Interview mit Frank Tischer
Per Email im Oktober 2024 geführt

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Der in Poppenhausen (Wasserkuppe) ansässige Frank Tischer (Musiker, Komponist, Songwriter, Arrangeur) gab am 27.09.2024 ein beeindruckendes Konzert als Solokünstler sowie zusammen mit Tommy Fischer als Sound On Purpose im Haus Eifgen in Wermelskirchen. Daneben sind in 2024 das Soloalbum „Impulse“ sowie das zweite Sound On Purpose-Album mit dem Titel „Voyage“ herausgekommen. Grund genug mal mehr über diese Ausnahmemusiker zu erfahren. Aus diesem Grund führte Stephan Schelle ein Interview mit Frank Tischer.

Frank, wenn man auf deine Vita schaut, dann kommt man aus dem Staunen nicht heraus, denn du hast zahlreiche Projekte am Start. Angefangen hat alles im Alter von zwölf Jahren, als du eine klassische Klavierausbildung bekommen hast. Haben dich deine Eltern dazu gebracht oder wolltest du selbst eine derartige Ausbildung genießen?

Mich hat Musik schon als Kind fasziniert. Wenn meine älteren Schwestern zu Hause Schallplatten gehört haben, war ich immer ganz Ohr und wenn unsere Eltern abends mal weg waren durfte ich manchmal DISCO, Musikladen oder die ZDF Hitparade mitgucken. Das habe ich dann tagsüber nachgespielt, habe aus Waschmitteltrommeln und Kochtopfdeckel ein Schlagzeug gebaut, aus Pappe eine Gitarre ausgeschnitten und mit Filzstift Saiten und Schallloch draufgemalt und dann, zu z.B. „Love Is Like Oxygene“ in meinem Kopf, durch die Wohnung getobt, oder habe mit dem Lockenstab meiner Schwester Sänger gespielt. Das ging gut! Mit dem Stromkabel welches am Griff rauskam sah das Ding aus wie ein Mikrofon bei Ilja Richter.

Irgendwann kam der obligatorische Flötenunterricht, was mir zwar dann die ersten kleinen Auftritte eingebracht hatte, mir aber bald zu langweilig wurde. Dann haben meine Eltern mir ein gebrauchtes Klavier gekauft und mir Klavierunterricht an der städtischen Musikschule ermöglicht. Auch der klassische Klavierunterricht wurde mir nach 5 Jahren zu langweilig, weil ich mittlerweile Rock´n´Roll und Kraftwerk, Tangerine Dream und Klaus Schulze entdeckt hatte. Aber so fing alles an.

Danach hast du dich autodidaktisch am Klavier in den Richtungen Blues, Jazz und Rock weiterentwickelt. Wie kam es dazu und was sind deine musikalischen Wurzeln?

Meine musikalischen Wurzeln und erste Gehversuche, sind Beatles und Blues und Rock´n´Roll. Das konnte ich in den ersten Schülerbands, so in Klasse 5 und 6, spielen und im Gegensatz zu den anderen auch schon etwas improvisieren. So wurden bei Schulvorspielabenden auch ältere Schüler auf mich aufmerksam (also Jahrgangsstufe 10 aufwärts). So konnte ich auch mit den „Großen“ spielen und lernte Chuck Berry, aber auch AC/DC und Motörhead kennen. Mit meinen Rock´n´Roll- und Blues-Kenntnissen am Klavier konnte ich da ganz gut mithalten. Für mich damals, neue Musik und Klänge zu entdecken die ich nie zuvor gehört hatte, war unglaublich spannend und faszinierend. Dazu gehörte neben Beatles & Co auch die elektronische Musik. Mein damaliger Musiklehrer, Herr Rehm, bemerkte meine Faszination, sogar für Stockhausen. Er lieh mir Schallplatten von Tangerine Dream, Kraftwerk und Klaus Schulze, die ich zu Hause auf Kassetten überspielte und zur „Freude“ meiner Eltern jeden Tag rauf und runter dudelte.

