Interview mit Jan H. Ohme und Thomas Andersen von Gazpacho
04.09.2010 während des Night Of The Prog V auf der Loreley

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Am 04.09.2010 hatten wir, das sind Hubertus Becker und Stephan Schelle (Musikzirkus-Magazin:), die Möglichkeit mit den Musikern Jan H. Ohme und Thomas Andersen von Gazpacho ein Interview zu führen. Hier nun unser Gespäch:

Musikzirkus-Magazin: Ihr seid ja mittlerweile schon das dritte Mal auf der Loreley. Vor zwei Jahren am Nachmittag und letztes Jahr dann am Abend, wo ihr euer sensationelles Album „Tick Tock“ komplett gespielt habt. Gehört die Loreley mittlerweile zum festen Tourplan?

Jan: Nein.

Thomas: Wir hatten aber immer eine großartige Zeit auf der Loreley. Aber da wir gerade unser neues Album veröffentlichen, ist das eine tolle Gelegenheit, ein paar von den neuen Songs auszuprobieren und Spaß mit den alten zu haben. Und natürlich ist es eine tolle Gelegenheit mit vielen netten Leuten zusammenzukommen. Deswegen sind wir schon zum dritten Mal hier. Und hoffen, dass wir immer noch willkommen sind!

Musikzirkus-Magazin: Klar! Welche Erinnerungen habt ihr denn noch an diese tolle Location?

Jan: Es ist einfach ein fantastischer Ort zum Spielen. Und wir hatten bisher immer Glück mit dem Wetter! Dieses Mal war es bisher ein wenig kälter aber – ich klopfe da mal auf’s Holz – aber trotzdem: Der Sound ist einfach klasse, wir hatten immer Glück damit. Wir haben also die Möglichkeit vor einem großen Publikum zu spielen mit nahezu makellosem Sound und einer ansprechenden Lightshow. Das mag einfach jede Band gerne. Und dann sind da noch die ganzen freundlichen, offenherzigen Menschen hier.

Thomas: Die Loreley muss einfach das freundlichste Festival überhaupt sein. Alle lachen, alle sind nett. Es ist einfach ein großartiger Ort!

Jan: Und das Essen Backstage ist einfach brillant. Du kannst das mit keinem anderen Essen bei einem Festival vergleichen.

Musikzirkus-Magazin: Wart ihr denn kürzlich auf anderen Festivals, dass ihr diesen Vergleich so ziehen könnt?

Thomas: Ja, wir haben vor kurzem auf einem schwedischen Festival gespielt. Das war in einem Wald außerhalb von Schweden (kein Übersetzungsfehler!)…

Jan: Nein, warte, das war außerhalb von Göteborg!

Thomas: Ja, klar außerhalb von Göteborg…

Jan: …in Schweden! Der Wald außerhalb von Schweden ist doch Norwegen! (Gelächter allenthalben)

Thomas: Ja, und sonst spielen wir keine Gigs in der Gegend.

                   
Thomas Andersen und Jan H. Ohme

Musikzirkus-Magazin: Wie jetzt? Du machst Witze!? Ihr tretet nicht in Norwegen auf?

Thomas: Nein, ganz im Ernst. Wir haben in den letzten Jahren nur ein paar Auftritte gehabt, vielleicht zwei oder drei.

Musikzirkus-Magazin: Und wie kommt das?

Thomas: Zunächst einmal ist Norwegen ein verdammt langes Land. Wenn du das von einem Ende zum anderen Ende durchreist, ist das dieselbe Strecke wie von Oslo nach Rom. Also macht es weitaus mehr Sinn gleich in den Süden - durch Europa - zu reisen. Außerdem haben wir dort weitaus mehr Fans als in Norwegen. Wir werden auch kaum im Radio gespielt.

Jan: Und wenn du dir die Einwohnerzahl von Norwegen vor Augen führst, 4,5 Millionen – also etwa so viel wie Berlin – ist das nicht allzu verwunderlich. Wir spielen musikalisch nun einmal in einer Nische. Die Bevölkerungsdichte hier ist weitaus größer. Du kannst einen Auftritt haben, dann ein paar Stunden mit dem Bus fahren und verkaufst in der nächsten Stadt immer noch genügend Eintrittskarten. Das ist schlicht und ergreifend einfacher.

Musikzirkus-Magazin: Ihr habt letztes Jahr einen Livemitschnitt angefertigt, der in diesem Jahr unter dem Titel „A Night At Loreley“ als DoCD und DVD erschienen ist. Wie war die Resonanz der Fans auf diesen Mitschnitt?

Thomas: Das kann ich dir ehrlich gar nicht sagen. Wir haben nicht viel davon mitbekommen. Da waren wohl etliche Leute frustriert, weil es sich nur um eine limitiert Edition handelt.

Jan: Ja, es gab wohl nur 1.000 Exemplare. Und das begrenzt natürlich das Feedback, das du bekommen kannst. Außerdem, seien wir ganz ehrlich: Musik wird heute doch immer mehr über das Internet verteilt, ohne dass dafür bezahlt wird.

Thomas: Auch wenn wir nicht viel Feedback erhalten haben: Wir sind sehr glücklich mit dem Ergebnis. Es war ein sehr gutes Konzert und das kommt auch rüber.

Musikzirkus-Magazin: Gerade passend zum Konzert ist euer neues Album „Missa Atropos“ herausgekommen. Ist es nach einem solch genialen Werk wie „Tick Tock“ nicht schwierig ein Nachfolgealbum anzugehen? Das ist ja sogar in dem deutschen Magazin „Der Spiegel“ besprochen worden.

