aus den Augen
verloren. Jetzt, im Zuge des unplugged-Albums und der 25jährigen
Jubiläums und auch mit dem nötigen Vorlauf habe ich ihn halt gefragt.
Noch vor der Dierks-Session (Anmerkung: „Direkt ins Blut II“ wurde,
wie schon Teil eins, live im Dierks Studio aufgenommen) bin ich dann
zu ihm nach Mannheim gefahren, denn er konnte an diesem einen Tag nicht.
Ich glaube, er ist auch so der Typ, der lieber im Studio produziert. Er
ist aber bestimmt auch gerne live auf der Bühne. Die Art wie er
produziert ist auch eine ganz besondere, zum Beispiel wie er seine
Stimme aufnimmt. Das geht dann besser im Studio.
Stephan:
Wie wird sich der Song vom Original unterscheiden, außer dass jetzt
Xavier mitsingt?
Wolf:
Xavier singt den Löwenanteil des Songs. Das macht schon einen großen
Unterscheid weil er diesen unverwechselbaren Stil hat. Ansonsten ist das
Arrangement aber auch anders. Es gibt einen anderen Groove und es ist
beispielsweise auch ein schöner Steinway Flügel drauf. Aber natürlich
sind auch der unverwechselbare Gitarrenriff dabei und vieles, was man
kennt.
Stephan:
Ist es richtig, dass der Song auf „Direkt ins Blut II“ als Bonustrack
erscheinen wird? Hast du mal drüber nachgedacht das Stück auch als
Single herauszubringen?
Wolf:
Ja, aber das lassen wir erst einmal. Der Xavier möchte erst mal ein Jahr
Pause machen, weil er hatte - auch durch die Fußball-WM - ein sehr
präsentes Jahr. Er hat mich gebeten, damit erst einmal zu warten. Er hat
auch ins Auge gefasst, den Song auf seinem nächsten Album als Single zu
machen (lacht). Es soll mir egal sein, ich auch noch andere gute
Singles.
Stephan:
Du lässt dir zwischen den Studioalben immer ziemlich viel Zeit. Seit
„Zauberstrassen“ sind jetzt auch schon wieder drei Jahre vergangen. Gibt
es Planungen für das nächste Studioalbum?
Wolf:
Nein. Im Moment bin ich erst einmal froh, wenn ich hiermit fertig bin (Anmerkung:
gemeint ist „Direkt ins Blut II“), weil ich seit Wochen unter Tage
bin. Ich habe noch bis heute Morgen vier Uhr den Xavier Naidoo-Titel
fertig gemischt, denn er fährt nächste Woche weg. Ich habe ihm vom Mix
eine MP3 geschickt. Er hat mich vor einer Stunde angerufen und ist
völlig angetan. Er hat sich 1.000 Mal bedankt. Jetzt bin ich erst einmal
froh, dass er ihm gefällt und dann werde ich wohl Mitte der Woche fertig
sein und brauche dann erst einmal ein paar Tage Urlaub. Dann frag mich
mal in zwei Wochen noch mal (lacht).
Stephan:
Vielen Dank für das Gespräch.
Stephan Schelle, 28.07.2007