Es gibt so Momente, in denen man Entdeckungen macht, die einem neue Türen öffnen. Die die eigene Klangwelt sprengen, erweitern und motivieren, selber zu experimentieren. Das sind magische Momente, die sich nie wieder wiederholen. Denn wenn du z.B. zum ersten Mal eine verzerrte Gitarre gehört hast, oder einen Moog, dann sind diese Sounds bei der nächsten Platte nicht mehr neu. Selbst wenn die Musik eine andere, härter, schneller, psychedelischer oder wer weiß was ist.

Es folgte eine autodidaktische Weiterbildung im Bereich der Elektronikmusik mit Synthesizern und Modularsystemen. Was brachte dich dazu in diese Richtung zu gehen?

Letzten Endes mein Musiklehrer auf dem Gymnasium, Herr Rehm. Die Schallplatten, die er mir lieh, haben für mich die Türe zur Elektronik geöffnet, die sich seit dem auch nie wieder geschlossen hat. Parallel habe ich damals Science Fiction-Bücher verschlungen. Erst Perry Rhodan, dann Literatur von Arthur C Clarke, Stanislaw Lem, Robert A. Heinlein oder Isaac Asimov. Diese Welten passten perfekt zu der elektronischen Musik – oder umgekehrt. Ich habe mich aber erst spät getraut, meiner Leidenschaft für elektronische Musik auch live zu frönen. Da war ich schon gut 20, 25 als Keyboarder in Europa unterwegs, aber eben als Blues-, Rock-, Progressive-Keyboarder.

Auslöser war wiederum eine Entdeckung: Ich bekam die Gelegenheit, in einer leerstehenden Radarkuppel aus dem kalten Krieg musikalisch arbeiten zu können: das Radom, auf der Wasserkuppe. Sie zählt zu den größten Radarkuppeln Deutschlands, wenn nicht sogar über die Grenzen Deutschlands hinaus. Dadurch dass die Kuppel beinahe kugelrund ist herrscht da drinnen eine Akustik, die alles übertrifft, was ich zuvor gehört hatte. Der Schall reflektiert in 360 Grad um den Zuhörer herum. Man befindet sich so zusagen im Zentrum der Musik. Da wusste ich, wo ich meine elektronische Musik, die ich bisher nur im Studio und als Aufnahmen gemacht hatte, live aufführen möchte.

Ich werde manchmal belächelt, wenn ich bei Festivals ankomme, oder wenn schon Zuschauer im Radom sind, während ich noch aufbaue, wenn die sehen, was ich da so alles mitschleppe. Klar, man kann heute mit einem Laptop ankommen, mit Software und virtuellen Synthies usw. und schon viel Sound machen. Aber mich interessiert die Basis, die Quelle. Ich war schon immer ein Verfechter des Analogen. Und die analoge Klangerzeugung ist für mich persönlich die schönste. Daher auch Modularkoffer, E-Pianos und Synthesizer, die ich bei meinen Konzerten aufbaue. (Und bei der Gelegenheit: Ja, die Schallplatte ist der beste Tonträger :-)

Du bist musikalisch unglaublich vielfältig unterwegs wie zum Beispiel mit der Miller Anderson Band, der Hamburg Blues Band oder Sound On Purpose. Erzähl doch bitte etwas über deine Projekte und Bandmitgliedschaften.

Der Anfang davon war ein Tonstudio, welches ein Freund von mir, der Musiker und ein begnadeter und kreativer Tontechniker ist, und ich zusammen aufgebaut und geführt hatten. Man kann sagen 80% von dem, was ich in Sachen Studioproduktionen gelernt habe, habe ich von ihm gelernt – vor allem Dinge die man an Unis oder Hochschulen nicht lernt. Wir haben zusammen unser Studio „Rhön Records“ getauft und er hat z.B. die EDGUY und die ersten Avantasia-Alben, Mani Neumeier´s Bali-Album, oder das Ashra Temple Live-Album in Japan gemacht. Bei uns gingen zeitweise bekannte Musiker ein und aus.

