Rosen & Gomorrha - Live 17.12.2002 Apollo-Kino Arnsberg
   

 

Am Dienstag den 17.12.2002 war ich im Kino. Bei einigen von euch wird es jetzt wahrscheinlich klingeln, denn es war der Vorabend des Kinostarts von „Die zwei Türme“ und in vielen Lichtspielhäusern wurde vor 24:00 Uhr noch der erste Teil „Die Gefährten“ gezeigt, also eine lange Herr der Ringe-Nacht für einige Cineasten.

Nicht so im Neheimer Apollo-Theater. Das Kino war kurzfristig zum Konzertsaal umfunktioniert worden denn die Band um die beiden Neheimer Musiker Toett (Keyboards) und Martin Meinschäfer (Gesang und Gitarre) gaben sich die Ehre in ihrer Heimatstadt einen Auftritt zu absolvieren. Und es kamen viele, denn mit gut 300 Besuchern war das Konzert absolut ausverkauft.

 

 

 

Vielleicht kennt der ein oder andere Martin Meinschäfer noch von seinen früheren Projekten. Anfang der 80’er zog er mit der Band Hob Goblin durchs Land, die mit der LP „Brot und Spiele“ damals einige Beachtung fanden. Den meisten wird aber der Hit von Dolls United, die einen Titel der Augsburger Puppenkiste in einer Dance-Version herausbrachten in Erinnerung sein. Die Rede ist von „Eine Insel mit zwei Bergen“. Außerdem spielt er bei der Band Couchgott und war Comedian bei Eisberg. Auch Toett ist kein unbeschriebenes Blatt, er drückte schon die Tasten bei Phillip Boas Vodoo Club. Doch all dies hat mit der Musik von Rosen & Gomorrha soviel zu tun wie eine Kuh mit Schlittschuhlaufen.

     

Nun aber erst einmal zu der Location. Warum wählt eine Rockband gerade ein Kino für ein Konzert? Das ist eine berechtigte Frage. Doch hier muss erst einmal erwähnt werden, dass außer den zuvor erwähnten Musikern noch vier weitere mit zur Band gehören. Als da wären Ralf Gustke am Schlagzeug (Söhne Mannheims), Willy Wagner am Kontrabass (Xavier Naidoo), Joo Kraus an der Trompete (Tab Two) und Mattel Dörsam am Saxophon (Pee Werner). Jetzt wird klar, dass die vier letztgenannten weitere Verpflichtungen haben, die ein gemeinsames Touren derzeit unmöglich machen. Und hier sind wir an dem Punkt angelangt, warum das Konzert im Kino stattfindet.

     

Martin und Toett haben aus der Not eine Tugend gemacht und bei ihrem Liveauftritt die vier anderen Musiker auf Zelluloid mitgebracht. Auf der Bühne steht Toett vor seinem Keyboard und Martin spielt sitzend auf einem Barhocker Gitarre. Neben ihnen ist eine Leinwand aufgebaut, auf der während des gesamten Konzertes Filmaufnahmen laufen.

     

Das Konzert besteht also aus den Livedarbietungen von Martin und Toett, die Sounds der anderen Musiker kommen von Band oder CD. Dazu werden Filmeinspielungen geboten, die die anderen Musiker zeigen und absolut synchron zur Musik laufen. In den Filme sind nicht nur die Musiker zu sehen, es werden auch mit Laiendarstellern - allen voran Ralph Leyendecker, der eine herrliche Art Herbert Knebel-Verschnitt bot - gedrehte Clips gezeigt. Die Filme bewegen sich zwischen Videoclips und Konzertaufnahmen.

Als Gag finden einige interaktive Szenen statt, wenn beispielsweise Toett von der Bühne aus einer Dame im Film Feuer gibt. Hier sieht man ihn von der Bühne aus hinter die Leinwand greifen und im Film sieht man seinen Arm und seine Hand inklusive Feuerzeug. Ein anderes Mal bringt er den gelangweilten „virtuellen“ Musikern ein paar Glas Bier. Am Ende gehen gar Martin und Toett gemeinsam hinter die Leinwand und tauchen im Film bei den anderen Musikern auf, mit denen sie dann den Erfolg des Konzertes genießen.

     

Schön war auch, dass sich die Dekoration (Kunstrosen an den Mikrophonen und Keyboards sowie rote Kerzenlichter auf dem Bühnenboden) sowohl im Kino, wie auch im Film wieder fanden. Das war für mich eines der verbindenden Elemente dieser ungewöhnlichen Performance.

Auch die Videoclips waren mit viel Liebe inszeniert und hatten immer einen Bezug zu den Songs. Sämtliche Darsteller waren Laien, machten ihre Sache aber hervorragend. Wie Martin es beschrieb, wurden Freunde und Bekannte kurzfristig angerufen und gebeten zu den Drehs zu kommen, was diese dann auch taten. Gut gefallen hat mir der Clip in dem Klaus, der an Klaustrophobie leidet, einen Fahrstuhl betritt, in dem anfangs niemand außer ihm ist. Dann gesellen sich aber so illustre Gestalten wie Eishockeyspieler, Mechaniker, Metzger, die gleich mit einem halben Schwein auf dem Rücken antraben, Nonnen und Gewichtheber mit ihren Sportgeräten in den Fahrstuhl, was bei dem lieben Klaus auch gleich zu Schweißausbrüchen führt.

     

Auch sind sich die beiden Musiker nicht zu schade, in Ballettkostüme zu schlüpfen um ca. fünf Minuten über das Tanzen zu reden. Dabei wird das Publikum aufgefordert die vier wichtigsten M’s des Tanzens aufzusagen. Das sind Movement, Motion, Magic und Mehr. Und der komplette Kinosaal tat wie ihm befohlen. Das ich das heute, einen Tag nach dem Konzert noch hinkriege, ist Beweis dafür, das die Lektion gesessen hat.

     

Ganz nach dem Motto „Das Leben ist kein Tanzlokal“, welches auch den Titel ihrer aktuellen CD darstellt, gehen die Musiker auf Tour. Dabei treten sie nicht nur in Kinos sondern auch in anderen Locations auf. Das nächste Konzert findet übrigens am

25.01.2003 im Soester Schlachthof

statt.

Ihre Musik ist irgendwo zwischen Steely Dan und Tom Waits mit deutschen Texten angesiedelt.

     

Zwischen den Stücken las Martin einige Male aus dem "goldenen Buch des Halbwissens" vor. Diese Textbeiträge wurden mit einer großen Portion Humor vorgetragen und brachten die Zuschauer zum Lachen, das lockerte das Konzert merklich auf. Insgesamt wurde eine sehr lockere und tolle Atmosphäre von den beiden erzeugt. Der Funke sprang sehr schnell aufs Publikum über.

Gut zwei Stunden Livemusik erwartete die Zuschauer, die zum Ende hin mit kräftigem Applaus mehrere Zugaben herausholten.

     

Abschließend möchte ich betonen, dass dieser Abend sehr kurzweilig war und mir eine Menge Spaß bereitet hat. Ich kann nur hoffen, dass die vier Zelluloid-Artisten neidisch auf den Erfolg der Rosen-Tour werden, denn die beiden Musiker haben es wirklich verdient, dass ihrem wahnwitzigen Konzept die notwendige Beachtung geschenkt wird. Auf das die Lichtspielhäuser dieser Nation noch weitere Konzertabende mit Martin und Toett erleben werden und die Ränge voll besetzt sind.

Weitere Informationen erhaltet ihr auf der sehr guten Internetseite von Rosen & Gomorrha unter:

www.rosenundgomorrha.de

Stephan Schelle, Dezember 2002