Stephan: Rüdiger,
dass du u. a. Musik studiert hast, ist an den klassischen Elementen deiner
Musik erkennbar. Welchen musikalischen Weg wolltest du damals einschlagen?
Rüdiger: Ich war
immer der Auffassung, dass ein solides "Handwerkszeug" gute Arbeit
erleichtert; wobei man auch aufpassen muss, sich nicht durch zu viele
Vorgaben in ein Korsett zwängen zu lassen oder zu verkopft und theoretisch
an die Arbeit zu gehen. Das Ziel des Studiums, als Musiklehrer an einer
Schule zu arbeiten, war damals weiter weg als die Möglichkeit, in eine
geliebte Materie tiefer einzusteigen.
Stephan: Heißt das,
dass du ursprünglich Musiklehrer werden wolltest, diesen Berufsweg dann
aber doch nicht eingeschlagen hast?
Rüdiger: Ich
arbeite seit rd. 10 Jahren als Musiklehrer an einer Schule;
zwischenzeitlich vorübergehend auch als Dozent an der Uni, Fachbereich
Musik, und während des Studiums als Instrumentallehrer an verschiedenen
Musikschulen, hauptsächlich für Klassische Gitarre. Zu Beginn des Studiums
stand fest, auf jeden Fall etwas mit Musik zu machen; der Lehrerberuf war
noch nicht vordergründig im Bewusstsein. Während des Studiums war ich auch
mal bei einer Kölner Filmfirma engagiert und habe die Musik gemacht,
manchmal auch am Drehbuch mitgearbeitet. Aber ich merkte dann schnell,
dass ich von meiner "Mentalität" nicht so recht zu dem Business passte.
Sicher kam dazu, dass ich für irgendwelche RTL-peinlich-Produktionen oder
Co., sowie banale Werbefilmchen einfach zu kritisch bin und so in immer
neue Gewissenskonflikte gekommen bin.
Stephan: Wie sieht
deine Arbeit als Musikpädagoge aus? Lehrst du an einer Schule?
Rüdiger: Ja, ich
arbeite als Lehrer für Musik und Deutsch an einer Schule in Paderborn.
Stephan: Wann hast
du angefangen Musik zu machen?
Rüdiger: Ich habe
im Alter von 14/15 mit dem Erlernen der Klassischen Gitarre begonnen.
Schnell kam die E-Gitarre und damit erste Banderfahrungen dazu. Die Arbeit
mit Keyboards, die mich aufgrund ihrer klanglichen Möglichkeiten
faszinierten, folgte. Erste eigene Aufnahmen entstanden 84/85 mit einem
kleinen Mehrspurgerät.
Stephan: Du warst
also Mitglied in diversen Rockbands? Bitte erzähl doch ein wenig darüber.
Was für eine Musikrichtung war das? Habt ihr Platten veröffentlicht?
Rüdiger: Wir haben
versucht die Musik zu machen, die wir gerne gehört haben: Irgendwo
zwischen Deep Purple, Pink Floyd, Genesis, Yes, - wobei die beiden
Letztgenannten auch schnell die Grenzen unseres Könnens sprengten ;-)
Übrigens war auch "Solar Music" von Grobschnitt mit in unserem Repertoire.
Aber zu großen Erfolgen, erst Recht zu Plattenaufnahmen, haben wir es in
keiner Formation gebracht.
Stephan: Du hast ja
anfangs Gitarre gespielt, wie bist du dann zur elektronischen Musik
gekommen? Hast du früher selber diese Musikrichtung gehört (z. B.
„Schwingungen“ im WDR) oder wurdest du durch die oben genannten Bands wie
Genesis und Pink Floyd inspiriert?
Rüdiger: Tangerine
Dream habe ich schon sehr früh, mit ca. 13, das erste Mal gehört, aber
nicht bei „Schwingungen“, sondern witzigerweise auf einem Urlaub in
Frankreich. Es war „Ricochet“ und für mich ein absolutes
Schlüsselerlebnis. Es sind diese Momente, die sich auf der eigenen
Festplatte einbrennen wie ein traumatisches Erlebnis. Als ich vor einigen
Monaten von einem Label gefragt wurde, ob ich für einen Tribute-Sampler
nicht ein Stück von T.D. neu interpretieren könnte, habe ich natürlich „Ricochet“
(part II) genommen; allerdings begrenzte mich die zeitliche Vorgabe auf
knapp sieben statt zwanzig Minuten, so dass das Werk nur zum Teil
umgesetzt werden konnte.
Stephan: War „Ricochet“
deine einzige Coverversion, die du veröffentlicht hast?
Rüdiger: Ich habe
für die Kompilation „More Relics - a tribute to Pink Floyd“ das Stück „Sysyphus“
neu interpretiert, was mir viel Freude gemacht hat.
Stephan: Du
sagtest, dass die ersten Aufnahmen 84/85 entstanden sind. Wann kam in dir
denn der Wunsch auf, eigene Musikstücke zu komponieren und zu
veröffentlichen?
