Am 02.11.2008 hatte ich Gelegenheit
die Band, mit Ausnahme von Demian Hache, im Probenraum zu besuchen. Die
Jungs waren fleißig für ihren nächsten Gig in Appenweier am Üben. Neben
ihren Instrumenten hatten sie auch erstmals das Lichtpult von Toni im
Probenraum aufgebaut. Auf einem der beiden Bildschirme war eine
Simulation zu sehen, die eine Bühne und die Beleuchtung durch die
Scheinwerfer zeigte. So konnte Toni quasi im Übungsraum während der
Stücke die Lightshow testen.
In einer Pause standen mir die
Bandmitglieder sehr ausführlich Rede und Antwort. Nachfolgend findet ihr
das Gespräch.

Das Lichtmischpult mit Computersimulation
Stephan:
Wenn ihr jetzt nach 13 offiziellen Konzerten sowie dem ersten Fankonzert
auf die letzten 1 ½ Jahre zurückblickt, was hat euch in der Zeit am
meisten beeindruckt?
Milla:
Am meisten beeindruckt hat uns die positive Entwicklung, die das Ganze
genommen hat. Wir haben ja mit einem Fankonzert in Hagen-Hohenlimburg
(Anmerkungen: es waren an zwei aufeinander folgenden Tagen zwei Konzerte
geplant) mit sehr vielen Fragezeichen begonnen. Das war wirklich ein
Test und wir wussten nicht, was daraus werden würde. Nachdem das zweite
Konzert in Hagen-Hohenlimburg ausgefallen ist, haben wir gesagt: „Das
lassen wir nicht auf uns sitzen und jetzt geht es erst richtig los.“ Wir
waren aber immer noch nicht sicher, ob das überhaupt klappen würde. Dass
die Band permanent in der Lage ist sich zu steigern und immer besser
wird, das finde ich schon sehr beeindruckend. Inzwischen sind wir
soweit, dass es richtig Spaß macht, miteinander zu spielen.
Stephan:
Euer Programm besteht mit ein paar Ausnahmen zum Großteil ja aus Stücken
der Ära ab „Illegal“. Wie seid ihr an die Auswahl der Stücke
herangegangen? Was hat den Ausschlag gegeben genau diese auf die Bühne
zu bringen?
Milla:
Wir haben den Großteil des Programms zu einem Zeitpunkt
zusammengestellt, als Willi noch gar nicht dabei war. Angefangen hatten
wir damit ja ohne ihn. Wir haben da natürlich auch speziell Stücke
ausgesucht, die Toni und ich gesungen haben, damit wir ein Programm
zusammenbekamen. Ansonsten haben wir die Stücke gespielt, die uns
unheimlich gut gefallen haben. Wobei ein Auswahlkriterium mit Sicherheit
war, dass wir eher die Stücke spielen wollten, die etwas anspruchsvoller
und komplizierter waren. Es gibt ja auch so eine Phase, in den späten
80’ern, wo wir so ein paar einfachere Stücke herausgebracht hatten, die
haben wir bewusst weggelassen. Wir wollten schon eindeutig einen
Schwerpunkt auf die Stücke im Stil des Progrock legen. Deswegen haben
wir auch Stücke wie „Rockpommel’s Land“ und ähnliche rein genommen. Das
war uns schon sehr wichtig. Dadurch sind so einige bekannte Titel wie
„Wir wollen leben“ zurückgeblieben, da wir die nicht primär spielen
wollten. Das Stück ist aber im Medley drin, da ist es auch richtig toll,
weil es dadurch einen anderen Charakter bekommt.
Stephan:
Eure Livestücke haben sich von Konzert zu Konzert immer
weiterentwickelt. Und wenn man mehrere Shows von euch gesehen hat, merkt
man, dass die Stücke von Mal zu Mal besser werden. Arbeitet ihr im
Probenraum ständig an den Arrangements oder ist das ein natürlicher
Prozess, dass sich die Stücke im Lauf der Zeit noch wandeln?
Willi:
Eine Band muss wachsen, ganz einfach. Es war eine neue Band und die muss
zum wachsen Liveauftritte machen. Mit jedem Auftritt lernt ein Musiker
dazu. Und er lernt auch, dass er auf alle hören muss, um ein
vernünftiges Bandgefühl, um vernünftige Musik rüberzubringen. Und da
sind wir bei. Wir sind in der Besetzung eine ganz neue und frische Band
und haben erst 13 Auftritte gegeben. Es wird immer weitergehen. Bei
jedem Konzert lernen wir etwas und die Band wird immer besser.

Stephan:
Willi, wenn ich mich recht entsinne, hast du in Betzdorf gesagt, dass
ihr als Band erst seit dem Konzert in Bonn zusammengewachsen seid, das
es also genau zu diesem Zeitpunkt einen Kick gegeben hat, wo du gespürt
hast, dass sich was tut.
Willi:
Das würde ich jetzt nicht so sagen. Den Kick hat es bei mir spürbar mit
dem Weihnachtskonzert 2007 in Neuss gegeben. Da hat man deutlich
gemerkt, dass die Band noch sehr von der Publikumsreaktion überwältigt
war. Es war das erste Konzert vor vielen Leuten. Vorher waren es so 300,
600 oder 800 Leute und in Neuss waren 1.700 Leute da. Und damit muss man
als Band auch lernen umzugehen. Es kann passieren, dass die Leute dich
beherrschen, deine Gefühle beherrschen. Das ist total falsch. Du musst
als Band unabhängig davon sein, dich ganz auf deine Musik konzentrieren
können. In Neuss haben wir da sehr viel gelernt, vielleicht war das
Konzert ein bisschen zu früh. Und dann ging es so richtig mit Geseke,
Olsberg, auch mit Bonn und Menden los. Da merkte ich, jetzt ist es eine
Band geworden. Die Erfahrung aus Neuss, die ich vorhin erwähnte, die
gehörte ganz bestimmt mit dazu. Vor vielen Leuten zu spielen, das zu
handeln, sich auf die Musik zu konzentrieren und nicht auf die
schreienden Leute, so toll wie das ist, das muss man trennen. Ich merkte
dann mit den Auftritten im März, jetzt geht es da hin, wo wir eigentlich
hin sollten.
Stephan:
Ich hake dann gleich mal bei euch, Nuki und Manu ein, denn für euch war
es ja sicherlich etwas Ungewöhnliches, vor so vielen Leuten und gerade
so vielen Fans zu spielen, die eine hohe Erwartungshaltung hatten. Da
war dann Hagen-Hohenlimburg sicherlich die erste Generalprobe, aber wie
Willi gerade schon sagte, vor 1.700 Leuten ist das sicherlich was
anderes. Wie war das Gefühl für euch?
