Der in
Poppenhausen (Wasserkuppe) ansässige Frank Tischer (Musiker, Komponist,
Songwriter, Arrangeur) gab am 27.09.2024 ein beeindruckendes Konzert als
Solokünstler sowie zusammen mit Tommy Fischer als Sound On Purpose im
Haus Eifgen in Wermelskirchen. Daneben sind in 2024 das Soloalbum
„Impulse“ sowie das zweite Sound On Purpose-Album mit dem Titel
„Voyage“ herausgekommen. Grund genug mal mehr über diese
Ausnahmemusiker zu erfahren. Aus diesem Grund führte Stephan Schelle
ein Interview mit Frank Tischer.
Frank,
wenn man auf deine Vita schaut, dann kommt man aus dem Staunen nicht
heraus, denn du hast zahlreiche Projekte am Start. Angefangen hat alles
im Alter von zwölf Jahren, als du eine klassische Klavierausbildung
bekommen hast. Haben dich deine Eltern dazu gebracht oder wolltest du
selbst eine derartige Ausbildung genießen?
Mich
hat Musik schon als Kind fasziniert. Wenn meine älteren Schwestern zu
Hause Schallplatten gehört haben, war ich immer ganz Ohr und wenn
unsere Eltern abends mal weg waren durfte ich manchmal DISCO, Musikladen
oder die ZDF Hitparade mitgucken. Das habe ich dann tagsüber
nachgespielt, habe aus Waschmitteltrommeln und Kochtopfdeckel ein
Schlagzeug gebaut, aus Pappe eine Gitarre ausgeschnitten und mit
Filzstift Saiten und Schallloch draufgemalt und dann, zu z.B. „Love Is
Like Oxygene“ in meinem Kopf, durch die Wohnung getobt, oder habe mit
dem Lockenstab meiner Schwester Sänger gespielt. Das ging gut! Mit dem
Stromkabel welches am Griff rauskam sah das Ding aus wie ein Mikrofon
bei Ilja Richter.
Irgendwann
kam der obligatorische Flötenunterricht, was mir zwar dann die ersten
kleinen Auftritte eingebracht hatte, mir aber bald zu langweilig wurde.
Dann haben meine Eltern mir ein gebrauchtes Klavier gekauft und mir
Klavierunterricht an der städtischen Musikschule ermöglicht. Auch der
klassische Klavierunterricht wurde mir nach 5 Jahren zu langweilig, weil
ich mittlerweile Rock´n´Roll und Kraftwerk, Tangerine Dream und Klaus
Schulze entdeckt hatte. Aber so fing alles an.
Danach
hast du dich autodidaktisch am Klavier in den Richtungen Blues, Jazz und
Rock weiterentwickelt. Wie kam es dazu und was sind deine musikalischen
Wurzeln?
Meine
musikalischen Wurzeln und erste Gehversuche, sind Beatles und Blues und
Rock´n´Roll. Das konnte ich in den ersten Schülerbands, so in Klasse
5 und 6, spielen und im Gegensatz zu den anderen auch schon etwas
improvisieren. So wurden bei Schulvorspielabenden auch ältere Schüler
auf mich aufmerksam (also Jahrgangsstufe 10 aufwärts). So konnte ich
auch mit den „Großen“ spielen und lernte Chuck Berry, aber auch
AC/DC und Motörhead kennen. Mit meinen Rock´n´Roll- und
Blues-Kenntnissen am Klavier konnte ich da ganz gut mithalten. Für mich
damals, neue Musik und Klänge zu entdecken die ich nie zuvor gehört
hatte, war unglaublich spannend und faszinierend. Dazu gehörte neben
Beatles & Co auch die elektronische Musik. Mein damaliger
Musiklehrer, Herr Rehm, bemerkte meine Faszination, sogar für
Stockhausen. Er lieh mir Schallplatten von Tangerine Dream, Kraftwerk
und Klaus Schulze, die ich zu Hause auf Kassetten überspielte und zur
„Freude“ meiner Eltern jeden Tag rauf und runter dudelte.