Immer wenn das Burg Herzberg Festival vor der Tür stand, konnten die Bands bei uns proben, so haben wir viele Leute kennen gelernt. So kamen Kontakte zustande zu Miller Anderson oder der Hamburg Blues Band. Diese führten dann zu neuen Kontakten, die mich dann z.B. zu der Spencer Davis Group, Arthur Brown, Chris Farlowe oder Clem Clempson gebracht haben. Der Blues und Rock hat mich nie losgelassen so dass ich mich immer wieder freue, wenn ich mit diesen Musiker auf Festivals spielen oder auf Tournee gehen kann. Und danach freue ich mich dann aber auch schon wieder auf meine elektronischen Konzerte. Ich mochte mich in Sachen Musik noch nie gerne festlegen, weil ich Musik als Ganzes liebe. Leute wollen einen gerne in Schubladen stecken und wundern sich dann manchmal, wenn man noch mehr kann und macht, als das was auf der Schublade draufsteht. Ich liebe z.B. die Musik von Johann Sebastian Bach, von Klaus Schulze, von Camel und Jethro Tull und manchmal muss es auch AC/DC sein (mit dem alten Sänger). Für was soll ich mich denn da entscheiden, ohne durchzudrehen?

Wenn man auf deiner Homepage sich deine Konzertaktivitäten anschaut, dann ist das ja schon ein zeitaufwendiger Job, vor allem wenn man bedenkt, dass du in unterschiedlichen Musikrichtungen unterwegs bist. Wie bekommst du das alles unter einen Hut?

Alle organisatorischen Fäden laufen bei mir zusammen, ich manage mich selbst. Das hat Nachteile, aber auch Vorteile. So habe ich den kompletten Überblick darüber, was am Laufen ist und um was sich gekümmert werden muss. Das ist natürlich sehr zeitaufwändig, aber ich kann sowieso nicht um 17:00 Feierabend machen und aufhören ein Musiker zu sein. Ich empfinde das eigentlich auch nicht als negativen Stress, weil ich es gerne mache. Aber manchmal wünsche ich mir schon, diesen Bereich abgeben zu können, um einfach mehr Zeit zu haben. Gesundheit und Zeit-zu-haben sind für mich die kostbarsten Dinge geworden.

Eine Besonderheit sind die von dir oben schon angesprochenen Konzerte im Radom auf der Wasserkuppe. Wie schwierig ist es in dieser wabenförmigen Location deine Musik zu spielen und wie bindest du die Echos, die von den Decken widerhallen in deine Livemusik ein?

Es ist in der Tat nicht einfach. Als ich 2007 zum ersten Mal in die Kuppel durfte, habe ich teile meines Studios und Instrumentariums in die Kuppel verfrachtet und aufgebaut und eine Woche lang die Kuppel und ihre Akustik studiert. Man muss sie verstehen, denn man kann nicht ohne oder gegen die Kuppel Musik machen. Ich musste z.B. lernen, welche Tempi funktionieren und welche nicht. Liegt das Tempo 3 oder 4 Beats drüber oder drunter machen die Reflexionen alles platt. Wobei man da auch immer vermitteln muss, weil die Kuppel eben doch keine geometrisch reine Kugel ist. Das ist z.B. bei Live-Aufnahmen interessant, weil es tatsächlich einen großen Unterschied macht, ob ein Raummikrofon 10 cm weiter links, rechts, vorne oder hinten steht. Auch kann man nicht einfach sound-mäßig loslegen. Manche Frequenzen funktionieren, manche werden „geschluckt“ manche bauen sich auf und machen wieder alles platt.

Die Leute denken oft, dass ich mit viel Echos und Hall arbeite (z.B. bei Sequenzen) aber das stimmt nicht. Das ist die Kuppel. Ich kann 1 Meter von dir entfernt stehen, sprechen und du verstehst kein Wort. Wenn ich aber an der einen Seite mit Gesicht zur Wand flüstere, und du in 20 Meter Entfernung auf der anderen Seite stehst, mit Gesicht zur Wand, denkst du ich stehe genau neben dir.