Rüdiger: Ich
glaube, der Wunsch zu "komponieren" - egal wie man dies nun definieren
will - entstand von Anfang des Erlernens eines Instrumentes an. Der Wunsch
"selber was ausprobieren" ist sicher bei vielen Menschen angeboren, denn
es entspringt der Neugier, die auch Motor jeglichen Lernverhalten im Ideal
ist. Inwieweit dieses "Ausprobieren", das Aneinanderreihen von passenden
Akkorden und Tonfolgen schon eine Komposition darstellt oder Komposition
einer gezielten Planung bedarf, kann hier nicht diskutiert werden, zumal
ich gerade bei vielen "Elektronikmusikern" den Verdacht habe, dass das
Ausprobieren von Sounds und dem spielerischen Umgang damit im Vordergrund
der "kompositorischen Arbeit" steht.
Was den Wunsch nach
Veröffentlichung eigener Werke angeht, so werden nur wenige Musiker
antworten, dass ihnen dies egal sei. Das - oft vielleicht überschätzte -
Bedürfnis, seiner Mitwelt eigene musikalische Gedanken und Ideen
mitzuteilen, drängt zu einer Veröffentlichung. Heute würde man sich in
manchen Musiksparten eher weniger, aber dafür gehaltvollere Produktionen
wünschen...
Bei mir wurde der Mut, den
Gedanken an eine Veröffentlichung meiner Stücke überhaupt zuzulassen, erst
durch die ermunternden Worte von Freunden und Bekannten gefördert. So
bewarb ich mich `87 bei drei Labels und erhielt vom schweizer
SPHINX-Verlag, der heute leider nicht mehr existiert, eine Zusage.
Stephan: Welchen
Titel hast du bei dem SPHINX-Verlag herausgebracht und wann war das? Ist
die CD noch erhältlich oder können sich die Besitzer aufgrund der
Tatsache, dass der Verlag nicht mehr existiert freuen eine seltene CD in
den Händen zu halten?
Rüdiger: Die MC (zu
der Zeit - 1987 - war eine CD noch etwas Besonderes!) ist schon lange
nicht mehr erhältlich. Einige Stücke der Produktion habe ich auf der CD „Chronicle“
dann überarbeitet, aber diese Produktion ist auch schon ausverkauft.
Stephan: Planst du
eine Wiederveröffentlichung bzw. besteht überhaupt Bedarf dafür?
Rüdiger: Eine
Wiederveröffentlichung ist nicht geplant. Seit es die Möglichkeit gibt,
CDs zu brennen, sind Anfragen von Hörern auch selten geworden - leider!
Stephan: Heißt das,
dass sich die Problematik der CD-Kopien auch bei deinen Produktionen
bemerkbar macht? Ich glaube, dass es momentan ein geringeres Interesse für
unsere Elektronikmusik gibt. Neben den Schwingungen-CDs gibt es doch
leider nur die regionalen Hörerfunksendungen im Radio.
Rüdiger: Wenn man
sich die Verkaufszahlen von eigenen Produktionen und von befreundeten
Musikern ansieht und mit denen von vor 10 oder 15 Jahren vergleicht, gibt
es erhebliche Unterschiede. Ich kenne Kollegen, die früher im Bereich von
5000 CDs und manchmal wesentlich mehr verkauft haben und heute froh sind,
wenn 100 Stück über den Ladentisch gehen. Aber das „Brennen“ ist hier
nicht das einzige Problem; eine veränderte Marktstruktur durch Media-Markt
und Co. kommt hinzu. So gab es z.B. in Paderborn zur Zeit meiner „Arabesque“-Veröffentlichung
(ist nun 12 Jahre her) mehrere kleine, aber gut sortierte Plattenläden.
Die Inhaber kannte ich persönlich und selbstverständlich lag auch meine „Arabesque“
im Laden aus und wurde auch verkauft. Zu der Zeit fand ich in den meisten
großen CD-Läden in Deutschland meine CD unter der entsprechenden Rubrik.
Heute dominiert ein Media-Markt die CD-Landschaft in Paderborn, was die
Schließung einiger kleinerer Läden zur Folge hatte, und Media-Markt hat
keine einzige CD von mir im Laden stehen und sieht auch nach mehreren
großen Zeitungsartikeln und meiner persönlichen Bitte keine Veranlassung,
eine CD von mir ins Regal zu stellen. Aber sicher hast du auch Recht, dass
das Interesse an „Elektronik-Musik“ geschwunden ist. Hier spielen nicht
nur Mode-Trends eine Rolle, auch hausgemachte Probleme kommen hinzu: die
sog. „Szene“ hatte in den letzten Jahren Profilierungsprobleme. Statt
echten musikalischen Visionären wie T.D. wurde die „Szene“ zunehmend von
Hobbyisten und Epigonen bestimmt. Kleine „Fanclubs“, oft nicht größer als
eine Kaffee-Runde, mit eigenen „Magazinen“ von der Qualität einer
Schülerzeitung, taten ihr Übriges dazu.
Stephan: Nun eine
für einen Künstler sehr schwierige Frage. Wie würdest du selbst deine
Musik beschreiben?
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