Frank:
Ich glaube die Story fängt bei mir an, also übernehme ich vielleicht
mal.
Ende der 90er Jahre werde
ich ein paar Tage in Stuttgart verbringen. Bei einem Innenstadtbummel wird
es anfangen zu regnen und meine Frau und ich werden spontan einen
Schallplatten-/CD-Laden aufsuchen um vor dem Regen zu flüchten - er war
halt gerade da. Ich gehe also meine üblichen „Verdächtigen“ im
CD-Bereich durch und traue meinen Augen nicht, als ich unter Klaus Schulze
das 1980er LIVE-Album entdecke. Es hieß immer, dass das Album nie als CD
rauskommen würde. Um sicher zu sein, ließ ich mir die CD sogar
anspielen, - sie war es!
Mario:
Da hat einer große Augen bekommen. Die großen Augen hatte er auch, als
er mir das mal im Studio erzählte. Sie waren ebenso groß, wie meine, als
ich das „Go“ bekam, diese CD veröffentlichen zu dürfen.
Frank:
Also war sie meine. Zu Hause angekommen las ich die Infos auf der CD und
war schon wieder verwundert. Nicht das übliche Label, sondern
Manikin-Records, Berlin. Ich dachte, wer eine quasi „unmögliche“
CD-Veröffentlichung hinbekommt, hat noch mehr am Start.
Damals schrieb man noch
Briefe (weißes Papier mit Tinte beschriften und durch den gelben
Zustelldienstleister überbringen), also schrieb ich. Ein oder zwei Tage
später bekam ich abends einen Anruf - von Mario. Wir plauderten wohl eine
knappe Stunde und in der Folge wechselten eine 50er Box von Klaus und
einige weitere CD’s den Besitzer und so lernte ich die Musik von Mario,
Detlef und Bas kennen und besuchte deren Neujahrskonzerte in Berlin.
Wir blieben in losem Kontakt bis es den Schrittmacher von Manikin
Elektronik gab. Mario lud mich ein, mir den Sequenzer bei ihm in Aktion
anzuschauen. Gesagt getan und wir saßen ein erstes Mal in Mario’s
Studio zusammen. Nun ergaben sich immer öfter Kontakte mit
Gedankenaustausch und mit dem Hampshire Jam 3 war ich das erste Mal mit
BK&S unterwegs. Offenbar passte da bei uns beiden Herren was zusammen
und die Geschichte nimmt fortan seinen Lauf - langsam, aber unaufhaltsam.
Mario:
Was soll ich sagen? Genauso war es. Die Chemie passte und wir hatten und
haben viel Spaß zusammen.
Stephan:
Bis zum Jahr 2011 hat es dann gedauert, bis ihr Beiden die erste
gemeinsame Veröffentlichung „Filter-Kaffee 101“ auf den Markt
gebracht habt. Dabei habt ihr Stücke auf den Silberling gepackt, die
zwischen 2007 und 2010 entstanden sind. Wie lange macht ihr schon
gemeinsam Musik und warum hat das mit der Veröffentlichung der ersten CD
so lange gedauert?
Mario:
Am Anfang war es ein lockeres „Wir probieren mal hier und mal da“. Ein
Release war in den ersten Jahren gar nicht das Ziel der vielen Aufnahmen,
die wir zusammen machten. Eines Abends – bei einer Tasse Kaffee –
setzten wir uns zusammen und hörten mal die Aufnahmen alle an. Lustiger
weise genau in der Reihenfolge wie sie später auf die CD kamen. Ein schöner
Zufall. Es passte genauso und klang, als wenn es immer so geplant war.
Stephan:
Was war die Intention das Debütalbum „Filter-Kaffee 101“ zu nennen?
Habt ihr bei euren Sessions soviel von dem „schwarzen Gold“ inhaliert?
Frank:
Ja, Filter-Kaffee, das Getränk, war und ist fester Bestandteil einer
jeden Session im Studio. Zudem lud das Wortspiel mit dem Begriff
„Filter“ dazu ein, verändern wir ja die Klänge mit Filtern.
Filter-Kaffee, das Getränk, ist heutzutage auch bereits „retro“ und
das passte auch zu der Spielart, die das Projekt verfolgen wollte (uns
noch immer verfolgt).
Die Nummer 101 ist eine
Filtertütengröße, die ein bekannter Hersteller wohl mal eingeführt
hat. Damit sollte es also losgehen. Da es bekanntermaßen mehrere Größen
gibt, war das eine coole Idee, die folgenden CD’s zu benennen.