Auch spielt die Natur mit. Bei Wind rauscht es in der Kuppel, wenn es regnet klingt es wie eine Meeresbrandung, bei entferntem Gewitter fängt die Kuppel an zu dröhnen. Sie ist halt ein riesiger Schallkörper. Manchmal fängt sich sogar der Funk der Flieger im Blitzableiter Kabel ein. Es ist völlig abgefahren. Und das, was 2007 eine einmalige Aktion sein sollte, mache ich bis heute. Von Mai bis September, jeweils an einem Sonntag 2 Konzerte, eines im Dunkeln und eines mit Farblichtspielen und ich in 12.1-Surround Tontechnik. Alle Infos und Tickets gibt es hier:

www.galaxos.de


Live im Planetarium Jena

In 2023 warst du mit Sound On Purpose auf dem Burg Herzberg Festival. Was bedeutet für dich so ein Auftritt und wie war die Resonanz des Publikums?

Auf Burg Herzberg spielen zu können ist immer ein Highlight. Wir hatten 2023 das Pech, dass wir im strömenden Regen, nachts um 23:30 spielten. Aber das Herzbergpublikum hält das nicht ab. Herzberg ist einfach der Hammer. Die Menschen haben im Regen getanzt. Es war toll. Ich liebe es dort spielen zu können und stand seit Ende der 80er Jahre auch schon oft dort auf der Main Stage und Freak Stage, mit verschiedenen Produktionen. Ein herausragendes Erlebnis war das geplante Top Act Konzert „Hardin & York“. Hardin wurde kurz vorher krank, da rief Pete York den Miller an und sagte „wir müssen übermorgen Abend auf Herzberg spielen, aber Hardin ist krank, hast du Zeit und eine Idee?“ Miller sagte „Ja. Ich rufe noch Frank, meinen Keyboarder an“ Pete sagte ok und dass er noch Helge Schneider anruft, dann improvisieren wir einfach 2 Stunden.

1 ½ Stunden vor Konzertbeginn sind wir auf Burg Herzberg eingetrudelt, Miller nahm einen Zettel und wir schrieben ein paar Titel auf, die wir alle kennen und dann ging es schon auf die Bühne zum Aufbau. Pete hat getrommelt und gesungen, Miller Gitarre gespielt und gesungen, ich habe E-Piano und Orgel gespielt und Helge die Hammond Orgel. Vor jedem Stück habe ich mit Handzeichen Helge die Tonart signalisiert. Das war ein denkwürdiges Konzert, weil spontan und damit 100% emotional und lässt sich so auch nie wieder wiederholen.

Du trittst sowohl in kleinen Locations wie auch auf großen Festivals auf. Was magst du am liebsten?

Oftmals denkt man, dass die großen Festivals das Nonplusultra sind. Und ja, gerade bei gutem Wetter und wenn die Stimmung passt, sind Festivals etwas Wunderbares. Ich liebe Open-Air-Festivals, die meist positive Atmosphäre (gerade bei Retro- und Hippie-Festivals), die Gerüche an den verschiedenen Ständen, die Musik, die Leute - Ich laufe vorher gerne noch die Verkaufsstände ab und investiere meine halbe Gage in Dinge, die ich nicht wirklich mehr brauche, aber dann doch kaufe. So verfüge ich mittlerweile über kleine Sammlung von Buddhafiguren, indische Tücher, Räucherstäbchen und Batik-Shirts.

Aber Clubs und kleinere Locations deswegen geringer zu achten wäre falsch. Im Gegensatz zu Festivals liebe ich in den Clubs die unmittelbare Nähe zum Publikum. Es ist alles kleiner, manchmal auch enger, aber wenn der Abend gelingt, kann ein noch größeres Zusammengehörigkeitsgefühl entstehen als auf Festivals, wo zwischen Musiker und Publikum meist ein deutlicher Höhenunterschied und ein abgesperrter Bereich für Technik(er) und Security ist. Und natürlich haben In-Door-Events auch den Vorteil, vom Wetter unabhängig zu sein. Ich hatte auf Open-Air-Bühnen schon mehrmals Regenwasser auf Instrumenten, Kabel und Steckern. Eigentlich ein kleines Wunder, dass noch nie etwas passiert ist.