Nuki:
Das Gefühl ist überwältigend. Es ist für mich etwas ganz Neues gewesen,
auf die Bühne zu gehen und schon Applaus zu bekommen, bevor man was
gemacht hat. Das kennt man als Covermusiker natürlich gar nicht. Da muss
man sich den Abend und den Applaus sehr stark erspielen. Dementsprechend
finde ich es sogar leichter mit Grobschnitt auf die Bühne zu gehen. Man
kann auf die Bühne gehen und sich auf den eigenen Part konzentrieren.
Man muss jetzt keine wilde Show abliefern, die kommt dann automatisch.
Man kann sich erst einmal auf sein Instrument beschränken und ein
schönes Konzert haben, ohne das man wie wild da lostanzen muss. Das fand
ich sehr gut.
Was den anderen Part angeht, das der
Anspruch der Fans durch das Vorbild Lupo an die Gitarrenarbeit natürlich
riesengroß war, das musste man natürlich verarbeiten. Aber ich glaube,
das haben wir beide (Anmerkung: gemeint ist Manu) ganz gut hingekriegt.
Ich hab da ein gutes Gefühl.
Stephan:
Der Meinung bin ich auch. Und Manu, wie siehst du das?
Manu:
Ja, für mich ist es jetzt auch das erste Mal, dass die Zuschauer für die
Band kommen, für die ich spiele. Bisher trat ich mit meinen Bands immer
bei kleineren Contests auf, bei denen halt mehrere Bands gespielt haben.
Und dort kamen die meisten Fans aber nicht für die Band, in der ich
spielte. Von der Anzahl der Zuschauer bin ich der Meinung, dass es egal
ist, ob es 700 oder 1.500 sind, das macht dann nicht mehr so einen
großen Unterschied. Oft sieht es vorne eh nach vielen Leuten aus, denn
du kannst von der Bühne meist nicht bis hinten hin gucken, weil du
geblendet wirst.
Stephan:
Eure Soli, die werden auch immer besser und sie entwickeln sich auch
immer weiter. Ich hatte zum Beispiel in Betzdorf das Gefühl, dass das
E-Gitarrensolo wieder völlig anders als die Male zuvor klang. Wie geht
ihr an eure Soli heran?

Nuki:
In meinem Part habe ich schon die Möglichkeit zu improvisieren. Mein
freies Solo ist im Grunde das „Solar Music“-Solo, ansonsten sind die
meisten Parts durch die Vorlage von Lupo vorgeschrieben. Aber es gibt
eben die freien Parts, die ich improvisiere. Das hat natürlich sehr viel
mit Gefühl zu tun, mit einem guten Gefühl, das man haben muss. Wenn
ringsherum alles stimmt und man gute Laune hat, dann wird ein Solo
einfach noch mal besser. Ich glaube, wenn ich es Revue passieren lasse,
ist mir das Solo in Betzdorf tatsächlich bis jetzt am besten gelungen.
Ich habe da aber keine Linie, das jedes Mal zu reproduzieren, sondern
gehe da relativ frei dran.
Manu:
Bei mir sollten sich die Soli in dem jetzigen Programm eigentlich immer
relativ ähnlich anhören. Ich habe die schon eher bewusst konstruiert und
spiele sie auch grundsätzlich bis auf ein paar Läufe, die ich etwas
variiere, immer gleich. Wenn man richtig gut drauf ist, dann legt man
vielleicht noch ein bisschen mehr Gefühl rein, als sonst und es klingt
dann auch ein bisschen besser. Im Prinzip sind es aber konstruierte
Melodien.
Stephan:
Rolf, du bist der einzige, der die ganzen Jahre im Profilager geblieben
ist.
Rolf:
Leider (lacht)
Stephan:
Wenn du dir die Entwicklung jetzt anschaust, wie empfindest du sie aus
Profisicht?
Rolf:
Es ist schon genial, was in dem kurzen Zeitraum mit dieser Band und
dieser Konstellation passiert ist. Vorweg muss ich betonen, es ist
einmalig, dass zwei Generationen in dieser Band spielen. Also dass die
jungen zusammen mit der alten Generation das Erbe bzw. die ganzen Sachen
neu verwalten und dem Ganzen einen neuen Geist einhauchen. Das macht die
ganze Sache auch so spannend. Als Profi hab ich natürlich auch den
Einblick in ganz andere Konstellationen, das heißt man hat auch immer
einen Vergleich zu anderen Bands. Man hat mit ganz anderen Leuten zu tun
und man musiziert mit unterschiedlichen Menschen. Trotzdem ist es hier
etwas ganz Besonderes. Wenn man bedenkt, dass wir vor knapp drei Jahren
angefangen haben. Wir haben uns zwei Jahre zurückgezogen und immens viel
geprobt. Das, was in der Kürze der Zeit entstanden ist, der gemeinsame
Geist und das was wir auf die Bühne zaubern, ist ein ganz phänomenales
Dingen. Das ist in Deutschland einmalig. Das zeichnet uns aus. Und es
zeichnet uns auch aus, dass wir mit einer natürlichen, positiven Energie
die ganze Sache über die Bühne bringen und ich glaube, das merkt auch
das Publikum. Wenn man bedenkt, dass es ein Kraftaufwand ist, vier
Stunden auf der Bühne zu musizieren, a) für uns da oben und b) für die
Besucher da unten. Man muss da schon eine Menge Kraft aufbringen, das
durchzustehen und das schaffen wir halt eben. Das ist das Besondere an
der neuen Konstellation Grobschnitt.
Stephan:
Ich komme noch mal auf die Fans zurück, du hast sie gerade schon
angesprochen. Was hat euch das Fantreffen im Oktober dieses Jahres
bedeutet? Ich persönlich hab es als sensationell empfunden, es noch nie
so gut erlebt wie in diesem Jahr. Was hat es für euch für eine
Bedeutung, dass sich seit 10 Jahren Menschen treffen, nur um die Musik
von Grobschnitt zu hören, sich Konzertmitschnitte auf einer Leinwand
anschauen? Und zum Jubiläum habt ihr es dann möglich gemacht,
Grobschnitt live auf die Bühne zu bringen.
Milla:
Uns war es natürlich immens wichtig, weil wir auch genau wissen, was wir
unseren Fans zu verdanken haben. Ich hoffe, dass das auch rüber gekommen
ist. Ohne unsere Fans hätte es wahrscheinlich Grobschnitt 2007/2008 nie
gegeben, darüber sind wir uns natürlich vollkommen im Klaren. Seitdem
wir wieder da sind, ist mit den Fans ein ganz besonderes Zusammensein
entstanden. Ich weiß nicht, woran das liegt. Früher habe ich das so nie
erlebt. Wir haben früher auch nie so oft die gleichen Leute dabei
gehabt, die zu jedem Konzert kamen.