Es
gibt so Momente, in denen man Entdeckungen macht, die einem neue Türen
öffnen. Die die eigene Klangwelt sprengen, erweitern und motivieren,
selber zu experimentieren. Das sind magische Momente, die sich nie
wieder wiederholen. Denn wenn du z.B. zum ersten Mal eine verzerrte
Gitarre gehört hast, oder einen Moog, dann sind diese Sounds bei der nächsten
Platte nicht mehr neu. Selbst wenn die Musik eine andere, härter,
schneller, psychedelischer oder wer weiß was ist.
Es
folgte eine autodidaktische Weiterbildung im Bereich der Elektronikmusik
mit Synthesizern und Modularsystemen. Was brachte dich dazu in diese
Richtung zu gehen?
Letzten
Endes mein Musiklehrer auf dem Gymnasium, Herr Rehm. Die Schallplatten,
die er mir lieh, haben für mich die Türe zur Elektronik geöffnet, die
sich seit dem auch nie wieder geschlossen hat. Parallel habe ich damals
Science Fiction-Bücher verschlungen. Erst Perry Rhodan, dann Literatur
von Arthur C Clarke, Stanislaw Lem, Robert A. Heinlein oder Isaac
Asimov. Diese Welten passten perfekt zu der elektronischen Musik –
oder umgekehrt. Ich habe mich aber erst spät getraut, meiner
Leidenschaft für elektronische Musik auch live zu frönen. Da war ich
schon gut 20, 25 als Keyboarder in Europa unterwegs, aber eben als
Blues-, Rock-, Progressive-Keyboarder.
Auslöser
war wiederum eine Entdeckung: Ich bekam die Gelegenheit, in einer
leerstehenden Radarkuppel aus dem kalten Krieg musikalisch arbeiten zu können:
das Radom, auf der Wasserkuppe. Sie zählt zu den größten Radarkuppeln
Deutschlands, wenn nicht sogar über die Grenzen Deutschlands hinaus.
Dadurch dass die Kuppel beinahe kugelrund ist herrscht da drinnen eine
Akustik, die alles übertrifft, was ich zuvor gehört hatte. Der Schall
reflektiert in 360 Grad um den Zuhörer herum. Man befindet sich so
zusagen im Zentrum der Musik. Da wusste ich, wo ich meine elektronische
Musik, die ich bisher nur im Studio und als Aufnahmen gemacht hatte,
live aufführen möchte.
Ich
werde manchmal belächelt, wenn ich bei Festivals ankomme, oder wenn
schon Zuschauer im Radom sind, während ich noch aufbaue, wenn die
sehen, was ich da so alles mitschleppe. Klar, man kann heute mit einem
Laptop ankommen, mit Software und virtuellen Synthies usw. und schon
viel Sound machen. Aber mich interessiert die Basis, die Quelle. Ich war
schon immer ein Verfechter des Analogen. Und die analoge Klangerzeugung
ist für mich persönlich die schönste. Daher auch Modularkoffer,
E-Pianos und Synthesizer, die ich bei meinen Konzerten aufbaue. (Und bei
der Gelegenheit: Ja, die Schallplatte ist der beste Tonträger :-)
Du
bist musikalisch unglaublich vielfältig unterwegs wie zum Beispiel mit
der Miller Anderson Band, der Hamburg Blues Band oder Sound On Purpose.
Erzähl doch bitte etwas über deine Projekte und Bandmitgliedschaften.
Der
Anfang davon war ein Tonstudio, welches ein Freund von mir, der Musiker
und ein begnadeter und kreativer Tontechniker ist, und ich zusammen
aufgebaut und geführt hatten. Man kann sagen 80% von dem, was ich in
Sachen Studioproduktionen gelernt habe, habe ich von ihm gelernt – vor
allem Dinge die man an Unis oder Hochschulen nicht lernt. Wir haben
zusammen unser Studio „Rhön Records“ getauft und er hat z.B. die
EDGUY und die ersten Avantasia-Alben, Mani Neumeier´s Bali-Album, oder
das Ashra Temple Live-Album in Japan gemacht. Bei uns gingen zeitweise
bekannte Musiker ein und aus.
