Die
Neubrandenburger Band Dawnation hatte einen viel umjubelten Auftritt beim
XI. Artrockfestival am 15.04.2023 in Reichenbach. Zeitgleich erschien ihr
zweites Album „... Well For The Past“. Gleich zwei Gründe etwas
mehr über die sympathische Band zu erfahren. Die drei
Gründungsmitglieder Jan
Mecklenburg, Christoph Piel und Bert Wenndorff haben ausführlich meine
Fragen beantwortet, dafür ganz herzlichen Dank.

von
links: Robert, Clemens, Jan, Bert und Christoph
Ihr habt als Dawnation 2020 euer Debütalbum „The Mad Behind“
veröffentlicht, gerade als die Pandemie die Welt in Atem hielt.
Dadurch hattet ihr keine Chance das Album live zu präsentieren und
es publik zu machen. Wie sehr hat euch diese Situation getroffen und wie
war die Resonanz auf das Album?
(Bert) Wie alle Kunstschaffenden hat es uns
schon sehr erwischt. Da es bei uns in der Gegend schon unter normalen
Umständen nicht so einfach ist, diese Art Musik live zu
präsentieren, weil das Interesse dafür eher gering ist, war es
dann natürlich gänzlich unmöglich. Die Resonanz auf das
erste Album erwischte uns völlig aus dem Kalten und war
überwältigend für uns. Klasse Reviews in Medien wie
Eclipsed, Empire, Betreutes Proggen, Babyblaue Seiten etc. damit
hätten wir keinesfalls gerechnet.:- )
Am 15.04.2023 habt ihr dann den zweiten Tag des Artrockfestivals
eröffnet. Wieviel Vorbereitung und Vorfreude steckte in diesem
Auftritt, zumal ja auch euer zweites Album „... Well For The Past“
zeitgleich erschien und es in dieser Konstellation der erste Auftritt von
Dawnation war?
(Jan):
Wir haben schon ca. Ende Herbst 2022 mit den Vorbereitungen und Proben
begonnen und überlegt, welche Songs wir performen wollen. Denn auf
dem ARF spielen zu können –
noch dazu als ersten Gig
- hat uns sehr gefreut, zumal sich im Frühjahr langsam abzeichnete,
dass die VÖ von „... well for the past...“ relativ zeitnah
vorher möglich sein könnte. Wir haben dann sehr viel Energie
in die Proben gelegt, denn - ehrlich gesagt –
haben wir schon Respekt
gehabt, auf so einem renommierten Festival zu spielen.
Ihr habt mit eurem Auftritt in Reichenbach dann auch gleich mal die
Bude gerockt und das Publikum begeistert. Wie überraschend war der
Erfolg und wie habt ihr das auf der Bühne und später bei
Gesprächen im Foyer erlebt?
(Jan):
Die Resonanz kam für uns total überraschend, wir haben uns
tierisch gefreut! Auf der Bühne habe ich mich persönlich nach
all der Nervosität in den Vortagen unerwartet frei gefühlt,
hatte Bock, mit den Männern einfach abzurocken. Dass das Publikum so
geil reagiert hat, beflügelte mich und hat mir unheimlich viel Spaß
gemacht!!! Das, was danach im Foyer abging, war für mich
überwältigend: Lob, Schulterklopfen, Selfies, CD/LP signieren,
konstruktive und wertschätzende Kritik, die ganzen lieben,
fachkundigen Menschen –
Hammer!!!

Jan,
Christoph und Bert live beim Artrockfestival 2023
Man konnte bei eurem Auftritt nicht glauben, dass
es euer erster Gig war. Einige von euch haben aber auch von 1998 bis 2004
als Glistening Dawn Musik gemacht, mit denen zwei Alben in den Jahren 2002
und 2004 herausgekommen sind. Erzählt doch ein bisschen zu diesem
Zeitraum.
(Jan):
Christoph, Bert und ich haben uns während des Studiums in Neubrandenburg
kennengelernt und später eine Zeit lang auch in einer WG zusammengewohnt.
Wir haben in einer Studenten-Combo zusammen Musik gemacht, so’n
Cover-Ding. Nichtsdestotrotz hatten wir unseren Spaß daran. Noch mehr Spaß
hatten wir allerdings, eigene Songs zu schreiben und das war dann
irgendwann (Ende 1997) die Geburtsstunde von „Glistening Dawn“.