Wie ich gelesen habe bist du auch auf Kreuzfahrtschiffen als musikalischer Gast vertreten. Erzähl doch bitte etwas über diese Konzerte.

Diese Engagements passen so gar nicht zu dem Bild eines Rock- und Electronik-Keyboarders, aber es ist wie mein Musikgeschmack: mannigfaltig. Es ist von allen Engagements das Bequemste:
Vollpension und kein Reisestress. Ich muss nichts auf- oder abbauen, denn an den verschiedenen Spielorten an Board stehen jeweils Steinway-Flügel. Flüge, Hotel, An- und Abreise zu den Häfen werden bezahlt und organisiert. Als Pianist habe ich eine Einzelkabine und kann mich an Board frei bewegen und auch in die Restaurants gehen. Ich muss nur zu den Spielzeiten in der Bar und in der Lounge pünktlich, rasiert und im Anzug erscheinen.

Ich bin auch in meiner Programmwahl frei. So komme ich auch mal dazu, z.B. alte Jazz- oder Folk/Pop/Rocksongs und eigene Klavierstücke zu spielen – natürlich alles loungig, cool :-). Ab und zu mache ich auch kleine Shows zusammen mit Musikern der Board-Band. Das Einzige, wo es etwas langweilig werden kann, ist wenn man ein paar Tage auf See ist und nicht vom Schiff runterkommt. Aber dafür nehme ich mir Arbeit mit in meine Kabine, Arrangements die geschrieben oder geändert werden müssen, Noten für meine Klavierschüler usw. Tagsüber habe ich frei, gehe meistens von Board und erkunde die Umgebung. Im Mittelmeer ist es besonders schön, wenn wir z.B. vor den griechischen Inseln, oder den Balearen, Cote Azur oder Korsika ankern. Dann nehme ich immer Badehose und Handtuch mit an Land und gehe im Meer schwimmen.

Ich mache meistens vier bis sechs Wochenverträge, d.h. weg vom alltäglichen Musiker- und Businesstrott. Ich weiß, Kreuzfahrten stehen in der Kritik und das auch nicht zu Unrecht. Ich weiß nicht, ob ich privat eine Kreuzfahrt machen würde, aber für mich als Ozeanpianist (so die offizielle Bezeichnung) ist es ein gut bezahlter Urlaub mit Vollpension. Ich muss noch nicht mal fahren, denn das 5 Sterne+ Hotel nimmt mich an wunderschöne Orte mit, an denen ich nur noch aussteigen muss. Und obendrein kann ich Musik machen.

Du warst auch musikalischer Direktor bei den Theaterproduktionen (des Marianums / Fulda) „Andorra“ und „Draußen vor der Tür“ in Fulda und Wien. Wie kam es dazu und wie muss man sich diese Arbeit und das Ergebnis vorstellen.

Das war in meiner Endphase als Schüler auf Gymnasium und dann Fachoberschule. Ein Freund von mir leitet eine Theater-AG. Er fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, die Musik dafür zu schreiben, zu produzieren und als Tontechnischer Leiter die Aufführungen zu begleiten. Meine Aufgabe vor Ort war dann, die Tontechnik zu machen und Musik und Geräusche einzuspielen. Damals war ich erst 18 Jahre alt. Für mich waren das schöne Erlebnisse, auch mal im Ausland arbeiten zu können, auch wenn nicht auf der Bühne sondern am FOH.

Du produzierst auch andere Musiker in deinem Brücken Ton Studio?