Immer
wenn das Burg Herzberg Festival vor der Tür stand, konnten die Bands
bei uns proben, so haben wir viele Leute kennen gelernt. So kamen
Kontakte zustande zu Miller Anderson oder der Hamburg Blues Band. Diese
führten dann zu neuen Kontakten, die mich dann z.B. zu der Spencer
Davis Group, Arthur Brown, Chris Farlowe oder Clem Clempson gebracht
haben. Der Blues und Rock hat mich nie losgelassen so dass ich mich
immer wieder freue, wenn ich mit diesen Musiker auf Festivals spielen
oder auf Tournee gehen kann. Und danach freue ich mich dann aber auch
schon wieder auf meine elektronischen Konzerte. Ich mochte mich in
Sachen Musik noch nie gerne festlegen, weil ich Musik als Ganzes liebe.
Leute wollen einen gerne in Schubladen stecken und wundern sich dann
manchmal, wenn man noch mehr kann und macht, als das was auf der
Schublade draufsteht. Ich liebe z.B. die Musik von Johann Sebastian
Bach, von Klaus Schulze, von Camel und Jethro Tull und manchmal muss es
auch AC/DC sein (mit dem alten Sänger). Für was soll ich mich denn da
entscheiden, ohne durchzudrehen?
Wenn
man auf deiner Homepage sich deine Konzertaktivitäten anschaut, dann
ist das ja schon ein zeitaufwendiger Job, vor allem wenn man bedenkt,
dass du in unterschiedlichen Musikrichtungen unterwegs bist. Wie
bekommst du das alles unter einen Hut?
Alle
organisatorischen Fäden laufen bei mir zusammen, ich manage mich
selbst. Das hat Nachteile, aber auch Vorteile. So habe ich den
kompletten Überblick darüber, was am Laufen ist und um was sich gekümmert
werden muss. Das ist natürlich sehr zeitaufwändig, aber ich kann
sowieso nicht um 17:00 Feierabend machen und aufhören ein Musiker zu
sein. Ich empfinde das eigentlich auch nicht als negativen Stress, weil
ich es gerne mache. Aber manchmal wünsche ich mir schon, diesen Bereich
abgeben zu können, um einfach mehr Zeit zu haben. Gesundheit und
Zeit-zu-haben sind für mich die kostbarsten Dinge geworden.
Eine
Besonderheit sind die von dir oben schon angesprochenen Konzerte im
Radom auf der Wasserkuppe. Wie schwierig ist es in dieser wabenförmigen
Location deine Musik zu spielen und wie bindest du die Echos, die von
den Decken widerhallen in deine Livemusik ein?
Es
ist in der Tat nicht einfach. Als ich 2007 zum ersten Mal in die Kuppel
durfte, habe ich teile meines Studios und Instrumentariums in die Kuppel
verfrachtet und aufgebaut und eine Woche lang die Kuppel und ihre
Akustik studiert. Man muss sie verstehen, denn man kann nicht ohne oder
gegen die Kuppel Musik machen. Ich musste z.B. lernen, welche Tempi
funktionieren und welche nicht. Liegt das Tempo 3 oder 4 Beats drüber
oder drunter machen die Reflexionen alles platt. Wobei man da auch immer
vermitteln muss, weil die Kuppel eben doch keine geometrisch reine Kugel
ist. Das ist z.B. bei Live-Aufnahmen interessant, weil es tatsächlich
einen großen Unterschied macht, ob ein Raummikrofon 10 cm weiter links,
rechts, vorne oder hinten steht. Auch kann man nicht einfach sound-mäßig
loslegen. Manche Frequenzen funktionieren, manche werden
„geschluckt“ manche bauen sich auf und machen wieder alles platt.
Die
Leute denken oft, dass ich mit viel Echos und Hall arbeite (z.B. bei
Sequenzen) aber das stimmt nicht. Das ist die Kuppel. Ich kann 1 Meter
von dir entfernt stehen, sprechen und du verstehst kein Wort. Wenn ich
aber an der einen Seite mit Gesicht zur Wand flüstere, und du in 20
Meter Entfernung auf der anderen Seite stehst, mit Gesicht zur Wand,
denkst du ich stehe genau neben dir.