Mario:
Und es war naheliegend, dass wir ein Stilelement unserer Musik, den
Sequenzer, mit einem Kaffeefilter der guten alten Art auf dem Cover
kombinierten. Später entstand dann daraus auch das Filter-Kaffee Logo:
Ein Kaffee-Filter und die Schaltung eines Filters in einem Synthesizer.
Stephan:
Das Album „Filter-Kaffee 101“ wurde ja 2011 zunächst als Schönwälder
& Rothe beim SynGate-Label veröffentlicht. Es wurde dann in der
Wiederveröffentlichung auf SynGate und später auch auf dem Manikin-Label
als „101“ von Filter-Kaffe neu herausgebracht. Warum habt ihr eure
Namen gestrichen und fortan das Projekt Filter-Kaffee genannt?
Mario:
Warum da Anfangs Schönwälder & Rothe stand kann ich ehrlich gesagt
nicht mehr beantworten. Ich meine mich zu erinnern, dass der Projektname
von Anfang an da war. Vielleicht wollte Lothar lieber mit den realen Namen
arbeiten? Ich weiß es nicht mehr.
Der Wechsel von SynGate zu
Manikin Records hat nichts mit Streitigkeiten oder so zu tun. Wir waren
einfach der Überzeugung, dass eine gepresste CD noch ein paar mehr Fans
erreichen würde. Der Erfolg hat uns letztlich recht gegeben und wir sind
glücklich, dass alle Veröffentlichungen von Filter-Kaffee bei Manikin
Records liegen. Lother und Kilian gilt natürlich unser Dank, dass sie
ganz am Anfang uns die Veröffentlichung ermöglicht haben.
Stephan:
Mittlerweile ist aus Filter-Kaffee ein richtig eigenständiges Projekt
geworden. Bisher sind mit dem aktuellen Album „105“ ja schon sechs
Alben erschienen. Nach „101“ und „102“ habt ihr dann noch in 2016
das Album „100“ veröffentlicht. Warum seid ihr mit der Nummerierung
wieder zurückgegangen, hätte doch auch die Nummer „103“ werden können,
die dann 2017 folgte?
Frank:
Man könnte es einen faux-pas bei der Recherche nennen, denn am Anfang
haben wir nicht wahrgenommen, dass es doch tatsächlich eine Größe 100
gegeben hat. 101 war ja auch viel logischer. Also haben wir dann überlegt,
ob wir die 100 nicht noch verwenden können und haben noch ein paar ältere
Aufnahmen gefunden, die dann von ihrer Entstehung auch noch vor die 101
passten.
Anders herum: Hätten wir
das nie wahrgenommen, wäre die nächste CD natürlich die 103 geworden,
allerdings wären die Titel der 100 dann vermutlich auch nie veröffentlicht
worden.
Ansonsten freuen wir uns, dass das Projekt bereits bei sechs Alben und
einigen tollen Auftritten angekommen ist und es wird weitergehen !!! :-)
Mario:
Wenn man zu oft und zu viel im WWW umhersucht…. Da kamen noch ganz
andere Filtertüten-Größen zum Vorscheinen. Aber greifen wir mal den
kommenden CDs nicht vorweg J
Stephan:
Mario, du hast neben Veröffentlichungen unter anderem unter deinem Namen
auch in den Projekten Broekhuis, Keller & Schönwälder und Fanger
& Schönwälder Alben herausgebracht. Frank, du veröffentlichst in
regelmäßigen Abständen Alben als Fratoroler und hast auch als Fringo
Chills ein Alben herausgebracht. Was unterscheidet aus eurer Sicht die
Musik von Filter-Kaffee zu euren anderen Projekten?
Frank: Die
zwei Projekte, an denen ich bei Manikin beteiligt bin, unterscheiden sich
derart, dass bei Filter-Kaffee der Fokus eindeutig auf Old Berlin School
liegt.
Bei Kontroll-Raum versuchen
wir, tja eine Art neuartigen Stil zu kreieren. Andere Perkussion,
neuartige sonst nicht eingesetzte Sounds und auch andere Sequenzing-Muster
sollen den Stil prägen.
Mario:
Filter-Kaffee ist ganz traditionelle Berliner Schule Elektronik. Wir
verzichten fast gänzlich auf Percussion/Schlagzeug, arbeiten ausschließlich
Sequenzer-orientiert.
Broekhuis, Keller & Schönwälder
ist deutlich melodischer orientiert und nutzt durch Bas die zahlreichen Möglichkeiten
der Percussion und des Schlagzeuges. Durch die Gastmusiker Raughi Ebert
und Thomas Kagermann kommen zahlreiche weitere Einflüsse hinzu.