Willi:
Das Verhältnis ist einfach enger als früher. Früher gab es eine große
Distanz zwischen Gruppe und Fans, weil es für uns ein Schutzwall war.
Sonst wäre es schwierig gewesen, professionell zu arbeiten. Es gab so
viele Fans und die gingen uns wirklich manchmal auf den Geist. Heute
gehen wir damit irgendwie anders um. Ich gehe da bewusster mit um und
weiß es zu schätzen. Sag natürlich auch schon mal „Komm hier, jetzt
reicht’s“. Aber es ist ein ganz anderes Gefühl. Ich wär früher nie, zum
Beispiel wie jetzt in Betzdorf, einfach mal unten in den Keller
gegangen, um mal zu gucken, was die da machen. Das hat was mit dem
Bewusstsein zu tun, mit dem Alter, man ist ganz anders drauf und es
kommt einem alles so sensationell, so wahnsinnig vor. Ich sage auch
nicht Fan, ich sage Freunde. Es ist mittlerweile wie ein Freundeskreis.
Fan, das Wort finde ich nicht so gut. Das sind irgendwie Freunde. Es ist
toll und ein richtig gutes Gefühl. Das bringt mir was, das bringt den
Leuten was. Und wenn die Leute sich im Forum unterhalten, bringt es den
Leuten auch unwahrscheinlich viel. Das erfüllt richtig soziale Zwecke.
Das Berührendste in Betzdorf war, vor
dem Konzert nach unten in den Keller zu gehen und die Leute und den
kleinen Buben (Anmerkung: gemeint ist Merlin Bergmann) da am Schlagzeug
zu sehen. Ein weiterer Kollege spielte dazu Keyboards (Anmerkung: der
Keyboarder war Mocki Mockros). Das Zusammensein war einfach klasse. Da
wurde nicht gesoffen, die haben da gestanden und sich unterhalten. Das
war für mich ganz komisch. Ich fand das super. Da konntest du stehen
bleiben und drei Stunden quatschen. Ich musste dann aber irgendwann
aufhören. Ich hörte immer: „Die Stimme, die Stimme, die geht weg.“ Und
dann war es in Betzdorf natürlich das längste Konzert, was wir in der
Konstellation bisher gemacht haben. Das war schon fast ein bisschen
viel. Danach waren erst einmal drei Tage Schongang angesagt. Aber es
waren auch ganz große Augenblicke dabei. Sehr berührende Augenblicke,
ich glaub auch für die Leute, für uns ganz bestimmt. Es war einfach
schön. Es wird so in Erinnerung bleiben. Ich hatte viel von Betzdorf
gehört. Es war weit weg von einem und jetzt war man plötzlich
mittendrin. Für mich persönlich ein viel besseres Gefühl mit irgendwas
dahin zu gehen, was man den Leuten geben kann, als nur mit meiner
Geschichte, früher mal der Sänger der Band gewesen zu sein, dahin zu
gehen. Das wäre mir nicht im Traum eingefallen, mit der Aussage nach
Betzdorf zu gehen. Aber mich mit einer Gitarre oder einer Band
dahinzustellen, das ist okay, das ist gut.

Milla:
Der Ausdruck Grobschnitt-Familie, der hat schon seinen Grund und ist
nicht einfach so dahergesagt. Ich glaube, das empfinden die Fans auch
so. Es ist schon eine richtig große soziale Gemeinschaft entstanden und
das spürt man auch. Es ist natürlich eine ganz besondere Sache. Das
liegt auch an der Internetarbeit, an diesen neuen
Kommunikationsmöglichkeiten, die die Fans auch untereinander haben und
das ist schon eine ganz tolle Sache.
Stephan:
Ich kann das nur bestätigen. Ich habe gerade in Betzdorf das Gefühl
gehabt, an einem Familientreffen teilgenommen zu haben. Willi, du
sagtest gerade schon, dass es bewegende Momente in Betzdorf gab. Ich
muss ehrlich sagen, dass ich euch noch nie so emotional „Rockpommel’s
Land“ hab spielen sehen. Du hast das Stück an diesem Abend eurem kurz
zuvor verstorbenen ehemaligen Mitstreiter Volker „Mist“ Kahrs gewidmet.
Ich muss gestehen, dass ich Tränen in den Augen hatte und mit jemandem
gesprochen hab, der bei dem Stück vor Rührung den Saal verlassen musste.
Wie ist es euch dabei gegangen? Und wie ging es dir Deva? Du hast
insofern ja auch einen ganz besonderen Part als Keyboarder. Was
empfindet man da?
Deva:
Ich hab es ähnlich empfunden. Jedes Mal dieses Stück zu spielen ist
immer wieder was Neues, weil ich vor dieser Komposition höchste
Hochachtung habe. Es ist unglaublich, was er damals da hingezaubert hat.
Es ist nie gleich, aber es war in Betzdorf sehr besonders. Man hat das
Gefühl, dass man sich mit einem Mal auf der Bühne verliert. Man taucht
in eine andere Welt ein. Mir geht es dann so, dass ich mit einem Mal
aufwache und denke „Wow, was ist hier in dem Moment passiert?“. Das ist
schon sehr besonders. In Betzdorf hab ich das so empfunden. Ich bekomme
dann manchmal beim Spielen eine Gänsehaut, weil ich da wirklich so
drinstecke und in dieser Welt, die da passiert, aufgehe. Ich fand es
auch sehr gut, dass die Ruhepausen die Willi zwischen „Ernie’s Reise“, „Anywhere“
und dem „Finale“ gefordert hat, außer der „Hupe“, auch von den Fans
eingehalten wurden. Und selbst die war nicht in der Lage mich aus dieser
Emotionalität herauszuholen. Es war auch für mich sehr bewegend.
Stephan:
Wie schwer ist es denn die Arrangements zu spielen, die Volker
komponiert hat? Gerade die älteren Stücke sind, wie ich finde, doch sehr
komplex angelegt.
Deva:
Ja, das ist sicherlich so. Das erfordert auch von mir die allerhöchste
Konzentration. Da kann man dann auch keine Faxen mehr bei machen. Ich
registriere manchmal gar nicht so richtig, was um mich rum vorgeht. Ich
spiele manche Dinge auch bewusst mit geschlossenen Augen, um da drin zu
sein. Von der Herangehensweise mache ich es so, dass ich mir die Sachen
komplett rausschreibe, um sie zu verstehen. Ich schreib mir das erst
einmal auf Papier und versuche das Ganze dann nachzuvollziehen. Da gibt
es natürlich viel mehr als die schwarzen Punkte (Noten) auf dem Papier.