Auch
spielt die Natur mit. Bei Wind rauscht es in der Kuppel, wenn es regnet
klingt es wie eine Meeresbrandung, bei entferntem Gewitter fängt die
Kuppel an zu dröhnen. Sie ist halt ein riesiger Schallkörper. Manchmal
fängt sich sogar der Funk der Flieger im Blitzableiter Kabel ein. Es
ist völlig abgefahren. Und das, was 2007 eine einmalige Aktion sein sollte,
mache ich bis heute. Von Mai bis September, jeweils an einem Sonntag 2
Konzerte, eines im Dunkeln und eines mit Farblichtspielen und ich in
12.1-Surround Tontechnik. Alle Infos und Tickets gibt es hier:
www.galaxos.de
Live
im Planetarium Jena
In
2023 warst du mit Sound On Purpose auf dem Burg Herzberg Festival. Was
bedeutet für dich so ein Auftritt und wie war die Resonanz des
Publikums?
Auf
Burg Herzberg spielen zu können ist immer ein Highlight. Wir hatten
2023 das Pech, dass wir im strömenden Regen, nachts um 23:30 spielten.
Aber das Herzbergpublikum hält das nicht ab. Herzberg ist einfach der
Hammer. Die Menschen haben im Regen getanzt. Es war toll. Ich liebe es
dort spielen zu können und stand seit Ende der 80er Jahre auch schon
oft dort auf der Main Stage und Freak Stage, mit verschiedenen
Produktionen. Ein herausragendes Erlebnis war das geplante Top Act
Konzert „Hardin & York“. Hardin wurde kurz vorher krank, da rief
Pete York den Miller an und sagte „wir müssen übermorgen Abend auf
Herzberg spielen, aber Hardin ist krank, hast du Zeit und eine Idee?“
Miller sagte „Ja. Ich rufe noch Frank, meinen Keyboarder an“ Pete
sagte ok und dass er noch Helge Schneider anruft, dann improvisieren wir
einfach 2 Stunden.
1
½ Stunden vor Konzertbeginn sind wir auf Burg Herzberg eingetrudelt,
Miller nahm einen Zettel und wir schrieben ein paar Titel auf, die wir
alle kennen und dann ging es schon auf die Bühne zum Aufbau. Pete hat
getrommelt und gesungen, Miller Gitarre gespielt und gesungen, ich habe
E-Piano und Orgel gespielt und Helge die Hammond Orgel. Vor jedem Stück
habe ich mit Handzeichen Helge die Tonart signalisiert. Das war ein
denkwürdiges Konzert, weil spontan und damit 100% emotional und lässt
sich so auch nie wieder wiederholen.
Du
trittst sowohl in kleinen Locations wie auch auf großen Festivals auf.
Was magst du am liebsten?
Oftmals
denkt man, dass die großen Festivals das Nonplusultra sind. Und ja,
gerade bei gutem Wetter und wenn die Stimmung passt, sind Festivals
etwas Wunderbares. Ich liebe Open-Air-Festivals, die meist positive
Atmosphäre (gerade bei Retro- und Hippie-Festivals), die Gerüche an
den verschiedenen Ständen, die Musik, die Leute - Ich laufe vorher
gerne noch die Verkaufsstände ab und investiere meine halbe Gage in
Dinge, die ich nicht wirklich mehr brauche, aber dann doch kaufe. So
verfüge ich mittlerweile über kleine Sammlung von Buddhafiguren,
indische Tücher, Räucherstäbchen und Batik-Shirts.
Aber
Clubs und kleinere Locations deswegen geringer zu achten wäre falsch.
Im Gegensatz zu Festivals liebe ich in den Clubs die unmittelbare Nähe
zum Publikum. Es ist alles kleiner, manchmal auch enger, aber wenn der
Abend gelingt, kann ein noch größeres Zusammengehörigkeitsgefühl
entstehen als auf Festivals, wo zwischen Musiker und Publikum meist ein
deutlicher Höhenunterschied und ein abgesperrter Bereich für
Technik(er) und Security ist. Und natürlich haben In-Door-Events auch
den Vorteil, vom Wetter unabhängig zu sein. Ich hatte auf Open-Air-Bühnen
schon mehrmals Regenwasser auf Instrumenten, Kabel und Steckern.