    

Thomas: Ja, das habe ich auch gelesen!

Jan: „Album der Woche“ (sagt er auf Deutsch), das war echt fantastisch!

Musikzirkus-Magazin: Habt ihr euch da nicht unter Druck gesetzt?

Thomas: Nein, das tun wir nie. Wenn wir etwas Neues machen, denken wir nie darüber nach, was andere davon denken könnten. Wir machen das, weil wir einfach Spaß daran haben. Das einzige, was wir beherzigen, ist, dass wir uns sehr gut überlegen, wann wir ein neues Album machen. Weißt du, es wird so viel veröffentlicht an Musik. Da ist es uns einfach wichtig erst dann etwas Neues zu machen, wenn wir sicher sein können, dass wir etwas Wichtiges zu sagen haben. Schließlich erwarten wir von den Leuten nicht weniger, als sich eine ganze Stunde mit unserer Musik auseinanderzusetzen. Wenn wir diesen guten Grund also gefunden haben, wenn die Storyline feststeht, ist der Rest für uns eine echte Freude. Natürlich ist das keine Garantie dafür, ob das Album gut oder schlecht wird.

Jan: Manchmal ist es schlecht… (lacht)

Thomas: Trotzdem, das schwierigste ist, die Idee für das Album zu finden.

Musikzirkus-Magazin: Um was geht es genau bei dem neuen Werk, das sich ja wohl um griechische Mythologie dreht?

Thomas: Atropos ist eine der vier Töchter der Nacht (Nyx). Die anderen beiden sind Klotho und Lachesis. Eine der Schwestern misst die Länge deines Schicksals, eine spinnt den Faden und Atropos ist diejenige, die den Bindfaden abschneidet. Jetzt ist es so in Norwegen, dass immer mehr Leute aus den Städten wegziehen und auf dem Land leben wollen. In anderen Teilen Europas ist das genauso. Und damit wollen sie den Kontakt zu anderen Menschen abschneiden und lieber alleine leben.

Jan: Sie wollen weg von der Zivilisation, oder von dem, was aus der Zivilisation geworden ist. Und die großen Städte sind nun mal das Symbol für die zivilisierte Welt. Irgendwo auf dem Land zu wohnen und in der Stadt nur zu arbeiten ist in Ordnung für sie.

         

Thomas: Es gibt da also die große Furcht vor anderen Menschen. Das für uns Interessante daran war: Wenn Atropos eine Göttin ist, wäre es nicht interessant etwas Religiöses für diese Göttin zu schreiben, die diese Kontakte durchschneidet? Das Album handelt also von einem Typen, der sich dazu entschieden hat, in einem Leuchtturm zu leben. Und der versucht eine Messe für Atropos zu schreiben. Auf dem Album hören wir drei seiner Versuche, Lieder zu schreiben und die eigentliche Messe. Die Lieder handeln davon, warum er wegziehen wollte, wie es endet.

Jan: Er zieht also an die Küste in einen Leuchtturm und schaut auf das zurück, was er hatte, was er vermisst.

Thomas: Als wir diese Idee einmal hatten, war es einfach anzufangen, es machte uns Spaß, die Lieder zu schreiben.

Jan: Und genau wie bei „Tick Tock“ und „Night“ war es nicht wichtig, alles bis ins Kleinste auszuschmücken. Jeder Hörer soll sich selbst Gedanken machen und für sich den Sinn entdecken können, einen eigenen Zugang, ja ein eigenes Gefühl für das Album entwickeln. Wie bei den beiden anderen Alben wollen wir den Hörer auf eine Reise mitnehmen. Und viele werden die Augen dabei schließen, die Musik vielleicht über Kopfhörer genießen. Und wenn das Album dann vorbei ist sagen sie: „Ey, das war ja viel zu kurz, das waren niemals 60 Minuten!“ (lacht). Und dann wollen sie das Ganze noch mal hören. Damit haben wir dann unser Ziel erreicht.

Musikzirkus-Magazin: Wie kommt es dann genau zu dem Titel? Wenn man „Missa Atropos“ schnell liest, hört sich das ja wie „Misanthrop“ an.

Thomas: Ganz richtig. „Misanthropy“ war der ursprüngliche Titel des Albums. Dann hat irgendjemand von Atropos erfahren und wir fanden heraus, wer das war. Und das war noch besser! (Jan lacht). Damit haben wir ein schönes Wortspiel im Titel.

Musikzirkus-Magazin: Habt ihr vor, das Album komplett live aufzuführen?

Thomas: Nein, wir haben das alles noch nicht einstudiert, das Album ist erst vor einem Monat fertig geworden. Und dann kommt hinzu, dass unser Gitarrist ein Baby bekommen hat…

Jan: …oder besser gesagt seine Frau.

Musikzirkus-Magazin: Ach klar, das hätte ich als nächstes gefragt!

Thomas: So mussten wir sehr kurzfristig einen neuen Gitarristen engagieren und der kommt geradewegs aus der Ukraine. Er spielt noch mit sechs anderen Bands.

Jan: Wir nennen ihn Lord Flashart, weil er nicht nur ein begnadeter Gitarrist ist, sondern auch noch ein ausgebildeter Pyrotechniker.

Musikzirkus-Magazin: Wunderbar! Dann danken wir euch für dieses Gespräch. Auf der Loreley kann man also nicht nur nette Menschen treffen, sondern auch noch etwas über griechische Mythologie lernen!

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