Da geht es um Lautstärke und auch um wahnsinnig viel Gefühl. Es ist
unheimlich schwierig. Ich war mir anfangs auch nicht sicher, ob ich dem
gewachsen war. Das zu machen hat auch meinen ganzen Mut erfordert, muss
ich gestehen. Wenn ich jetzt so zurückblicke, zum Beispiel auf
Hohenlimburg, wo ich Zweifel hatte, das wirklich so hinzukriegen … Die
Hochachtung ist inzwischen in keinster Wiese verfallen, sondern sie ist
eher noch gestiegen, aber ich fühle mich mittlerweile wesentlich
sicherer und es macht unheimlichen Spaß, das zu spielen. Es ist doch
genau diese Musik, mit der ich groß geworden bin, die ich auch liebe.
Ich mag dieses Märchenhafte und diese wunderschönen Arrangements, die
Volker gemacht hat. Und ich bin sicherlich sein größter Fan.
Stephan:
Kommen wir einmal auf das besondere Stück, „Another Journey“ zu
sprechen, das ihr in Betzdorf gespielt habt. Dort wurde es ja
uraufgeführt. Wie ich hörte, habt ihr es danach in Hildesheim auch
gespielt. Ich denke es wird auch zukünftig zum festen Bestandteil des
Programms werden. Bitte erzählt doch etwas über das Stück.
Milla:
Ich hatte das Stück eigentlich schon für Hohenlimburg geschrieben, da
war es schon fertig. Aber wir dachten, es wäre noch etwas zu früh. Die
anderen kannten es auch noch gar nicht, denn ich hatte es bis dahin nur
mit Manu zusammen gespielt. Wir wollten unheimlich gerne für Betzdorf
etwas Besonderes machen. Dieses Stück „Another Journey“ ist ja wirklich
ein Stück, das für die Fans gemacht wurde. Es geht im Text auch darum,
dass man zusammen ist, diese Reise beginnt, noch mal zusammen auf die
Reise geht. Dann wird die Vergangenheit, durch die ganzen Titel, die
darin vorkommen, noch mal richtig aufgearbeitet und wir lassen sie Revue
passieren. Zunächst hatten wir überlegt, ob wir noch mal einen weiteren
alten Titel für Betzdorf einüben sollten. Und Willi sagte dann, es wäre
doch toll, wenn wir mal wieder etwas Neues machen würden, ein eigenes,
spezielles Geschenk an die Fans. Und ich sagte darauf hin, dass ich mal
so einen Titel geschrieben habe. Dann haben wir uns zu zweit (Milla und
Willi) getroffen und ihn eingeübt. Und Willi meinte, „Klasse, lass uns
das machen“. Das Lied ist für Grobschnitt natürlich etwas
Außergewöhnliches, weil wir so ein Stück ja in der Form auch noch nie
gemacht haben (Anmerkung: die Melodie/Instrumentierung hat schon ein
wenig etwas von den Eagles). Es ist eine ruhige, akustische Nummer. Aber
irgendwie passte das auch vom Inhalt dazu und dann haben wir das
gemacht. Wir haben das zuerst zu zweit, dann zu dritt geübt und kurz vor
dem Konzerttermin haben wir uns dann gesagt, komm, lass doch alle
mitspielen. Tattva hat dann noch sein Schifferklavier geholt und so
haben wir das mit der ganzen Band gespielt. Es war wirklich geplant, es
nur für Betzdorf zu machen. Dann kriegten wir aber so eine tolle
Reaktion und uns selber hat es auch so wahnsinnig viel Spaß gemacht,
weil es auch wieder eine ganz andere Fassette von uns zeigt. Ein
Grobschnitt-Konzert zeigt ja schon ein riesengroßes Spektrum, was da
geliefert wird, und dies wurde noch mal was ganz anderes. Da es uns auch
so viel Spaß machte, dachten wir, nehmen wir es einfach mit ins Programm
und spielen es jetzt jedes Mal. Das werden wir jetzt in Zukunft wohl
auch machen.
Stephan:
Sehr schön. Ich denke, die positive Resonanz war auch schon in Betzdorf
deutlich zu spüren. Aber wird es das Stück auch irgendwann mal auf einen
Tonträger schaffen?
Rolf:
Sag niemals nie.
Deva:
Wir lassen die Dinge kommen, wir lassen sie passieren.
Rolf:
Kommt Zeit, kommt Tonträger und … (lacht)
Milla:
Es ist nichts geplant, aber es ist völlig offen. Es kann durchaus sein,
dass wir was machen und dann kommt es vielleicht drauf, vielleicht auch
nicht. Das kommt darauf an, wie das dann wird. Es ist wirklich völlig
offen.
Rolf:
Wer hätte 1989 gedacht, dass …. So muss man das einfach sehen.
Willi:
Wir sind einfach in der Situation, dass wir jedes Konzert, was wir jetzt
haben, genießen. Fakt ist, das wir bis Januar 2009 zum Termin in Hagen,
Konzerte geben. Das steht bis jetzt fest. Und wir probieren uns auf
jedes Konzert vernünftig vorzubereiten und genießen die Konzerte, soweit
es möglich ist. Und es ist meistens eigentlich ganz gut. Was dann kommt,
da sind wir zum Teil dran, es ist ja auch kein Geheimnis, dass wir
probieren, wenn es hinhaut, „Rockpommel’s Land“ komplett aufzuführen.
Komplett von vorne bis hinten. Das ist nur einmal passiert, 1978, als
das Album rauskam. Da musste ja selbst die alte Band passen, weil das zu
schwer war, selbst mit Volker Mist an den Keyboards. Es sind Teile drin,
die sind live fast unspielbar. Da sind wir jetzt schon gut am Arbeiten.
Da kann man wirklich hoffen, dass es mal passiert. Aber es ist absolut
noch kein Konzert geplant. Wir arbeiten nächstes Jahr wieder, lassen uns
ein bisschen Zeit. Vielleicht spielen wir mal auf einem großen Festival,
wenn wir wieder mal so nett eingeladen werden, wie dieses Jahr. Ein
Festival war für mich bisher immer ein Angstgegner, aber spätestens seit
Wuppertal haben wir gemerkt, dass wir eine Festivalband sind. Also auch
wieder, was ich vorhin schon sagte, die Band muss wachsen. Einmal in
Burg Herzberg gespielt und aus den Erfahrungen, die wir da gemacht
haben, gelernt und in Wuppertal das dann perfekt umgesetzt. Das kann man
ja nicht anders sagen, obwohl Eigenlob stinkt. Aber in diesem Fall ist
es so. Man muss einfach sehen, was nächstes Jahr passiert. Also ich
würde gerne mal wieder auf einem Festival spielen.
