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Interview mit Rüdiger Gleisberg
zwischen Mai und Juli per Email geführt

 

Stephan: Rüdiger, dass du u. a. Musik studiert hast, ist an den klassischen Elementen deiner Musik erkennbar. Welchen musikalischen Weg wolltest du damals einschlagen?

Rüdiger: Ich war immer der Auffassung, dass ein solides "Handwerkszeug" gute Arbeit erleichtert; wobei man auch aufpassen muss, sich nicht durch zu viele Vorgaben in ein Korsett zwängen zu lassen oder zu verkopft und theoretisch an die Arbeit zu gehen. Das Ziel des Studiums, als Musiklehrer an einer Schule zu arbeiten, war damals weiter weg als die Möglichkeit, in eine geliebte Materie tiefer einzusteigen.

Stephan: Heißt das, dass du ursprünglich Musiklehrer werden wolltest, diesen Berufsweg dann aber doch nicht eingeschlagen hast?

Rüdiger: Ich arbeite seit rd. 10 Jahren als Musiklehrer an einer Schule; zwischenzeitlich vorübergehend auch als Dozent an der Uni, Fachbereich Musik, und während des Studiums als Instrumentallehrer an verschiedenen Musikschulen, hauptsächlich für Klassische Gitarre. Zu Beginn des Studiums stand fest, auf jeden Fall etwas mit Musik zu machen; der Lehrerberuf war noch nicht vordergründig im Bewusstsein. Während des Studiums war ich auch mal bei einer Kölner Filmfirma engagiert und habe die Musik gemacht, manchmal auch am Drehbuch mitgearbeitet. Aber ich merkte dann schnell, dass ich von meiner "Mentalität" nicht so recht zu dem Business passte. Sicher kam dazu, dass ich für irgendwelche RTL-peinlich-Produktionen oder Co., sowie banale Werbefilmchen einfach zu kritisch bin und so in immer neue Gewissenskonflikte gekommen bin.

Stephan: Wie sieht deine Arbeit als Musikpädagoge aus? Lehrst du an einer Schule?

Rüdiger: Ja, ich arbeite als Lehrer für Musik und Deutsch an einer Schule in Paderborn.

Stephan: Wann hast du angefangen Musik zu machen?

Rüdiger: Ich habe im Alter von 14/15 mit dem Erlernen der Klassischen Gitarre begonnen. Schnell kam die E-Gitarre und damit erste Banderfahrungen dazu. Die Arbeit mit Keyboards, die mich aufgrund ihrer klanglichen Möglichkeiten faszinierten, folgte. Erste eigene Aufnahmen entstanden 84/85 mit einem kleinen Mehrspurgerät.

Stephan: Du warst also Mitglied in diversen Rockbands? Bitte erzähl doch ein wenig darüber. Was für eine Musikrichtung war das? Habt ihr Platten veröffentlicht?

Rüdiger: Wir haben versucht die Musik zu machen, die wir gerne gehört haben: Irgendwo zwischen Deep Purple, Pink Floyd, Genesis, Yes, - wobei die beiden Letztgenannten auch schnell die Grenzen unseres Könnens sprengten ;-) Übrigens war auch "Solar Music" von Grobschnitt mit in unserem Repertoire. Aber zu großen Erfolgen, erst Recht zu Plattenaufnahmen, haben wir es in keiner Formation gebracht.

Stephan: Du hast ja anfangs Gitarre gespielt, wie bist du dann zur elektronischen Musik gekommen? Hast du früher selber diese Musikrichtung gehört (z. B. „Schwingungen“ im WDR) oder wurdest du durch die oben genannten Bands wie Genesis und Pink Floyd inspiriert?

Rüdiger: Tangerine Dream habe ich schon sehr früh, mit ca. 13, das erste Mal gehört, aber nicht bei „Schwingungen“, sondern witzigerweise auf einem Urlaub in Frankreich. Es war „Ricochet“ und für mich ein absolutes Schlüsselerlebnis. Es sind diese Momente, die sich auf der eigenen Festplatte einbrennen wie ein traumatisches Erlebnis. Als ich vor einigen Monaten von einem Label gefragt wurde, ob ich für einen Tribute-Sampler nicht ein Stück von T.D. neu interpretieren könnte, habe ich natürlich „Ricochet“ (part II) genommen; allerdings begrenzte mich die zeitliche Vorgabe auf knapp sieben statt zwanzig Minuten, so dass das Werk nur zum Teil umgesetzt werden konnte.