Eigentlich ein kleines Wunder, dass noch nie etwas passiert ist.
Wie
ich gelesen habe bist du auch auf Kreuzfahrtschiffen als musikalischer
Gast vertreten. Erzähl doch bitte etwas über diese Konzerte.
Diese
Engagements passen so gar nicht zu dem Bild eines Rock- und Electronik-Keyboarders, aber es ist wie mein Musikgeschmack: mannigfaltig. Es ist
von allen Engagements das Bequemste:
Vollpension und kein Reisestress. Ich muss nichts auf- oder abbauen,
denn an den verschiedenen Spielorten an Board stehen jeweils Steinway-Flügel.
Flüge, Hotel, An- und Abreise zu den Häfen werden bezahlt und
organisiert. Als Pianist habe ich eine Einzelkabine und kann mich an
Board frei bewegen und auch in die Restaurants gehen. Ich muss nur zu
den Spielzeiten in der Bar und in der Lounge pünktlich, rasiert und im
Anzug erscheinen.
Ich
bin auch in meiner Programmwahl frei. So komme ich auch mal dazu, z.B.
alte Jazz- oder Folk/Pop/Rocksongs und eigene Klavierstücke zu spielen
– natürlich alles loungig, cool :-). Ab und zu mache ich auch kleine
Shows zusammen mit Musikern der Board-Band. Das Einzige, wo es etwas
langweilig werden kann, ist wenn man ein paar Tage auf See ist und nicht
vom Schiff runterkommt. Aber dafür nehme ich mir Arbeit mit in meine
Kabine, Arrangements die geschrieben oder geändert werden müssen,
Noten für meine Klavierschüler usw. Tagsüber habe ich frei, gehe
meistens von Board und erkunde die Umgebung. Im Mittelmeer ist es
besonders schön, wenn wir z.B. vor den griechischen Inseln, oder den
Balearen, Cote Azur oder Korsika ankern. Dann nehme ich immer Badehose
und Handtuch mit an Land und gehe im Meer schwimmen.
Ich
mache meistens vier bis sechs Wochenverträge, d.h. weg vom alltäglichen
Musiker- und Businesstrott. Ich weiß, Kreuzfahrten stehen in der Kritik
und das auch nicht zu Unrecht. Ich weiß nicht, ob ich privat eine
Kreuzfahrt machen würde, aber für mich als Ozeanpianist (so die
offizielle Bezeichnung) ist es ein gut bezahlter Urlaub mit Vollpension.
Ich muss noch nicht mal fahren, denn das 5 Sterne+ Hotel nimmt mich an
wunderschöne Orte mit, an denen ich nur noch aussteigen muss. Und
obendrein kann ich Musik machen.
Du
warst auch musikalischer Direktor bei den Theaterproduktionen (des
Marianums / Fulda) „Andorra“ und „Draußen vor der Tür“ in
Fulda und Wien. Wie kam es dazu und wie muss man sich diese Arbeit und
das Ergebnis vorstellen.
Das
war in meiner Endphase als Schüler auf Gymnasium und dann
Fachoberschule. Ein Freund von mir leitet eine Theater-AG. Er fragte
mich, ob ich nicht Lust hätte, die Musik dafür zu schreiben, zu
produzieren und als Tontechnischer Leiter die Aufführungen zu
begleiten. Meine Aufgabe vor Ort war dann, die Tontechnik zu machen und
Musik und Geräusche einzuspielen. Damals war ich erst 18 Jahre alt. Für
mich waren das schöne Erlebnisse, auch mal im Ausland arbeiten zu können,
auch wenn nicht auf der Bühne sondern am FOH.
Du
produzierst auch andere Musiker in deinem Brücken Ton Studio?