Alle anderen:
lachen und es wird tumultartig.
Rolf:
Du hast doch immer gesagt, scheiß Wetter ….
Willi:
Ja natürlich nur wenn das Wetter gut ist. Aber mit einem vernünftigen
Veranstalter wird das ja auch besser.
Rolf:
Ich erinnere mich noch an die erste Anfrage. Da hieß es nur: „Geh mir
weg mit dem Scheiß“.
Willi:
Da hab ich doch Recht gehabt. Es ist einfach so, dass ich mit der alten
Band bezüglich Festivals schlechte Erfahrungen gemacht hab. Es ist auch
nicht einfach auf einem Festival zu spielen, gerade mit einer Band, die
gerade jetzt erst 13 Konzerte absolviert hat. Eine Band, die auf einem
Festival auftreten will, ist immer gut beraten, wenn sie ganz viel
Livererfahrung hat. Dann wird sie nichts erschüttern können, denn auf
Festivals ist alles anders. Aber es hat bei uns beim zweiten Mal schon
erstaunlich gut geklappt. Wir hatten alle so ein bisschen Horror vor
Wuppertal. Was da passierte, war eine ganz außergewöhnliche Situation,
eigentlich noch schlimmer als ein Festival, weil da ganz andere Filme
vorher abliefen. Aber es hat so gut geklappt. Also so etwas
Professionelles von der ersten bis zur letzten Sekunde, das hat mich
selber überrascht. Ich war so begeistert, dass ich selbst bei Stücken,
bei denen ich gar nicht spielen musste, nicht von der Bühne gegangen
bin. Ich hab einfach weiter durchgemacht. Ich will damit sagen, dass es
so einen Spaß gemacht hat. So etwas kann nächstes Jahr passieren,
vielleicht kommt ja einer und macht ein Festival mit uns. Es kann aber
auch passieren, dass wir „Rockpommel’s Land“ so Ende des Jahres ganz
spielen werden. Das könnte eine richtige Aufführung in Form einer
zweiten Konzertreihe werden. Das jetzt war ja auch keine Tour, sondern
eine Konzertreihe.

Stephan:
Hilft bei diesem komplexen Werk auch, dass Demian mit in die Tasten
greift?
Deva:
Aber ja, unbedingt. Er entlastet mich einfach an Stellen, wo Mist eine
Hand mehr hatte als ich und es gibt mir auch wesentlich mehr Ruhe. Dass
er einige Parts übernehmen kann, das wird bei „Rockpommel’s Land“
natürlich auch so sein, weil da auch einige Stellen drin sind, die mir
größte Schwierigkeiten bereiten würden. Das, was wir im Moment nicht von
„Rockpommel’s Land“ spielen, ist eigentlich das Schlimmste überhaupt,
was Mist bei diesem Stück geschrieben hat (Anmerkung: hier ist der
Schwierigkeitsgrad gemeint). Die schwierigsten Parts sind die, die wir
ausgespart haben und die seit 30 Jahren auch aus gutem Grund nicht mehr
gespielt wurden. Und das hilft natürlich enorm, dass Demian da helfen
kann.
Rolf:
Aber falsch, das ändern wir jetzt (Anmerkung: Mit der Änderung ist die
Liveaufführung des kompletten Albums gemeint.)
Milla:
Man muss natürlich sagen, dass wir dadurch, das wir mit zwei Keyboardern
arbeiten auch Sachen spielen können, die früher gar nicht live zu
spielen waren. Durch die Sounds der zwei Keyboards können wir uns auch
teilweise mehr an den Studioversionen orientieren. Es sind durch die
beiden Keyboards Sachen machbar, die früher gar nicht möglich waren.
Stephan:
Toni, wird es dann auch den Ernie auf der Bühne wieder geben?
Toni:
Ich werde mich wieder viel verkleiden. Das ist halt der Spaßfaktor an
den Konzerten, den ich verkörpere und der werde ich bleiben und ihn noch
steigern. Und es könnte durchaus möglich sein, dass Ernie zurückkehrt.
Stephan:
Wie schwierig war es für dich wieder mit dem Singen anzufangen?
Toni:
Es war nicht schwierig, wieder mit dem Singen anzufangen. Ich hab ja
einen guten Lehrmeister hier in der Band. Es ist schwierig da zu
bleiben, wo man ist und sich dann noch zu steigern. Also singen ist
anfangs relativ einfach, nur das weiterzuentwickeln, ist das Schwierige.
Weil er ist nun mal ein ganz strenger Chef, unser Willi …
Die Anderen:
lachen.
Toni:
… in Sachen Gesangsparts. Da muss man schon aufpassen.
Willi mit verzerrter Stimme:
Tausendmal hab ich dir das gesagt.
Toni:
Das ist dann schon sehr schwer.
Stephan:
Das mit dem strengen Chef ist ein schönes Stichwort. Gerade bei den
jungen Musikern interessiert mich, wie und ob sie einen Einfluss auf die
Musik nehmen können. Oder sagen vielleicht die „Alten“, wo es langgeht?
Welche Möglichkeiten habt ihr, da etwas mit zu entwickeln?
Manu:
Bis jetzt ist es für uns ja letztendlich wie eine Coverband. Wir spielen
ja nicht unsere Lieder, sondern Stücke von Grobschnitt, die wir ja nicht
selber geschrieben haben. Und die sind ja größtenteils schon festgelegt.
Wir haben natürlich auch schon ein paar neue Teile, was vor allem die
Soli betrifft, gemacht und da bringt sich jeder ein. Aber ich denke, es
wird richtig spannend, wenn es mal was Neues von uns geben würde. Bei „Another
Journey“ haben wir dann ja kurz vor Betzdorf entschieden, dass wir doch
alle mitspielen, da haben wir beide einfach spontan etwas zu gespielt.
Aber letztendlich, so wie das Stück derzeit ist, hat sich jeder in
gleicher Form eingebracht.

"Another Journey" wird geprobt
Nuki:
Ich denke, das Mitspracherecht haben wir alle. Was den musikalischen
Aspekt angeht, muss man aber sagen, dass der Vorsprung durch die
Erfahrung unüberhörbar ist. Die Ideen sind oftmals ausgereifter, als
die, die ich im Kopf habe. Das ist dann in anderen Teilen, wie zum
Beispiel Showgeschichten oder Licht, wo ich mich sehr intensiv mit
beschäftige, aber schon wieder anders, da gehen wir mit einer gewissen
Frische ran. Deshalb ist auch die Zusammensetzung der zwei Generationen
so gut, denn jeder lernt von dem anderen und alle sind auch gewillt vom
anderen zu lernen. Aus diesem Grund hab ich auch kein Problem damit,
dass einer mal mehr und der andere mal weniger zu sagen hat. Es passt
alles so zusammen. Jeder hat was zu sagen und wir schmeißen das dann in
einen Topf und probieren auch alles aus. Das machen wir solange, bis
alle sagen „Okay, das ist der richtige Weg. So machen wir das.“
Stephan:
Aber gerade so ein Stück wie „Könige der Welt“, das ist ja jetzt ein
richtiger Livekracher geworden, unterscheidet sich meines Erachtens doch
sehr von der Studioversion.