Stephan: War „Ricochet“ deine einzige Coverversion, die du veröffentlicht hast?

Rüdiger: Ich habe für die Kompilation „More Relics - a tribute to Pink Floyd“ das Stück „Sysyphus“ neu interpretiert, was mir viel Freude gemacht hat.

Stephan: Du sagtest, dass die ersten Aufnahmen 84/85 entstanden sind. Wann kam in dir denn der Wunsch auf, eigene Musikstücke zu komponieren und zu veröffentlichen?

Rüdiger: Ich glaube, der Wunsch zu "komponieren" - egal wie man dies nun definieren will - entstand von Anfang des Erlernens eines Instrumentes an. Der Wunsch "selber was ausprobieren" ist sicher bei vielen Menschen angeboren, denn es entspringt der Neugier, die auch Motor jeglichen Lernverhalten im Ideal ist. Inwieweit dieses "Ausprobieren", das Aneinanderreihen von passenden Akkorden und Tonfolgen schon eine Komposition darstellt oder Komposition einer gezielten Planung bedarf, kann hier nicht diskutiert werden, zumal ich gerade bei vielen "Elektronikmusikern" den Verdacht habe, dass das Ausprobieren von Sounds und dem spielerischen Umgang damit im Vordergrund der "kompositorischen Arbeit" steht.

Was den Wunsch nach Veröffentlichung eigener Werke angeht, so werden nur wenige Musiker antworten, dass ihnen dies egal sei. Das - oft vielleicht überschätzte - Bedürfnis, seiner Mitwelt eigene musikalische Gedanken und Ideen mitzuteilen, drängt zu einer Veröffentlichung. Heute würde man sich in manchen Musiksparten eher weniger, aber dafür gehaltvollere Produktionen wünschen...

Bei mir wurde der Mut, den Gedanken an eine Veröffentlichung meiner Stücke überhaupt zuzulassen, erst durch die ermunternden Worte von Freunden und Bekannten gefördert. So bewarb ich mich `87 bei drei Labels und erhielt vom schweizer SPHINX-Verlag, der heute leider nicht mehr existiert, eine Zusage.

Stephan: Welchen Titel hast du bei dem SPHINX-Verlag herausgebracht und wann war das? Ist die CD noch erhältlich oder können sich die Besitzer aufgrund der Tatsache, dass der Verlag nicht mehr existiert freuen eine seltene CD in den Händen zu halten?

Rüdiger: Die MC (zu der Zeit - 1987 - war eine CD noch etwas Besonderes!) ist schon lange nicht mehr erhältlich. Einige Stücke der Produktion habe ich auf der CD „Chronicle“ dann überarbeitet, aber diese Produktion ist auch schon ausverkauft.

Stephan: Planst du eine Wiederveröffentlichung bzw. besteht überhaupt Bedarf dafür?

Rüdiger: Eine Wiederveröffentlichung ist nicht geplant. Seit es die Möglichkeit gibt, CDs zu brennen, sind Anfragen von Hörern auch selten geworden - leider!

Stephan: Heißt das, dass sich die Problematik der CD-Kopien auch bei deinen Produktionen bemerkbar macht? Ich glaube, dass es momentan ein geringeres Interesse für unsere Elektronikmusik gibt. Neben den Schwingungen-CDs gibt es doch leider nur die regionalen Hörerfunksendungen im Radio.

