Steve Harley & Cockney Rebel - live
Zeche
, Bochum 23.10.2010
 


    

Ich kenne Steve Harley’s Musik noch aus seinen Anfangstagen (den frühen 70’ern), als vor allem sein Gesang etwas schrullig und daher für mich besonders reizvoll rüberkam. Songs wie „Sebastian“, „Judy Teen“, „Mr Soft“ oder „Psychomodo“ habe ich damals geliebt. Von den neueren Songs (also alles was ab Mitte der 80’er kam) war mir nichts bekannt und so ging ich ohne große Erwartungen in das Konzert, das Steve mit seiner aktuellen Formation am 23.10.2010 in der Bochumer Zeche gab.

     

Der Bühnenaufbau war recht schlicht, kein Firlefanz zu sehen, sondern lediglich die Instrumente waren aufgebaut. Etwas irritierend war kurz vor Konzertbeginn der Verkauf von CDs und Merch-Artikeln direkt vom Bühnenrand. Dies wiederholte sich am Ende des Gigs, war aber wohl nicht anders möglich, da ein Verkaufsstand aufgrund der nachfolgenden Disco-Veranstaltung in der Zeche wohl zu aufwändig gewesen wäre.

    

Pünktlich um 20.00 Uhr betrat Steve Harley, der neben Gesang auch Akustikgitarre und Mundharmonika spielte, mit seiner fünfköpfigen Band die Bühne. Mit dabei waren Barry Wickens (Violine, E- und Akustikgitarre), Robbie Gladwell (E- und Akustiggitarre, Perkussion), James Lascelles (Keyboards), Lincoln Anderson (Bass) und Stuart Elliott (Schlagzeug). Besonders schön ist, dass Steve seit einiger Zeit wieder zusammen mit Stuart Elliott spielt, mit dem er damals Cockney Rebel gründete.

     

Mir fiel zu Beginn des Konzertes auf, dass Steve in den Jahren – für meinen Geschmack - erwachsener geworden ist, denn sowohl die neuen Stücke wie auch die Klassiker hatten an Substanz gewonnen, ohne den unvergleichlichen Charme des Cockney Rebel-Stils zu verlieren.

     

Die Musik von Steve Harley & Cockney Rebel ist heute von einem hohen Anteil Folk durchzogen, was vor allem durch Barry’s Violinenspiel hervorgerufen wird. Dieses stilistische Element passt aber sehr gut zum Gesamtsound. Auch bewegt sich Steve an vielen Stellen im Bereich des Singer/Songwriters.

    

     

Steve & Band lieferten einen schnörkellosen Gig ab. Sie spielten sowohl reichlich Stücke vom aktuellen Album „Stranger Comes To Town“ sowie Klassiker aus der Bandgeschichte. Gleich nach dem recht folkigen „Faith & Virtue“ (es ist auch der Opener des aktuellen Albums) ging Steve weit in die Vergangenheit zurück und spielte „Psychomodo“ vom gleichnamigen 74’er Album, gefolgt vom ersten Hit „Judy Teen“. Vor allem bei diesen älteren Stücken, die in den Liveversionen recht druckvoll rüberkamen, ging das Publikum mit.

     

Harley’s Stimme war bei den meisten – vor allem ruhigeren Stücke - deutlich in den Vordergrund gemischt, so dass sein Gesang förmlich den Raum durchschnitt. Lediglich bei einigen älteren Songs, die recht rockig gespielt wurden (wie zum Beispiel „Here Comes The Sun“) waren mir vor allem Bass und Schlagzeug zu dominant und die Lautstärke zu hoch, so dass die Nuancen in der Lautstärke versanken.

    

Während des Stückes „Panorama“ hielt Harley mittendrin kurz inne und schaute zu einem Besucher, der ein Foto mit seinem Handy machte. Harley posierte einige Male und machte ein paar Handbewegungen, die er damit kommentierte, dass Leute, die Fotos in seinen Konzerten machen, oft das Handy bzw. den Apparat umdrehen und sich dann länger das Foto anschauen, statt die Show weiter zu verfolgen. Er meinte mit einem Lächeln im Gesicht, „Leute schaut euch das zu Hause an, ich kann mich ja gar nicht konzentrieren.“ Dann sinnierte er darüber, das er zwar die moderne Welt mag, aber es doch komisch sei, mitten im Dschungel am Ende der Welt verweilen, ein Pferderennen in England live per Handy verfolgen zu können“. Während er so zum Publikum sprach, spielte die Band im Hintergrund weiter. Als er am Ende war, hatte er den Text von „Panorama“ vergessen und bekam dann eine Hilfestellung aus dem Publikum. Dann band er das Publikum ein, das den Text „oh, oh, we’re having a party“ singen mussten und dies auch lauthals taten. Das zeigt wie gut er und auch das Publikum an diesem Abend drauf waren (während sich die Bandmitglieder doch eher im Hintergrund hielten).