Mein
Studio-Freund und ich sind irgendwann getrennte Wege gegangen, weil
unser Rhön Records-Studio zwar nicht klein war, aber nur eine Regie
hatte. Es kann ja immer nur eine Person am Pult sitzen und arbeiten. So
kam es dann immer öfters zu Terminüberschneidungen, wenn wir jeweils
Band-Anfragen hatten. Wir haben uns dann im Guten getrennt. Ich habe
mein kleines „Brücken Ton Studio“ gegründet. Das hat aber nicht
die räumlichen Möglichkeiten wie das alte Studio. Ich habe aus der Not
eine Tugend gemacht und meine Studiotechnik immer auch mobilfähig
gehalten und so biete ich den Künstlern an, dass sie nicht zu mir
kommen müssen, sondern dass ich mit meinem Studio zu ihnen vor Ort
komme. Das hat für die Bands den Vorteil, dass sie in gewohnter
Umgebung (vor allem auch in Sachen Akustik) arbeiten können. Manchmal
wird auch ein Raum oder ein Saal angemietet. Aber der überwiegende Teil
meiner Studionutzung ist für eigene Musik oder Auftragsarbeiten, wie
z.B. Klanginstallationen.
Du
kannst auch auf eine unglaubliche Anzahl von Veröffentlichungen zurückblicken.
Was ist beispielsweise der Unterscheid bei deinen Soloproduktionen zu
den Veröffentlichungen deines Projektes Sound On Purpose, bei dem du ja
auch alle Stücke komponierst?
Heute
kann ich bei Sound on Purpose „den alten Rocker“ mehr ausleben. Bei
meinen Solo Performances mehr den Elektroniker. Frühere Band- und
Soloproduktionen waren damalige Bandprojekte von mir, mit denen ich den
Musikstil gemacht habe, in dem ich damals „gelebt habe“.
Live
im Haus Eifgen 2024 - Solo und mit Sound On Purpose
Macht
es für dich einen Unterschied Solotracks oder Musik für deine Projekte
mit anderen Musikern zu komponieren? Oder erkennst du beim Komponieren,
für welches Projekt ein Stück geeignet ist?
Ich
spiele sehr gerne in Formationen. Wenn es läuft und jeder sich gut hört,
kann eine wundervolle Bühnenenergie des gemeinsamen Musizierens
entstehen. Aber Solo Performances haben auch ihre schönen Momente und
auch Vorteile. Ich erinnere mich, mal ein Interview mit Klaus Schulze
gelesen zu haben, in dem er gefragt wurde, warum er bei Ash Ra oder TD
aufgehört hat? Er antwortete – sinngemäß – dass er die Freiheit
eines Solisten liebt, Musik, Termine oder Pläne nicht erst mit einer
Gruppe durchdiskutieren zu müssen, sondern man kann einfach machen.
Sobald nur ein Mitglied einer Gruppe sich quer stellt – warum auch
immer – oder einfach nur andere Pläne hat, ist das ganze
Gruppenprojekt gefährdet. Das war er irgendwann leid und das kann ich
nachvollziehen.
Wenn
ein neuer Titel entsteht, zeichnet sich währenddessen schnell ab, ob
das Stück solo funktioniert oder ein Live-Schlagzeug braucht. Das hängt
von dem treibenden musikalischen Element ab. Manchmal ist eine Sequenz
plus modular-beat genau richtig für das Stück, manchmal muss es ein
Rock-Drum sein. Außerdem singe ich bei Sound on Purpose auch Songs von
mir, was ich als Solist nicht mache. Als Solist bleibe ich in meiner
instrumentalen, elektronischen Welt.
Du
hast beispielsweise mit den Stücken „Cosmic1“ und „Nacht der
Perseiden“ Tracks mit Sound On Purpose neu eingespielt, die sich
bereits auf deinem Soloalbum „Mirage“ befanden. Was war der Grund für
diese Neueinspielungen?
Man
könnte sagen, das sind beides Zwittersongs. Sie funktionieren sowohl
rein elektronisch als auch mit Rockband. Unser Debut Album „Cosmic
Tales“ war ursprünglich als ein spezielles Album von mir gedacht, in
denen ich Stücke meiner früheren Alben neu arrangiere und sie zusammen
mit Gastmusikern eingespielt habe. Man könnte sagen, so etwas wie ein
Musiker Portrait. Eigentlich sollte es damit gewesen sein, aber es hat
uns so viel Spaß gemacht – gerade auch als die ersten Live-Auftritte
kamen – dass ich anfing, speziell für dieses Trio Stücke und Songs
zu schreiben. Ich habe „Cosmic1“ und „Nacht der Perseiden“ bis
heute im Programm, sowohl bei Solokonzerten als auch mit Sound on
Purpose.