Rüdiger: Wenn man sich die Verkaufszahlen von eigenen Produktionen und von befreundeten Musikern ansieht und mit denen von vor 10 oder 15 Jahren vergleicht, gibt es erhebliche Unterschiede. Ich kenne Kollegen, die früher im Bereich von 5000 CDs und manchmal wesentlich mehr verkauft haben und heute froh sind, wenn 100 Stück über den Ladentisch gehen. Aber das „Brennen“ ist hier nicht das einzige Problem; eine veränderte Marktstruktur durch Media-Markt und Co. kommt hinzu. So gab es z.B. in Paderborn zur Zeit meiner „Arabesque“-Veröffentlichung (ist nun 12 Jahre her) mehrere kleine, aber gut sortierte Plattenläden. Die Inhaber kannte ich persönlich und selbstverständlich lag auch meine „Arabesque“ im Laden aus und wurde auch verkauft. Zu der Zeit fand ich in den meisten großen CD-Läden in Deutschland meine CD unter der entsprechenden Rubrik. Heute dominiert ein Media-Markt die CD-Landschaft in Paderborn, was die Schließung einiger kleinerer Läden zur Folge hatte, und Media-Markt hat keine einzige CD von mir im Laden stehen und sieht auch nach mehreren großen Zeitungsartikeln und meiner persönlichen Bitte keine Veranlassung, eine CD von mir ins Regal zu stellen. Aber sicher hast du auch Recht, dass das Interesse an „Elektronik-Musik“ geschwunden ist. Hier spielen nicht nur Mode-Trends eine Rolle, auch hausgemachte Probleme kommen hinzu: die sog. „Szene“ hatte in den letzten Jahren Profilierungsprobleme. Statt echten musikalischen Visionären wie T.D. wurde die „Szene“ zunehmend von Hobbyisten und Epigonen bestimmt. Kleine „Fanclubs“, oft nicht größer als eine Kaffee-Runde, mit eigenen „Magazinen“ von der Qualität einer Schülerzeitung, taten ihr Übriges dazu.

Stephan: Nun eine für einen Künstler sehr schwierige Frage. Wie würdest du selbst deine Musik beschreiben?

Rüdiger: Da ich schon häufiger mit der Frage konfrontiert wurde, habe ich mir den Begriff „Symphonische Elektronik-Musik“ überlegt. In Rezensionen werden Adjektive wie „romantisch“, „symphonisch“ und „impressionistisch“ benutzt. Vergleiche werden sowohl zu Epochen der Musik wie „Spätromantik“, „Impressionismus“ als auch zu Stilen wie „Minimalismus“ (Glass, Mertens, Nyman) gezogen. Mit diesen Vergleichen kann ich gut leben!

Stephan: Neben deinen Veröffentlichungen hast du auch Auftragskompositionen fürs Theater und den Film gemacht. Für welche Produktionen war das und wie kam es dazu?

Rüdiger: Vor 10/15 Jahren war ich viel in Köln und hatte dort Kontakte zu Theater- und Filmregisseuren. So entstand der Soundtrack zu „Fernes Land“ und „Busstop 3.11“, die verschiedene Filmpreise erhielten und im zuletzt genannten im Fernsehen gesendet wurden. Im Theaterbereich war es z. B. eine Inszenierung des „Treibhaus“ oder „Andorra“. Musik für Werbespots, die zum Teil auch im Kino liefen, z. B. ein Spot über AIDS (damals großes Thema) und einer gegen Ausländerfeindlichkeit. In Fernsehproduktionen wurden Stücke von mir verwendet, z. B. VOX-Tours, und die letzten großen Erfolge waren Musik von Elmar Schulte und mir aka SOLITAIRE für die Hollywood-Produktion „Blade“ und die deutsche Kinoproduktion „Die Musterschüler“.

Stephan: Deine Antwort zu dem Hollywoodstreifen Blade mit Wesley Snipes aus dem Jahr 1999 hat mich so fasziniert, dass ich mir gleich den Abspann angesehen habe und dort wird Solitaire, also Elmar Schulte und du, gleich mit drei Titeln genannt. Es ist zu lesen, dass eure Titel „Eclipse“, „Soleil“ und „Fearless“ im Film zu hören sind. Da interessiert mich brennend, wie eure Musik in den Streifen kam. Hatten die Produzenten etwas von euch gehört und dann angefragt einige Titel von euch zu nutzen?