Mein Studio-Freund und ich sind irgendwann getrennte Wege gegangen, weil unser Rhön Records-Studio zwar nicht klein war, aber nur eine Regie hatte. Es kann ja immer nur eine Person am Pult sitzen und arbeiten. So kam es dann immer öfters zu Terminüberschneidungen, wenn wir jeweils Band-Anfragen hatten. Wir haben uns dann im Guten getrennt. Ich habe mein kleines „Brücken Ton Studio“ gegründet. Das hat aber nicht die räumlichen Möglichkeiten wie das alte Studio. Ich habe aus der Not eine Tugend gemacht und meine Studiotechnik immer auch mobilfähig gehalten und so biete ich den Künstlern an, dass sie nicht zu mir kommen müssen, sondern dass ich mit meinem Studio zu ihnen vor Ort komme. Das hat für die Bands den Vorteil, dass sie in gewohnter Umgebung (vor allem auch in Sachen Akustik) arbeiten können. Manchmal wird auch ein Raum oder ein Saal angemietet. Aber der überwiegende Teil meiner Studionutzung ist für eigene Musik oder Auftragsarbeiten, wie z.B. Klanginstallationen.

Du kannst auch auf eine unglaubliche Anzahl von Veröffentlichungen zurückblicken. Was ist beispielsweise der Unterscheid bei deinen Soloproduktionen zu den Veröffentlichungen deines Projektes Sound On Purpose, bei dem du ja auch alle Stücke komponierst?

Heute kann ich bei Sound on Purpose „den alten Rocker“ mehr ausleben. Bei meinen Solo Performances mehr den Elektroniker. Frühere Band- und Soloproduktionen waren damalige Bandprojekte von mir, mit denen ich den Musikstil gemacht habe, in dem ich damals „gelebt habe“.

    
Live im Haus Eifgen 2024 - Solo und mit Sound On Purpose

Macht es für dich einen Unterschied Solotracks oder Musik für deine Projekte mit anderen Musikern zu komponieren? Oder erkennst du beim Komponieren, für welches Projekt ein Stück geeignet ist?

Ich spiele sehr gerne in Formationen. Wenn es läuft und jeder sich gut hört, kann eine wundervolle Bühnenenergie des gemeinsamen Musizierens entstehen. Aber Solo Performances haben auch ihre schönen Momente und auch Vorteile. Ich erinnere mich, mal ein Interview mit Klaus Schulze gelesen zu haben, in dem er gefragt wurde, warum er bei Ash Ra oder TD aufgehört hat? Er antwortete – sinngemäß – dass er die Freiheit eines Solisten liebt, Musik, Termine oder Pläne nicht erst mit einer Gruppe durchdiskutieren zu müssen, sondern man kann einfach machen. Sobald nur ein Mitglied einer Gruppe sich quer stellt – warum auch immer – oder einfach nur andere Pläne hat, ist das ganze Gruppenprojekt gefährdet. Das war er irgendwann leid und das kann ich nachvollziehen.

Wenn ein neuer Titel entsteht, zeichnet sich währenddessen schnell ab, ob das Stück solo funktioniert oder ein Live-Schlagzeug braucht. Das hängt von dem treibenden musikalischen Element ab. Manchmal ist eine Sequenz plus modular-beat genau richtig für das Stück, manchmal muss es ein Rock-Drum sein. Außerdem singe ich bei Sound on Purpose auch Songs von mir, was ich als Solist nicht mache. Als Solist bleibe ich in meiner instrumentalen, elektronischen Welt.

Du hast beispielsweise mit den Stücken „Cosmic1“ und „Nacht der Perseiden“ Tracks mit Sound On Purpose neu eingespielt, die sich bereits auf deinem Soloalbum „Mirage“ befanden. Was war der Grund für diese Neueinspielungen?

Man könnte sagen, das sind beides Zwittersongs. Sie funktionieren sowohl rein elektronisch als auch mit Rockband. Unser Debut Album „Cosmic Tales“ war ursprünglich als ein spezielles Album von mir gedacht, in denen ich Stücke meiner früheren Alben neu arrangiere und sie zusammen mit Gastmusikern eingespielt habe. Man könnte sagen, so etwas wie ein Musiker Portrait. Eigentlich sollte es damit gewesen sein, aber es hat uns so viel Spaß gemacht – gerade auch als die ersten Live-Auftritte kamen – dass ich anfing, speziell für dieses Trio Stücke und Songs zu schreiben. Ich habe „Cosmic1“ und „Nacht der Perseiden“ bis heute im Programm, sowohl bei Solokonzerten als auch mit Sound on Purpose.

