Unter dem Motto Ray Wilson & Quartett
„GENESIS Classic“ gastierte der sympathische schottische Gitarrist und
Sänger Ray Wilson der vor allem durch seine Band Stiltskin (größter Hit „Inside“)
und als Sänger von Genesis (er hat das letzte Studioalbum der Band – „Calling
All Stations“ eingesungen) bekannt wurde, am 25.04.2013 im Alten Schlachthof
in Soest. Aber auch Solo ist er seit Jahren ein erfolgreicher Musiker.



In einer fesselnden mehr als zweistündigen
Show, bot er nicht nur – wie man vielleicht bei dem Motto hätte meinen
können - Genesis-Klassiker, sondern spickte sein Set auch noch durch
Solostücke von Phil Collins, Steve Hackett, Mike And The Machanics, Peter
Gabriel sowie eigene Songs. Dabei interpretierte er die Songs in sehr
schönen Akustikversionen, die trotz der reduzierten Instrumentierung eine
gehörige Portion Druck entfalteten.



In Soest trat Ray mit „kleinem Besteck”
auf, denn während viele seiner Shows mit dem mehrköpfigen Symphonieorchester
besetzt sind, trat er in Soest mit nur fünf Musikern auf. Die Besetzung des
Abends stellte sich wie folgt dar: Ray Wilson (Gesang, Akustikgitarre),
Steve Wilson (Godin Akustikgitarre, 12saitige Akustikgitarre,
Backgroundgesang), Darek Tarczewski (Piano), Alicja Chrzaszcz (Violine),
Basia Szelagiewicz (Violin) sowie Marcin Kajper an Saxophon, Querflöte und
Klarinette. Damit war Ray nicht nur mit einem Quartett, sondern eigentlich
mit einem Quintett auf der Bühne. Der weitere Musiker Marcin verlieh den
Songs mit seinen Instrumenten noch einmal eine weitere Komponente.


In einem zwei geteilten Set, das durch
eine gut 15minütige Pause unterbrochen wurde, bot Ray Wilson als Basis des
Programms einen Streifzug durch die langjährige Geschichte der britischen
Band Genesis. Dabei beschränkte er sich nicht nur auf ihre erfolgreichen
Hits oder seine Zusammenarbeit mit der Band im Rahmen des Albums „Calling
All Stations“ (1997), sondern bot auch mit zum Beispiel „Ripples“ oder „Carpet
Crawlers“ ältere Stücke der Supergroup.



Das große Plus an Ray Wilson ist seine
sanfte aber doch kraftvolle und ausdrucksstarke Stimme, die vor allem bei
einem akustischen Set sehr gut zur Geltung kommt. Das bestätigte er in Soest
auf eindrucksvolle Weise. Unterstützt wurde er dabei von seinem Bruder Steve
Wilson, der nicht nur den Backgroundgesang sondern auch bei „One“ den
Leadgesang übernahm. In diesem Fall nahm sich Ray zurück, was er auch bei
dem ein oder anderen Track z. B. den Instrumentals „Horizons“ und „Entangled“
machte, in dem er seinen Mitmusikern die Bühne überließ.



Gestartet wurde aber mit dem Stück „Another
Cup Of Coffee“ von der Band Mike And The Mechanics (Projekt des
Genesis-Mitgliedes Mike Rutherford). Hier zeigte sich schon zu Beginn,
welche Dynamik und Ausdruckskraft Ray in die Arrangements der
Akustikversionen gelegt hat, denn das Stück ging schon richtig gut los und
startete damit in einen Konzertabend voller Höhepunkte. Die Kombination von
Akustikgitarren, Piano und Violinen funktionierte dabei ganz hervorragend,
denn Ray verstand es die Songs so zu spielen, dass sie nicht ins Kitschige
abdrifteten, sondern durch die Instrumente ein neues, ansprechendes Gesicht
bekamen.


Nach diesem fetten Opener ging es Schlag
auf Schlag weiter. Phil Collins’ Hit „Another Day In Paradise“ stand als
nächstes an, gefolgt von einem eigenen Song. Als dann mit „No Son Of Mine“
der erste Genesis-Klassiker uf der Setliste auftauchte, erzählte Ray dem
Publikum, dass dies der erste Song sei, den er mit Genesis zusammen gesungen
habe.



„Biko“, der Apartheid-Song von Peter
Gabriel über den ermordeten afrikanischen Bürgerrechtler Stephen Biko, wurde
an diesem Abend zu einer intensiven Akustikgitarrennummer, in deren Verlauf
sich Ray und Steve die Bälle an ihren Instrumenten zuspielten. Aber nicht
nur die Melodie wurde von Ray mit der Gitarre gespielt, auch den für diesen
Song typischen Rhythmus erzeugte er durch Schläge auf den Gitarrenkörper.
Danach stand das wunderbare „One“ auf dem Programm, das von Steve Wilson
gesungen wurde. Steve und Ray entfachten mit ihren beiden Akustikgitarren
eine ungeheuere Dynamik, die den Song zu etwas ganz Besonderem machte.
Einfach hinreißend wie sich die beiden an den Gitarren ins Zeug legten.