Und
eigentlich haben wir nicht zwei, sondern drei Alben: „Wonderous
Stories“ (Sommer 1998) war allerdings in einer sehr kleinen Auflage von
uns selber produziert und vertrieben worden. Vielleicht wird das Album
irgendwann ja noch mal heiß begehrt, gibt aber leider keine mehr…
(lacht). Es folgten dann „Travellers in spare and Time“ (2002) und
„Tales from beyond…“ (2004).
Warum
habt ihr Glistening Dawn aufgelöst? War die Resonanz auf eure Alben nicht
so groß oder wollten einige von euch andere musikalische Wege
beschreiten?
(Jan):
Leider sind die Alben nicht auf wirklich viel Interesse gestoßen, zudem
sah es hier in der Provinz mit Auftrittsmöglichkeiten eher Mau aus (nach
wie vor). Bei mir stellte sich dann Nachwuchs ein, unsere Studentenzeit
ging zu Ende, der Lauf von Zeit und Dingen, der dann leider zur Auflösung
der Band führte…
Wann
seid ihr als Dawnation zusammengekommen und gab es in der Pause zwischen
den Bands andere musikalische Betätigungen?
(Jan):
Wir hatten uns einige Jahre etwas aus den Augen verloren, Bert lebte z.B.
einige Jahre in Berlin, hatte aber mit Christoph weiterhin musikalisch in
der „Magical Mystery Band“, einer Beatles- und Pink Floyd-Coverband
gearbeitet. Ich hatte zu dem Zeitpunkt mit Musik aufgehört. Ende 2016
fragte Bert, ob wir nicht wieder zusammen kreativ werden wollten. Bei
einigen Bieren besprachen wir dann unsere Vorstellungen - „Dawnation“
war geboren, wir empfanden, dass die Zeit reif dafür war. Wir suchten und
fanden dann mit Robert unseren heutigen Bassisten. Clemens vervollständigte
die Band damals am Schlagzeug. Seit 2021 kloppt Damian auf den Drums rum.
Als
Dawnation habt ihr eine musikalische Richtung eingeschlagen, die mehr im
Prog verortet ist und dies mit Melodicrock verbindet. Wie seht ihr eure
musikalische Entwicklung im Gegensatz zu Glistening Dawn, wo ihr rockiger
zur Sache gegangen seid?
(Christoph):
Glistening Dawn ist lange her. Damals kamen sehr viele Songideen von mir.
Und da ich nun mal ausschließlich mit der Gitarre vertraut bin und
besonders auf Riffs stehe, klingt das ganze halt rockiger. Bei Dawnation
hat die meisten Ideen bis jetzt Bert beigesteuert. Er kommt halt aus der
Keyboardecke und spielt ein bisschen mit der Akkugitarre rum. Das Ergebnis
ist dann zwangsläufig etwas poppiger/melodischer.
(Bert):
Das letzte GD Album „Tales from beyond“ ging auch schon in diese Prog,
Melodicrock Richtung. Durch den Einfluss unserer neuen Bandmitglieder und
natürlich auch durch die Entwicklung der Geschmäcker der übriggebliebenen
GD Mitglieder hat es sich noch deutlicher in diese Richtung entwickelt. Am
wichtigsten sind bei uns die Songs. Ein guter Song gewürzt mit einer
Prise Prog, Art, Hardrock und Alternative hat gute Chancen, ein Dawnation
Song zu werden :-)
Wolltet
ihr euch mit der Namensänderung vom bisherigen eher auf Hardrock der
70’er/80’er Jahre basierenden Stil absetzen?
(Jan):
Nein, das war nicht der Grund, so sehen wir das nicht. „Glistening
Dawn“ gab es nicht mehr, „Dawnation“ ist eine andere Band. Persönlich
haben wir uns eben auch verändert, sind gereift, haben Familien… Wir
wollten einen Neuanfang, zumal die Positionen Bass und Drums ja auch neu
besetzt wurden.
(Christoph):
Bert wollte aber trotzdem einen Bezug zu „Glistening Dawn“
beibehalten. Und nach
langem Ringen haben wir uns dann auf
„Dawnation“ geeinigt
Welche
musikalischen Idole habt ihr und wie sehr fließen diese Einflüsse in
eure Musik?