Fanger & Schönwälder sind mit den zeitweise mitwirkenden Gitarristen
Lutz-Graf-Ulbrich und Klaus „Cosmic“ Hoffmann-Hoock eine Mischung aus
traditioneller Elektronik mit Elementen des Krautrocks und des Ambient.
So kann ich in den vier unterschiedlichen Projekten meinen verschiedenen
Einflüssen ihren Raum geben.
Stephan:
Ihr wohnt ja beide in Berlin, da sollte die Zusammenarbeit recht
unkompliziert laufen, anders als bei BK&S, bei dem Berlin / Ruhrgebiet
und Holland sich doch von der Entfernung schwieriger gestalten. Wie sieht
euere Arbeitsweise aus?
Mario:
Am liebsten würden wir natürlich nur zusammen im Studio sitzen und tüfteln.
Das klappt mit Frank bzw. Filter-Kaffee sehr gut, da unsere Wohnorte nur
wenige Kilometer trennen. Bei Kontroll-Raum (und einer Pandemie) bedeutete
das bisher überwiegend das Einspielen von Parts und das Versenden der
Spuren zur weiteren Bearbeitung an die jeweils anderen Studios.
Stephan:
Wer kümmert sich um die Harmonien und wer um die rhythmischen
Sequenzerparts?
Frank: Ich
habe ja mal als Bassist angefangen und liebe gerade die Sequenzen der
„alten“ Tangerine Dream, Klaus Schulze und Artverwandten wie vom Free
System Project, Redshift und anderen und das ist auch ein tragendes
Element für Filter-Kaffee.
Daher bin ich für die
Rhythmik bei Filter-Kaffee wohl etwas primärer „zuständig“ und Mario
ist mehr im Bereich der Melodien und Sounds tätig. Bedeutet aber nicht,
dass es auch mal anders sein kann.
Mario:
Anders als Broekhuis, Keller & Schönwälder, sind bei Filter-Kaffee
und insbesondere bei Kontroll-Raum die Rollen nicht fest vergeben.
Insbesondere im Bereich der Sequenzen bringen alle Beteiligten ihre Idee
ein.
Stephan:
Kommen wir zur aktuellen Platte. Auf „105“ habt ihr euch erstmals
einem Thema zugewandt, nämlich Steinen. Sowohl das Cover, als auch der
Text auf der Coverrückseite zeigen dies. Dort steht: Steine
findet man in der Natur, in Bergen, in Gebäuden oder an mystischen Orten
auf der ganzen Welt. Diese CD ist diesen Steinen gewidmet. Wer hatte
denn die Idee dazu gehabt und was hat euch so an Steinen fasziniert, um
sie zu vertonen?
Frank: Wir
sind ja über die Jahre hinweg viel zu zweit mit dem Auto unterwegs.
Aktuell ja leider weniger L. Da schwatzt man ja über dies und das und einmal
kamen wir auf die Idee, einer CD mal ein Thema mitzugeben. Bei einem sog.
Brainstorming auf der Autobahn kamen dann ganz viele naturbezogene Themen
zusammen.
Jetzt haben wir das bei der
EP mal mit den Steinen probiert. Mal sehen, ob wir das mal wieder machen.
Ideen zu Themen gibt es genug.
Mario:
Viele Ideen werden aufgeschrieben, wieder vergessen. Und bei der nächsten
Autobahntour nimmt man die Diskussion wieder auf. Will sagen: Wir werden
auf jeden Fall weiterhin auch CDs zu bestimmten Themen, Phänomenen oder
Orten machen. Und da wir stets fröhliche Musikanten sind, kann sich jeder
ausdenken, was da auf mancher Fahrt gelacht wird, wenn die Ideen ins
Lustige abrutschen. Frank, denke mal an die Namen mancher Autobahnabfahrt J.
Stephan:
Bei diesem Thema ist es naheliegend, einen Track zu dem britischen
Steinmonument Stonehenge zu machen. Diesem Monument habt ihr einen
14:37minütigen Track gewidmet. Wie seid ihr an die Komposition dieses
Tracks herangegangen?
Frank: Wir
haben überlegt, wo Steine denn so vorkommen. Es gibt tolle Gebäude aus
Stein oder sie wurden in besonderer Form entdeckt, sind klein und groß,
rund und eckig und am Ende haben wir uns für drei Titel entschieden, die
das abbilden.
Stonehenge, als mystischer
Ort aus Steinen liess einen ebenso mystischen Track zu.
Mario:
Es waren auch die persönlichen Eindrücke an diesem Ort, den wir beide
unabhängig voneinander besucht haben. Jeder hat ihn auf seine Art
wahrgenommen.