Milla:
Wir haben da natürlich schon alle daran zusammen gearbeitet. Da haben
sich die beiden Gitarristen auch komplett eingebracht. Da sind richtig
neue Soloparts entstanden. Auch am Schluss von „Simple Dimple“, da gibt
es dann auch einige Möglichkeiten, wo neue Sachen entstanden sind.
Gerade die finde ich auch unheimlich genial. Wir haben wirklich zusammen
gesessen und haben „Könige der Welt“, „Film im Kopf“ und „Komm und tanz“
völlig anders arrangiert. Und da spürt man auch die Handschrift der
neuen Band. Das sind eigentlich völlig andere Stücke, als sie es damals
waren. Daran erkennt man auch das Zusammenspiel, wie sich die Neuen mit
ganz eigenen Ideen und Tatti vom Keyboard her eingebracht haben. Das
sind für mich neue Stücke, die haben mit den alten kaum noch etwas zu
tun. Klar, die Grundkompositionen stehen, das ist schon richtig. Aber
bei diesen Stücken merkt man auch das unglaubliche Potenzial, was in der
neuen Band steckt. Das empfinde ich jedenfalls so.
Willi:
Und man merkt, das es eine gesunde Mischung ist. Die jungen Leute haben
eine ganz andere Auffassung, bringen die ein und wir alten wissen
vielleicht manchmal mehr abzuwägen, was machbar ist oder nicht.
Grundsätzlich haben die Jungen ja immer Recht, aber wenn man das so
miteinander verbindet … Es gab schon einige Situationen, wo
beispielsweise Manu etwas gesagt hat und ich sagen musste „Er hat Recht
gehabt“. Das ist gut so und das hört man auch diesen Stücken an, die wir
verändert haben, wie „Könige der Welt“, „Komm und tanz“ und vor allem
„Film im Kopf“. Da hört man auf einmal die ganze Arbeit der kompletten
Band. Man hört, dass die Stücke anders als nur mit den alten Leuten
damals geworden sind. Und die sind jetzt für mich einfach greifbarer,
besser geworden und entsprechen der heutigen Zeit, der Band und unserem
heutigen Gefühl Musik zum machen. Und deshalb spielen wir die auch ganz
gerne. So wie die Stücke damals waren, hätten wir sie heute nie
gespielt. Das war eine Entwicklung. Es ist schon eine Vorstufe zur
eigenen Komposition gewesen, so ein Stück zu nehmen, ganz abzuändern und
auf unseren Stand zu bringen. Quasi auf den Level von heute. Das ist
eine sehr interessante Arbeit, die auf Eigenkompositionen hoffen lässt.
Stephan:
Das klingt gut. Da komme ich dann auch gleich mal auf die Tonträger
zurück. Wenn ich mir die Titelauswahl eures aktuellen Albums
„Grobschnitt 2008 Live“ anschaue, stelle ich fest, dass neben
„Sonnentanz“, das drauf musste, ansonsten nur Stücke zu finden sind, die
bisher auf keinem Livealbum erhältlich waren. Was hat für euch den
Ausschlag gegeben, genau diese Stücke auszuwählen?
Milla:
Ursprünglich wollten wir wirklich nur „Sonnentanz“ veröffentlichen. Und
um dieses zentrale Stück ging es eigentlich. Der zweite Aspekt war, dass
wir noch ein bisschen Platz hatten und so ein paar Stücke zusätzlich
drauf packen konnten. Und dabei war für uns wichtig, wie du schon gesagt
hast, die Stücke mit drauf zu nehmen, die es in der Form noch nicht
gegeben hat. Es hätte für uns wenig Sinn gemacht, jetzt zum x-ten Mal
„Vater Schmidt“ oder „Rockpommel’s Land“, die ja schon recht häufig
veröffentlicht wurden, neu herauszubringen. Wir spielen diese auch
ziemlich nah am Original. Wir haben uns gesagt, dass wir nur die Stücke
mit draufnehmen, die unsere ganz eigene Interpretation widerspiegeln und
die es so noch nicht gegeben hat. Und da sind genau die Stücke, neben
dem Medley, das auch einzigartig ist, drauf. „Komm und tanz“ hätte
vielleicht noch mit drauf gekonnt, aber der Platz war schon begrenzt.
Dazu kommt, dass die Aufnahmen davon in Bonn und Menden nicht so optimal
waren. Wir hatten schon zwischen „Film im Kopf“ und „Komm und tanz“
gewählt und da gefiel uns „Film im Kopf“ besser. Wir wollten die
Handschrift der Band zeigen und es heißt ja nicht umsonst Grobschnitt
2008. Diese Aufnahmen drücken die Band genauso aus, wie sie ist.

Stephan:
Jetzt gibt es unter den Fans auch einige Stimmen, die ein bisschen
enttäuscht waren, dass das Album keine Doppel-CD geworden ist und nicht
das komplette Konzert vorliegt. Könnt ihr das verstehen?
Milla:
Klar, wenn ich Fan wär, hätte ich am liebsten auch ein ganzes Konzert.
Rolf:
Gut, die gehen ja mit dem vierstündigen Eindruck nach Hause. Und so
werden die sich natürlich wünschen, das ganze Grobschnitt-Konzert zu
haben. Aber genau das ist ja die Kunst dabei, darauf verzichten zu
können, bis eines Tages vielleicht die große Erfüllung kommt und es doch
noch einmal machbar ist. Es hätte auch vor 20 Jahren keiner gedacht,
dass wir a) wieder antreten und b) dass es überhaupt einen Tonträger mit
neuen Aufnahmen gibt. Das war ja unter vielen Möglichkeiten eine. Und
wir haben uns das mit Sicherheit auch nicht leicht gemacht. Wir haben
uns gefragt „Müssen wir? Wollen wir? Können wir?“ und haben dann
entschieden, das ganze live aufzunehmen, um es irgendwann zu beurteilen.