(Christoph):
Ich persönlich komme eher aus der Classikrock- und Heavy Metal-Ecke. Aber
natürlich kann ich auch mit den Prog-Helden was anfangen (die alten
Genesis, Yes, Rush usw.). Niemand ist frei von Einflüssen und natürlich
fließen die auch in die eigene Musik.
(Bert):
Ich bin da ziemlich offen und lasse auch mich auch gern von Alternative,
Indie und Pop beeinflussen. The National, Archive, The War on Drugs und
vieles, was so auf dem Berliner Radio Sender Radio Eins läuft. Der
Strophenpart von „Between“ ist tatsächlich von Lana Del Ray
beeinflusst. Aber ich bin auch großer Toto, Genesis, Peter Gabriel und
Deep Purple Fan. Aus der Progseite haben mich die frühen Spocks Beard und
Porcupine Tree sehr beeindruckt.
Besitzt
ihr eine musikalische Ausbildung oder seid ihr Autodidakten an euren
Instrumenten?
(Bert):
Christoph und ich hatten Musikschule und arbeiten auch als
Honorarmusiklehrer, ebenso Damian, der eine langjährige Ausbildung und
Weiterbildung als Drummer hatte. Jan ist Autodidakt und bei Röbi weiß
ich es gar nicht, obwohl ich ihn schon lange kenne und mit ihm Musik
mache...:-)
Bert,
du hast beim Auftritt einige klassische Motive bei deinen Soli in die
Musik gebracht. Wieviel bedeutet dir die Musik der großen Komponisten wie
Beethoven, Mozart & Co.?
(Bert):
Naja, letztendlich basiert ja alle Popmusik auf „Für Elise“ oder
nicht? :-) Aber im Ernst, ich bin Bewunderer klassischer Komponisten,
besonders Bach, wenngleich ich weit davon entfernt bin, ein großer
Klassikfan oder gar Kenner zu sein.
Wie
entstehen eure Stücke? Werden sie gemeinsam im Probenraum entwickelt oder
werden Teile bzw. ganze Songs schon von einem komponiert und ggf. im Team
ausgearbeitet?
(Bert):
Sowohl, als auch. Einiges, wie „Don´t Bother“ oder „Deception“
waren ziemlich komplett fertig, anderes, wie „Fall“ oder „Fly“
existierten als Instrumentals mit Textfragmenten, das haben wir dann
komplettiert. Und wieder anderes, wie „Rise“, „Time“,
„Between“ oder „Worthless“ sind während des Aufnahmeprozesses
entstanden.
Mit
dem Opener „Don’t Bother Me“ geht es auf eurem Debütalbum recht
rockig fast im Hardrock-Stil los. Das ist aber nicht beispielhaft für das
ganze Album und euren aktuellen Stil. Stellt der Song quasi einen Übergang
von Glistening Dawn zu Dawnation dar?
(Christoph):
„Don’t Bother...“ hatte
ich schon komplett fertig inklusive Text. Vielleicht fällt er deswegen
etwas aus dem Rahmen. Was ich persönlich übrigens gar nicht so sehe. Wir
haben da nur noch ein bisschen dran rumgeschnippelt und fertig war der
Opener des ersten Albums.
Auf
dem neuen Album „… Well For The Past“ habt ihr mit „Time“ und
„Fly“ zwei absolute Ohrwürmer eingespielt, die sicherlich zu
Livefavoriten der Fans werden. Hat es euch überrascht, dass gerade diese
Stücke so gut bei den Musikfans ankommen?
(Jan):
Also, für mich persönlich ist es immer überraschend, wenn es Menschen
gibt, die unsere Songs mögen und von ihnen angesprochen werden. Gerade
gestern hat mir ein guter Bekannter aus Berlin ein Feedback zur Platte
gegeben und gemeint „Deception“ hole ihn sehr ab. Aber auch er fand
„Fly“ sehr geil, „Holes“ im Übrigen auch. Ohne jetzt mit Pathos
zu schmeißen, ich bin immer sehr dankbar, wenn unsere Musik gemocht wird.
Kritik nehme ich dabei immer als konstruktiv wahr. Letztendlich sehe ich
das auch als Lob und Anerkennung unserer Arbeit.