     

Bei „Here Comes The Sun“ ging dann bei den Zuschauern richtig die Post ab, denn die Hände wurden gehoben und rhythmisch mitgeklatscht, während hunderte von Kehlen den Refrain sangen. Steve und Band spielten diesen Song wesentlich druckvoller und rhythmischer als es das Original hergibt. Barry Wickens, der bereits seine Violine beim Stück „No Bleeding Hearts“ wie eine Sirene heulen ließ, setzte hier zu einem tollen ausufernden Solo an.

    

Während Steve die Band vorstellte, gab es einen kurzen Exkurs in die Welt der Vinylscheiben und CDs. Denn, wie Steve bemerkte, konnte man auf den LPs wenigstens die Credits lesen und muss sich nicht die Augen verderben weil der Grafiker auf der CD den Text mal wieder in kleiner gelber Schrift auf weißem Untergrund platziert hat. Er stellte besonders heraus, dass es ihm eine Freude ist wieder mit Stuart Elliott zu spielen, mit dem er bereits vor 38 Jahren die Band gründete. Und schon war er bei seinem Alter bzw. dem Alter der Besucher, bei dem er doch einige ausmachte, die sogar älter waren als er.

    

Es folgte eine tolle Version von „Mr. Soft“ und dann leitete er „Journey’s End“ mit einer Geschichte über Kinder ein, die sich jenseits des 20. Lebensjahres befinden und studieren. Wenn du als Eltern meintest, sie würden nun endlich ausziehen und du brauchst keinen Babysitter mehr (um zum Beispiel zu einem Rockkonzert zu gehen) oder kannst wieder ungestörten Sex in der Küche haben, dann kommen sie vorbei und bringen die dreckige Wäsche zum reinigen vorbei. Als Dank gehen sie dann mit Tüten voller Lebensmittel bepackt wieder und du denkst, „Hey, das sind meine Lebensmittel, von meinem Geld gekauft.“ Diese Situation kennen ja wohl einige unter uns.

     

Nach dem Titelstück der aktuellen CD beschloss Steve dann das offizielle Konzert mit dem Klassiker „Sebastian“, das er in einer druckvollen und ausufernden Version bot. Keyboarder James Lascelles fügte am Ende ein Solo ein, das starke jazzige Elemente aufwies. Aber auch Gitarre und Violine bekamen während des Konzertes ihre Solopassagen. Der Song führte dann in ein fulminantes Ende, bei dem die Band zigmal zum Schlussakkord ansetzte.

    

    

Statt lauthals Zugabe zu rufen skandierte das Publikum die Textzeile „Oh! dear, look what they’ve done to the blues, blues, blues“ aus dem Song „Tumbling Down“. Steve kommt zurück auf die Bühne und meint: „Diesen Song spiele ich nicht mehr“. Und präsentiert ihn dann doch. Dazu greift er zunächst zur Mundharmonika. Und auch in diesem Lied wird der Text vom Publikum lauthals mitgesungen. Den Abschluss bildet dann die zweite Zugabe „Make Me Smile“, bei der dann niemand mehr zu halten ist. Ein tolles Konzert findet so nach zwei Stunden seinen Abschluss.

     

Steve Harley & Cockney Rebel live, das ist handgemachter Rock mit Pop-, Folk- und Singer/Songwriter-Einflüssen. Ein Konzert das einfach nur Spaß machte.


(Verkaufsstand auf der Bühne)

Setlist:

Faith & Virtue

Psychomodo

Judy Teen

Panorama

No Bleeding Hearts

True Love Will Find You In The End

Star For A Week (Dino)

This Old Man

All Men Are Hungry

Mr. Raffles

Here Comes The Sun

The Lighthouse

Mr. Soft

Journey’s End

Stranger Comes To Town

Sebastian

 

Zugabe:

Tumbling Down

Make Me Smile

Stephan Schelle, 24.10.2010