Und die Band hat danach darüber befunden, dass das Material
veröffentlicht werden soll. Das ist ja nach so vielen Jahren schon mal
der Einstieg. Wenn wir jetzt sofort alles wieder verbraten hätten …
Warum? Sag niemals nie. Vielleicht gibt es ja auch irgendwann mal etwas
schönes Neues, vielleicht auch nicht, das werden wir dann eines Tages
zur richtigen Zeit entscheiden.
Milla:
Das ist ja eigentlich auch ein Kompliment. Wenn die Fans nach einer
halben Stunde gesagt hätten „Das reicht. Die CD ist eigentlich schon
viel zu lang“ … So sagen sie „Eigentlich würden wir gerne noch mehr
hören.“ Das finde ich toll.
Deva:
Das motiviert.
Willi:
Grobschnitt 2008 ist eine Band, die alte Grobschnitt-Musik spielt.
Grobschnitt 2008 ist aber auch eine Band, die ganz neue Musik spielt.
Auf dieser CD ist neue Musik. Das ist für mich was ganz Neues. Die
andere Geschichte hat lobenswerter Weise Erke gemacht. Wir wollten nicht
zum x-ten Mal noch mal etwas herausbringen, was Erke bereits gemacht
hat. Das brauchen wir nicht. Wir haben eine neue CD gemacht. Die neue
Band ist auf der CD drauf, das ist für mich das Wichtigste.
Stephan:
Das ist auch ein sensationelles Album geworden.
Rolf:
Ich finde auch, dass es ein völlig neuer Abschnitt dieser Band ist. Die
Geschichte muss neu geschrieben werden. Jede Konstellation hatte ihre
Zeit. Wir haben jetzt diese Konstellation, die 2007 begonnen hat. Und
genau so geht es 2009 oder 2010 vielleicht weiter.
Willi:
Das finde ich das Wichtige, dass man hören soll, dass es zwar irgendwie
noch das Alte, aber es auch was ganz Neues ist. Das hört man auf der CD
und das war das Wichtigste für mich, denn ich wollte gar keine CD
machen. Ich stehe nicht auf das finanzielle Ausschlachten von altem
Material. Wir haben es gepackt und wir haben mit diesen Stücken was
Neues gemacht. Und das ist genau so lang, wie es braucht. Ich habe
gemerkt, dass man das sofort wieder laufen lassen kann. Da ist auch
keine Ansage drauf, die einen nervt, wenn man sie dann zum dritten Mal
hintereinander hört, weil es immer die gleiche ist. Da sind auch keine
24 Minuten Applaus drauf, was einem beim dritten Anhören auch nervt, was
man dann immer wegskippen muss. Es ist alles so, wie es auf der CD ist,
mit voller Absicht von der ersten bis zur letzten Sekunde, ganz genau
wie unser Grobschnitt-Konzert auch.
Stephan:
Ich traue es mich eigentlich gar nicht zu fragen, tue es aber trotzdem.
Könntet ihr euch vorstellen, dass es weitere Liveveröffentlichungen auf
CD oder noch besser auf DVD gibt?
Rolf:
Kommt Zeit, kommt DVD.
Stephan:
Eure Konzerte leben natürlich auch von euren optischen Effekten, die
gehören einfach dazu. Grobschnitt darf man eigentlich nicht nur hören,
man muss sie auch sehen.
Willi:
Aus rein rechtlichen Gründen ist es etwas schwierig. Vielleicht gibt es
sogar noch eine Möglichkeit, aber es steht erst einmal nicht an. Im
Internet sehe ich doch alles, was ich haben will.
Milla:
Aber man kann auch sagen, dass wir diese CD nicht geplant hatten.
Hättest du mich vor einem halben Jahr gefragt, hätte ich geantwortet:
„Keine Ahnung“. Wir haben irgendwann damit angefangen und was in der
Zukunft ist, wissen wir einfach nicht. Wir lassen uns selber
überraschen. Es kommen viele Sachen wirklich sehr spontan.
Willi:
Der Druck der Freunde wurde zu massiv. (alle lachen) Die haben uns so
genervt, vor allem unser Ralf Dreger, der draußen am Stand steht, der
war so schockiert, weil die Fragen kamen „Wann kann ich denn von der
Band mal was mit nach Hause nehmen“. Insofern ist noch was möglich.
Rolf:
Alles ist möglich.
Stephan:
Früher war Grobschnitt immer eine Art Familie, heute gibt es die
familiären Verbindungen. Das Bandleben war früher sicher ganz anders als
heute, da die Band ja mehr ein Wirtschaftsunternehmen war. Kann man das,
was ihr heute macht, eher wie ein freundschaftliches Verhältnis
verstehen?
Willi:
Es war früher ja auch so, dass da wirklich sechs Künstler rumliefen und
jeder war irgendwo ein Star oder auch nicht. Und jetzt 20 Jahre später
trifft man sich erst einmal mit den Kindern, was natürlich auch ein ganz
anderes Verhältnis ist und man hat auch Achtung voreinander. Wir alten
Kacker, wir brauchen uns überhaupt nichts mehr zu beweisen. Wir sehen
uns, weil wir ganz gut miteinander können. Mit anderen Alten würde es
nicht gehen, aber diese Zusammensetzung, das geht. Wir Alten kommen
prima miteinander aus. Und die anderen Bindungen sind ja zwangsmäßig
(Anmerkung: gemeint ist das Verwandtschaftsverhältnis).
Rolf:
Es ist natürlich schon ein freundschaftliches Verhältnis. Auch vor der
Konstellation muss man sagen. Man kannte sich und hatte auch immer schon
sehr positive Zeiten miteinander verbracht. Die ganzen menschlichen
Sachen, die diese Band ausmacht, die sind bei dieser Konstellation ganz
wichtig. Das geht halt über das Gefühl. Über die Freundschaft, die uns
alle verbindet, war das möglich, was wir heute sind.

Nuki:
Beim Musik machen ist es ja auch so, dass man sich halt sehr nahe kommt.
Teilweise im positiven, aber auch im negativen Sinne. Das heißt, es wird
auch viel und heftig diskutiert und man kriegt sich auch schon mal in
die Wolle. Das geht aber auch nur mit Leuten, mit denen man sich richtig
gut versteht und man hinterher sagen kann „Hör mal, es geht um die Sache
und wir wollen doch alle das Gleiche.“ Und so sind auch
Auseinandersetzungen, die es früher gab, die es heute auch gibt, nur
möglich, weil man sich gut versteht. Das ist auch ein wesentlicher
Aspekt, warum das Ganze so erfolgreich ist.
Milla:
Ein riesiger Unterschied ist, dass der kommerzielle Aspekt wegfällt. Man
musste früher zusammen bleiben und zusammen spielen, auch wenn es mal
Theater gab. Man konnte nicht einfach sagen, dass man aufhört. Das ging
gar nicht. Heute können wir wirklich sagen, wenn wir nicht mehr wollen,
dann machen wir einfach nicht mehr weiter. Keiner ist abhängig davon.