Nach „Shipwrecked“, einem Song vom 97’er „Calling
All Stations“-Album kam ein kleines Highlight der besonderen Art. Die junge
Violinistin Alicja Chrzaszcz trat mit ihrem Instrument an den Bühnenrand und
führte Steve Hackett’s „Horizons“ mit Unterstützung von Ray und Steve in
einer wunderschönen, klassischen Interpretation auf. Darauf kam ein weiteres
Genesis-Highlight mit „Follow You, Follow Me“, das Ray, wie er erzählte,
immer schon gerne in der Akustikversion gespielt hat. Das Publikum sprang
auf diesen Song sofort an und sang ihn streckenweise mit.


Zur Abwechslung gab es dann mit „Wait For
Better Days“ dann einen Titel von Ray’s brandneuem Album „Chasing Rainbows“,
das sich sehr gut in den Set einfügte. Danach sorgte „Carpet Crawlers“ für
ein stimmungsvolles Ende des ersten Teils. Ray verabschiedete sich in eine
gut 15minütige Pause mit den süffisanten Worten, „ein paar Jägermeister zu
trinken“.



Nach der Pause wurde gleich mit
Genesis-Songs weiter Druck gemacht. Gestartet wurde der zweite Teil mit „That’s
All“, bei dem Ray und seine Musiker das Publikum sofort auf ihrer Seite
hatten, das sich in rhythmischem Mitklatschen ausdrückte und einer
druckvollen Version des Hits „Jesus He Knows Me“. Mit „The Actor“ stand dann
ein weiterer eigener Song auf dem Programm, um dann mit einem hinreißenden „Ripples“
auf den nächsten kleinen Höhepunkt hinzusteuern. Die beiden Violinistinnen
rahmten Ray am Bühnenrand ein und hörten in der ersten Hälfte zunächst
andächtig zu, um dann im zweiten Part des Stückes eine Gänsehaut treibende
Violinenpassage einzustreuen. Während Alicja Chrzaszcz danach an ihren Platz
zurückging blieb dieses Mal die Violinistin Basia Szelagiewicz am Bühnenrand
stehen um Solo das Genesis-Instrumental „Entangled“ vorzutragen. Eine
wirkliche tolle Interpretation.



Daran schlossen sich ein von beiden
Violinistinnen interpretiertes Vivaldi-Intermezzo an, das dann in „Inside“,
dem erfolgreichsten Titel von Ray’s Band Stiltskin überging. Und auch die
nächsten beiden Stücke stammten wieder aus der Feder von Ray Wilson. Mit „Another
Day“ und „Take It Slow“ hatte er zwei weitere Solostücke im Programm
(letzterer vom neuen Soloalbum „Chasing Rainbows“). Der Höhepunkt war aber
die Interpretation von Peter Gabriel’s „Solsbury Hill, bei dem es im
Publikum kein Halten mehr gab und dieses schon während des Songs „Standing
Ovations“ für die Musiker spendierte. Damit war dann der offizielle Teil
beendet.


Die Zugaben starteten dann mit dem Phil
Collins-Klassiker „In The Air Tonight“, bei dem Ray das Publikum zum
Mitsingen animierte. Die Stimmung war zu diesem Zeitpunkt schon auf dem
absoluten Höhepunkt. Danach gab es - wie Ray schelmisch erwähnte - den
erfolgreichsten Titel, den er je geschrieben hat. Er will ihn nach einem
Konzert in einer noblen Unterkunft komponiert haben (zusammen mit seinem
Bruder). Wie er Augenzwinkernd weiter erzählte soll die erste Aufführung
dann vor reichen Scheichs und Prostituierten stattgefunden haben. Das Stück
hieß „The Airport Song“ und strotzte nur so vor unterschiedlichen
musikalischen Stilrichtungen. Jeder der Musiker hatte in diesem Song seinen
ganz eigenes, kleines Solo. Eine richtige Spaßnummer.



Die letzte Zugabe begann mit einem
Pianointro an dessen Anfang einige Noten von „The Lamb Lies Down On
Broadway“ gestellt waren. Neben einigen klassischen Motiven schälten sich
auch Fragmente von Phil Collins’ „Against All Odds“ aus der Pianoeinlage von
Darek heraus. Das Ganze gipfelte dann (ging nahtlos über) in dem
Genesis-Song „Not About Us“, der den Abschluss dieses wunderbaren Konzertes
darstellt. Ray Wilson live ist ein Hochgenuss, denn der Schotte wirkt auf
der Bühne so locker und natürlich und geht mit sehr viel Herzblut ans Werk.
Sehr sehenswert.