Rüdiger: Du wirst lachen, aber wir wissen es auch nicht! Die CD SOLITAIRE „Fearless“ ist bei dem Label „Recycle or Die“, Sub-label von EYE Q, veröffentlicht worden. EYE Q hatte damals auch ein Büro in Los Angeles. Dort muss die CD dem Produzenten auf den Tisch gefallen sein..., mehr wissen wir auch nicht. Das Problem war nämlich, dass zu dem Zeitpunkt der Filmentstehung EYE Q schon Konkurs angemeldet hat, so dass wir die freudige Nachricht auch gar nicht von EYE Q erfahren haben. Erst durch Hilfe eines Rechtsanwalts haben wir herausgefunden, dass ein ehemaliger EYE Q-Mitarbeiter sich in London abgesetzt hat; - im Koffer dabei auch unser Geld für „Blade“! Aber inzwischen haben wir unseren rechtmäßigen Anteil bekommen. Aber unser Wunsch, nämlich Folgeproduktionen, bzw. weitere Anfragen, sind nicht in Erfüllung gegangen, denn der notwendige Rechtsstreit hat sicher Interessenten abgeschreckt.

Stephan: Ich weiß das es nicht einfach ist das zu beantworten, aber für welche Szenen (Art der Szenen) wurde euere Musik genutzt?

Rüdiger: Die erste Szene, in der unserer Musik verwendet wird, ist die mit der Ärztin, die von einem Vampir angefallen auf dem Boden liegt und von Blade gerettet wird, indem er mit ihr aus dem Fenster springt und ihr den Arm wieder einrenkt. Die Musik passt wirklich optimal zu den Bildern und ich bekomme immer noch eine Gänsehaut, wenn ich die Szene sehe.

Stephan: Was für ein Gefühl ist da, wenn man im Kinosessel sitzt, sich einen Hollywoodstreifen ansieht und die eigenen Musik dazu aus den Lautsprechern erschallt?

Rüdiger: Natürlich war es ein erhabenes Gefühl, die eigene Musik in einem Kinostreifen zu sehen, wobei mir ehrlich gesagt der Film nicht so gut gefällt. Aber ich würde mich schon sehr freuen, wenn meine Musik noch mal in einem - vielleicht etwas anspruchsvolleren - Film zu hören wäre.

Stephan: Sind eure Stücke auch auf dem Soundtrack herausgekommen? Wenn ja, wie war die Reaktion darauf bzw. habt ihr die überhaupt mitbekommen?

Rüdiger: Nein, leider nicht. Aber das hat sicher auch mit den o. g. Problemen zu tun.

Stephan: Was war mit dem zweiten Teil von Blade, seid ihr da kontaktiert worden? Hattet ihr noch weitere Anfragen aus Hollywood für Filmmusik?

Rüdiger: Der zweite Teil ist, soweit ich weiß, von einem anderen Regisseur und Produzenten erstellt worden. Natürlich hatten wir trotzdem gehofft, man hätte sich noch mal an uns erinnert!

Stephan: Auf deine Arbeit mit anderen Musikern möchte ich auch noch zu sprechen kommen. Neben der Arbeit mit Elmar Schulte unter dem Namen Solitaire hast du auch mit Mathias Grassow als Nostalgia musiziert. Wie kam es zu diesen Zusammenarbeiten?

Rüdiger: Mathias und ich sind seit vielen Jahren befreundet und der Wunsch einer Zusammenarbeit stand schon lange im Raum. Erster Versuch war die CD „Arcanum“ als Trio mit Amir Baghiri. Mit NOSTALGIA als Projekt sollte diese Zusammenarbeit noch intensiviert werden. Zurzeit arbeiten wir an der Folge-CD und haben wieder viel Spaß an der Arbeit!

Stephan: Du bist ja auch schon live aufgetreten. Wird man dich in naher Zukunft mal wieder auf einer Bühne erleben dürfen?

Rüdiger: Ich werde wieder live auftreten und es gibt da von BSC auch schon konkrete Pläne; will aber nicht mehr verraten!

Stephan: Wie sehen deine Zukunftspläne aus?

Rüdiger: Ich arbeite z. Z. an einer Produktion mit Alquimia, die mir sehr viel Spaß macht. Außerdem bin ich mit Mathias Grassow und Carsten Aghte an einer zweiten NOSTALGIA dran. Auch bei dieser Produktion spielt der Gesang eine größere Rolle als bei der vorhergehenden. In den nächsten Monaten will ich mich auch wieder vermehrt um Filmmusiken bemühen.

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