Deine Soloplatten und -konzerte sind grandios und haben mich wirklich sehr beeindruckt. Warum glaubst du, bist du in der Szene noch nicht bekannter geworden?

Das ist eine gute Frage. Ich kann sagen, dort wo ich die Gelegenheit habe, ein Konzert zu geben, gehen eigentlich immer neue Türen auf. Das Problem ist die Akquise. Mir fehlt einfach die Zeit, um mich voll dahinter klemmen zu können. Nach Corona ist das Musikbusiness zwar wieder gut angelaufen, aber irgendwie bleibt weniger Zeit zum kreativ sein übrig als vor Corona, geschweige denn Zeit um sich um ein Booking zu kümmern. Dann bin ich auch nicht so fleißig in Social Media. Ich denke, ich betreue meine Facebook-Seite ganz gut, aber mit Facebook gehöre ich ja in der Social Media-Welt schon zum alten Eisen. Das Virtuelle ist aber auch nicht so mein Ding. Wenn ich Musik hören möchte, lege ich am liebsten eine Schallplatte auf, wenn ich lesen will, kaufe oder bestelle ich bei uns im Buchgeschäft ein Buch und wenn ich Musik machen möchte, schalte ich meine Instrumente an. Ich bin halt Old School.

Die bist gerade dabei ein neues Soloalbum zu produzieren, auf dem du Musik im Stile der "Berliner Schule" präsentieren wirst. Welchen Einfluss hatten Tangerine Dream und Klaus Schulze auf dich und deine Musik und was wird die Elektronikfreunde auf dem neuen Album erwarten?

Der Einfluss ist natürlich stark. TD und KS sind meine Elektronik-Heros seit Jugendtagen. Die Idee zu diesem Album ist durch Anregung meines Publikums der Radom-Konzerte entstanden. Wenn ich dort einmal pro Monat spiele, gebe ich immer zwei Konzerte. Das Zweite ist mit 12-Kanal-Surround-Sound und Farblichtspielen. Das erste ist genau das Gegenteil, im Dunkeln und ohne Surround-Effekte. Da klingt nur die Akustik der Kuppel. Die Radarkuppel besteht aus lauter Vielecken. Sieht von Außen aus wie ein riesiger Golfball. An jeder der 5- und 6-Ecken ist immer ein kleines Loch, damit sich die Platten bei Wärme ausdehnen können. Diese Löcher sind mit einem glasartigen Silikon abgedichtet. Wenn ich in der Kuppel dann das Licht ausschalte, dringt das Sonnenlicht durch hunderte von „Löchern“ ins Innere. Das gibt den Menschen das Gefühl, von Sternen umgeben zu sein, sich im Universum zu befinden. Die Musik dieser Konzerte im Dunklen ist ruhig, sphärisch, spacige Synthie-Flächen, Sequenzen a la „Berliner Schule“, manchmal ein bisschen Klavier und vor allem ohne Beats. Oft werde ich nach den Konzerten nach einem solchen Album gefragt. Deswegen habe ich mich entschlossen, als nächstes ein ruhiges Album zum „Sterne-Gucken“ zu machen. Natürlich gibt es auch Passagen die dynamischer sind, aber ein gelegentlicher Rhythmus ist nur von Sequenzen getragen, keine Drum-Maschine oder Schlagzeuger.

Ich denke, dass in diesem Album meine Vorliebe zu Musik von KS und TD der 70er Jahre am deutlichsten herauszuhören sein wird. Das ist zwar nicht geplant, lässt sich aber auch nicht vermeiden, denn dieser Musikstil wurde ja bereits vor 50 Jahren erfunden.

Stephan Schelle

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