Wenn wir uns nicht gut verstehen und aus Freundschaft zusammen spielen
würden, dann würden wir aufhören. Aber das Beste ist ja, dass wir
zusammen spielen wollen. Früher war auch keine schlechte Stimmung
innerhalb der Band, aber es war schon eher eine Zweckgemeinschaft. Es
war unser Beruf, wir mussten zusammenbleiben und es war nicht so
einfach. Heute ist das wirklich nur freiwillig und nur aus Spaß. Wir
machen das so lange, wie wir es wollen und Spaß daran haben. Und das ist
schon ein ganz anderes Grundgefühl. Ich genieße dieses Grundgefühl
unheimlich. Ich hab früher auch gerne Musik gemacht und hab gerne mit
der Band gespielt, das ist gar keine Frage, aber jetzt sind diese
Unabhängigkeit und die Freiheit eine tolle Sache.
Deva:
Ich denke, dass in unserem Alter auch dieser Jahrmarkt der Eitelkeiten
ein Stückchen geschlossen ist. Das ist natürlich sehr positiv, außer bei
Rolf natürlich, den will ich mal rausnehmen. (grinst)
Rolf:
(lacht) Das ist falsch.
Deva:
Es ist eben ein sehr positives Gefühl drin, weil du nicht so einzelne
Leute hast, die ihre Eitelkeiten ausleben.
Rolf:
Der Vorteil für uns ist auch, dass wir zu jeder Zeit entscheiden,
welchen Schritt diese Band machen kann und muss. In der heutigen Zeit
ist das völliges Glück. Was Milla gerade schon sagte, war es früher ein
immenser Druck. Ich kenne den ja heute von einer anderen Konstellation.
Es ist eine große Freiheit und große Gunst, die diese Band jetzt hat,
das ist phantastisch, genial.
Stephan:
Manu und Nuki, Grobschnitt-Musik zu spielen, es wurde vorhin schon
angedeutet, ist für euch jetzt eher wie ein covern. Aber was bedeutet es
euch, Grobschnitt-Musik auf die Bühne zu bringen?
Nuki:
Ich bin mit der Musik und dem Gitarrenspiel von Lupo aufgewachsen. Und
als ich dann selbst angefangen hab Gitarre zu spielen, hab ich mich erst
einmal in eine ganz andere Richtung bewegt. Aber als Milla und ich die
Idee hatten, das noch einmal auf die Bühne zu bringen bzw. die alten
Songs zu spielen, hab ich gemerkt, wie leicht es mir fällt, das
nachzuempfinden. Da geht es jetzt gar nicht um das technische und um die
Art und Weise des Gitarrenspielens, sondern das Gefühl rüber zu bringen.
Das Gitarrenspiel von Lupo ist mir einfach sehr, sehr nah, weil ich es
einfach ganz innig kenne. Ich habe, glaube ich, so viele
Grobschnitt-Konzerte gesehen, wie sonst von den Zuschauern keiner. Ich
habe auch so viel Musik gehört, also wenn ich nicht auf einem Konzert
war, habe ich zu Hause halt diese Musik gehört. Ich kenne da jede
Sekunde auswendig und ich weiß halt, welche Emotionen dahinter stecken.
Deshalb brauchte ich auch beim Üben und beim Raushören gar nicht das
Original als Vorlage, sondern ich konnte relativ viel aus dem eigenen
Gefühl, dem eigenen Bauch raus spielen, weil ich es einfach sehr gut
kenne. Es ist für mich schon ein bisschen mehr als covern, eigentlich so
meine Kindheit oder ein Großteil meines Lebens.
Manu:
Das ist bei mir natürlich etwas anders, weil ich neun Jahre jünger bin
(lacht). Ich war halt da noch viel zu jung, als Grobschnitt noch aktiv
waren. 1989 war ich sechs Jahre. Ich habe auch relativ spät angefangen
Grobschnitt zu hören. Für mich bedeutet es einfach, richtig gute Musik
zu spielen. Das macht einfach Spaß. Ich komme ja musikalisch aus einer
ganz anderen Richtung. Das, was ich in meinen bisherigen Bands gespielt
habe, ging mehr so in die Richtung Alternative Rock, das war bisher
nicht so komplex. Aber Bands wie Pink Floyd oder Genesis habe ich auch
schon immer gehört. Ich war da schon immer in alle Richtungen offen, was
Musikgeschmack angeht. Für mich geht es eigentlich nur darum, gute Musik
zu spielen und am besten natürlich vor einem großen Publikum.
Stephan:
Du hast dann auch noch eine andere Band nebenbei, oder ist das Thema
gestorben?
Manu:
Nein, die habe ich noch. (lacht) Sie heißt Soninlaw und Demian sitzt
dort hinterm Schlagzeug. Leider passiert da aber momentan aus
Zeitgründen etwas zu wenig. Demian hat ja zusätzlich auch noch die Band
Lautstark. Und dann ist da nebenbei auch noch ein relativ
zeitaufwändiges Studium, was studiert werden will. Trotzdem kannst du
dir das ganze natürlich durchaus mal anhören, zum Beispiel auf
www.myspace.com/soninlawmusik beziehungsweise
www.lautstark-rockt.de .
Stephan:
Nuki, wie sieht es bei dir aus?
Nuki:
Ja, ich hab auch noch andere Projekte, das läuft aber unter ferner
liefen, weil es zeitlich einfach nicht drin ist, etwas anderes zu
machen. Mein Leben sieht im Moment so aus, dass ich den ganz normalen
Bürojob mache und dann die Musik mit Grobschnitt. Daneben bleibt mir von
meiner restlichen Freizeit eigentlich nichts mehr übrig, deshalb hab ich
auch wenig Zeit irgendetwas anderes zu machen. Im Moment würde ich es
auch geistig gar nicht hinbekommen, großartig etwas anderes zu machen,
weil ich mit der ganzen Geschichte ausgelastet bin. Es nimmt mehr ein,
als ein normales Hobby, wo man einmal in der Woche zum Fußballtraining
geht. Gerade durch die Konstellation, die wir zusammen haben, ich wohne
ja auch mit meinen Eltern zusammen in einem Haus, unterhalten wir uns
eigentlich jede Sekunde nur über Musik und auch nur über Grobschnitt.
Seitdem das jetzt angefangen hat, gibt es in unserem Leben nicht anderes
mehr, als dieses Projekt.
Stephan:
Vielen Dank für das tolle, offene Gespräch. Es hat mir unglaublich viel
Spaß gemacht.
Stephan Schelle
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