Stephan:
Ein weiteres Stück ist das 13:49minütige „Hidden Temple“. Gibt es da
ein bestimmtes Bauwerk, an das ihr euch orientiert habt?
Frank: Ich
meine, da hatten wir keinen konkreten Tempel im Sinn, aber ich sah Bilder
aus Angkor Wat und Mario nannte auch einige Bauwerke, die nicht so leicht
zu erreichen sind und so steht der Titel als Sammelbegriff für alte
verborgene Tempel der Geschichte.
Mario: Ich
schaue sehr gerne Reiseberichte im Fernsehen. Wenn es nach den angesehenen
Reiseberichten geht, bin ich mindestens einmal um die Welt herumgereist.
Auf der Couch sitzend. Da sind viele Eindrücke und Bilder im Kopf hängen
geblieben. Das würde für „Stones“ Teil 2 bis 5 mindestens
ausreichen. Manches, wie z.B. die Alhambra, habe ich selber besucht.
Stephan:
„Am Bach ... bei den Kieselsteinen“ ist euer bisher kürzestes,
gemeinsames Stück. Es ist ein synthetisches Stimmungsbild von einem fließenden
Gewässer. Wie kamt ihr darauf und warum ist der Track nur so kurz
geraten, Platz wäre ja noch genug auf dem Silberling gewesen?
Frank: Es
gab diesen Sound, der vielleicht mal Teil eines längeren Tracks oder
anderen Themas werden konnte/sollte (z.B. was mit Wasser), aber zu
Kieselsteinen im Bach passt. Und da plätschert das Album dann damit
ausklingend dem Ende entgegen.
Mario:
Frank brachte diesen Sound und eine Aufnahme davon mit ins Studio und ich
fand es passend für das Ende einer CD.
Stephan:
Live hat man euch auch schon erleben dürfen wie zum Beispiel beim Cosmic
Nights Festival im belgischen Heusden-Zolder, dem E-Day im niederländischen
Oirschot und beim Electric Cave-Festival in der Dechenhöhle bei Iserlohn.
Sobald es Corona wieder zulässt, plant ihr da wieder live aufzutreten?
Frank & Mario: Na klar wollen wir auch wieder live spielen. Wir haben
Lust darauf und die Fans warten auf uns. Noch macht das Planen wenig Sinn,
aber wir bereiten immer etwas vor! Die Reise ist noch nicht zu Ende.
Stephan:
Habt
ihr eueren 2018’er Auftritt vom Electric Cave-Festival in der Dechenhöhle
mitgeschnitten und ist in Zukunft mit einer Veröffentlichung zu rechnen?
Frank: Hat
dir das besonders gut gefallen? Also wir hatten sehr viel Spaß. In so
einer Umgebung können wir sehr stimmungsvoll spielen (würden wir übrigens
auch gerne mal wieder machen). Ein Stück ist ja bereits veröffentlicht
worden, die „Winterlandschapp“ auf der „104“, aber ich denke, wir
arbeiten primär an neuen Stücken.
Mario:
Ich höre mir Konzertaufnahmen grundsätzlich mit etwas zeitlichen Abstand
sehr genau und kritisch an. Da geht dann auch manches in die Ablage
„Archiv“. Die anderen Tracks werden bei allen Musikprojekten den
anderen vorgespielt und zur Veröffentlichung vorgeschlagen. Und die
meisten finden dann auch den Weg auf eine CD.
Das Konzert in der Dechenhöhle
war ein sehr schönes. Ich erinnerte mich an eine Urlaubsreise auf die
Insel Lanzarote, wo es eine Höhle mit einer riesigen unterirdischen Halle
gibt. Dort einmal spielen wäre ein Traum.
Stephan:
Wie sehen eure Pläne für die Zukunft aus?
Frank & Mario: Ganz viel authentische Musik mit Filter-Kaffee kreieren
und veröffentlichen - wie auch immer die CD-Titel sich dann ergeben
werden - Filtertütengrößen sind endlich!
Weiterhin immer neugierig
bleiben und ein offenes Ohr haben. Auf die Suche nach diesen „unerhörten“
Sounds gehen.
So viel wie möglich Live spielen, so wir die Möglichkeit dazu bekommen.
Nach Corona wollen sicher ganz viele Künstler auftreten. Mal sehen, was
sich ergibt. Hier in Berlin versuchen wir vielleicht auch selber etwas zu
organisieren, aber erst einmal muss diese Pandemie mal ausgestanden sein.
Und wir müssen letztlich alle gesund bleiben!
Danke Dir Stephan für dieses Interview.