(Bert):
„Time“ hat sich schon bei der Aufnahme fast von selbst produziert und
ist auch erst während des Aufnahmeprozesses entstanden. Es ist auch der
Song mit den wenigsten Trackspuren, simpel und catchy. Und grandios
gesungen von Jan, finde ich :-). Der Refrain „Fly“ geisterte schon
seit 12 Jahren in meinem Kopf herum, aber allein ohne Band war ich
schlicht nicht imstande, etwas draus zu machen. Umso mehr ist mir bewusst,
wie wichtig es für mich ist, als Team in einer Band zu arbeiten. Der Song
ist jetzt richtig gut geworden, die perfekte Mischung aus Prog, Pop und
Artrock.
Könnte
„Fly“ der Song werden der „Roses“ für RPWL ist?
(Jan):
Wer weiß… ;-),
(Bert):
Ich gestehe, dass ich „Roses“ von RPWL für ein absolutes Meisterwerk
halte. Besser geht’s eigentlich nicht und ich verstehe nicht, warum es
kein Welthit, wie Songs von Coldplay oder U2 geworden ist. Der gehört in
jedes Radio und du kannst ihn auch auf ‘ner Indie Disko spielen. Und,
ja, er diente durchaus als Vorbild für „Fly“ und dessen Produktion.
Und live funktioniert er auch wunderbar. Könnte unsere Hymne werden :-).
Und wir haben den Refrain auch schon beim Debütalbum am Ende von
„Lovely Child“ benutzt
Gibt
es einen Song, der euch besonders am Herzen liegt?
(Jan):
Ich kann nur für mich sprechen: Ich höre mir das Album von vorne bis
hinten an und mag keine Favoriten benennen. Ich meine, sie sind schon
unterschiedlich und daher will und kann ich auch keinen
„Lieblingssong“ wählen. Aber ich finde es immer sehr interessant, was
die Hörer dazu sagen, welche Songs sie favorisieren.
(Bert):
Mir liegt „Between“ sehr am Herzen, da er eine völlig neue Facette
der Band zeigt, wunderbar eingesungen ist und Potential hat, bei einem
breiten Mainstream Publikum anzukommen (glaube ich zumindest :-)), es wird
auch unsere nächste Single sein und im Herbst mit einem Video veröffentlicht
werden. Ein weiterer Lieblingssong von mir ist „Fall“, der
Abschlusssong des Albums, da er auch so ganz anders ist, einen Wahnsinns
Groove hat und mit einem wunderschönen Gitarrensolo von Christoph
aufwartet.
Das
Coverartwork von „… Well For The Past“ sieht recht düster aus. Wie
ist es entstanden und welche Bedeutung hat es?
(Jan)
Wir haben uns beim Debütalbum mit dem Artwork beschäftigt und sind dabei
zufällig auf „Josi“ (TFJ Rauch), einen Neubrandenburger Künstler
getroffen. Der stellte uns dankenswerterweise eines seiner Werke für’s
Cover zur Verfügung. Wir wollten unsere Musik mit anderen künstlerischen
Ausdrucksmedien zusammenfügen, quasi nach dem Motto: Kunst unterstützt
Kunst. Nun ja, so in etwa…
Auch
beim zweiten Album wollten wir so verfahren und recherchierten in der
hiesigen Kunstszene. Berti wurde dann auf Reinhard Gräfe aufmerksam, wir
nahmen Kontakt auf, besuchten ihn und erhielten von ihm die Erlaubnis,
eins seiner Bilder als Plattencover zu nutzen (der Mann und den kleinen
Jungen). Unser Drummer Damian machte beim Videodreh zu „Holes“ ein
tolles Foto von der Location, dem Gang, in dem wir drehten. Conni Salamon,
eine Grafikerin aus der Region, fügte dann beides zum Cover zusammen, was
ihr – wie ich finde – sehr gut gelungen ist. Den Namen für das Album
haben wird Gräfes Bildtitel „Das verheißt nichts Gutes für die
Vergangenheit“ entliehen, da wir Wortspiele sehr mögen.
Plant
ihr in naher Zukunft weitere Auftritte?
(Jan):
Ja, definitiv!
Natürlich
müssen wir schauen, dass wir das familiär, beruflich und mit anderen
Engagements in Einklang bringen können, denn wir spielen auch noch in
weiteren Bands. Aber grundsätzlich ist es ja auch so, dass jeder
Musikschaffende mehr oder weniger live auftreten will. Für 2024 stehen da
schon einige Sachen auf dem Plan. Aber auch in diesem Jahr werden wir noch
live spielen, u.a. am 01.12. in unserer Heimatstadt Neubrandenburg, worauf
wir uns schon sehr freuen.
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