Deine
Soloplatten und -konzerte sind grandios und haben mich wirklich sehr
beeindruckt. Warum glaubst du, bist du in der Szene noch nicht bekannter
geworden?
Das
ist eine gute Frage. Ich kann sagen, dort wo ich die Gelegenheit habe,
ein Konzert zu geben, gehen eigentlich immer neue Türen auf. Das
Problem ist die Akquise. Mir fehlt einfach die Zeit, um mich voll
dahinter klemmen zu können. Nach Corona ist das Musikbusiness zwar
wieder gut angelaufen, aber irgendwie bleibt weniger Zeit zum kreativ
sein übrig als vor Corona, geschweige denn Zeit um sich um ein Booking
zu kümmern. Dann bin ich auch nicht so fleißig in Social Media. Ich
denke, ich betreue meine Facebook-Seite ganz gut, aber mit Facebook gehöre
ich ja in der Social Media-Welt schon zum alten Eisen. Das Virtuelle ist
aber auch nicht so mein Ding. Wenn ich Musik hören möchte, lege ich am
liebsten eine Schallplatte auf, wenn ich lesen will, kaufe oder bestelle
ich bei uns im Buchgeschäft ein Buch und wenn ich Musik machen möchte,
schalte ich meine Instrumente an. Ich bin halt Old School.
Die
bist gerade dabei ein neues Soloalbum zu produzieren, auf dem du Musik
im Stile der "Berliner Schule" präsentieren wirst. Welchen
Einfluss hatten Tangerine Dream und Klaus Schulze auf dich und deine
Musik und was wird die Elektronikfreunde auf dem neuen Album erwarten?
Der
Einfluss ist natürlich stark. TD und KS sind meine Elektronik-Heros
seit Jugendtagen. Die Idee zu diesem Album ist durch Anregung meines
Publikums der Radom-Konzerte entstanden. Wenn ich dort einmal pro Monat
spiele, gebe ich immer zwei Konzerte. Das Zweite ist mit
12-Kanal-Surround-Sound und Farblichtspielen. Das erste ist genau das
Gegenteil, im Dunkeln und ohne Surround-Effekte. Da klingt nur die
Akustik der Kuppel. Die Radarkuppel besteht aus lauter Vielecken. Sieht
von Außen aus wie ein riesiger Golfball. An jeder der 5- und 6-Ecken
ist immer ein kleines Loch, damit sich die Platten bei Wärme ausdehnen
können. Diese Löcher sind mit einem glasartigen Silikon abgedichtet.
Wenn ich in der Kuppel dann das Licht ausschalte, dringt das Sonnenlicht
durch hunderte von „Löchern“ ins Innere. Das gibt den Menschen das
Gefühl, von Sternen umgeben zu sein, sich im Universum zu befinden. Die
Musik dieser Konzerte im Dunklen ist ruhig, sphärisch, spacige
Synthie-Flächen, Sequenzen a la „Berliner Schule“, manchmal ein
bisschen Klavier und vor allem ohne Beats. Oft werde ich nach den
Konzerten nach einem solchen Album gefragt. Deswegen habe ich mich
entschlossen, als nächstes ein ruhiges Album zum „Sterne-Gucken“ zu
machen. Natürlich gibt es auch Passagen die dynamischer sind, aber ein
gelegentlicher Rhythmus ist nur von Sequenzen getragen, keine
Drum-Maschine oder Schlagzeuger.
Ich
denke, dass in diesem Album meine Vorliebe zu Musik von KS und TD der
70er Jahre am deutlichsten herauszuhören sein wird. Das ist zwar nicht
geplant, lässt sich aber auch nicht vermeiden, denn dieser Musikstil
wurde ja bereits vor 50 Jahren erfunden.
Stephan Schelle
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