Lazuli
(Zentrum Altenberg, Oberhausen, 14.05.2023)

 

    

Die französische Band Lazuli, die 1998 gegründet wurde, legte den Grundstein für ihre deutsche Fangemeinde am 11.07.2009 beim Night Of The Prog-Festival, bei dem sie die Zuschauer auf dem Felsen hoch über dem Rhein an der Loreley durch ihre Spielfreude und die ungewöhnliche Mischung aus Progressive-, Symphonic-Rock, Klassik, Chanson, Pop und Avantgarde begeisterten. Nicht von ungefähr rockten sie 2022 bereits zum fünften Mal den Loreley-Felsen.

     

    

    

Ihr aktuelles Album aus dem Jahr 2022 trägt den Titel „Onze“ und ist der elfte Longplayer der Band. Die Band besteht anno 2023 aus Dominique Leonetti (Gesang, Gitarren), Claude Leonetti (Léode), Arnaud Beyney (Gitarren, Bass), Romain Thorel (Keyboards, French Horn, Schlagzeug) und Vincent Barnavol (Schlagzeug, Percussion, Marimba). Am 14.05.2023 gastierten sie im Zentrum Altenberg in Oberhausen, wo sie den offiziellen Abschluss ihrer Anfang Mai gestarteten Tour – mit acht Auftritten in vier Ländern – abschlossen.

     

    

     

Nach dem Konzert meinten sie, dass sie innerhalb von 15 Tagen über 7.000 Kilometer gereist und jetzt doch ein wenig müde seien. Davon war beim Konzert aber nichts zu spüren, ganz im Gegenteil. Lazuli zeigten, dass sie eine Liveband sind, die vor allem auf der Bühne durch ihre Spielfreude und Dynamik noch mehr an Qualität gewinnt.

    

     

    

     

Allein neun der elf Stücke vom neuen Album „Onze“ hatten die sympathischen Franzosen in ihrer Setlist. Die Songs erblühten in den Liveversionen zu neuem Leben, da sie wesentlich kraftvoller vorgetragen wurden und das Publikum schnell mitrissen. Ein weiteres Geheimnis dieser besonderen Beziehung zwischen deutschen Fans und Band sind die eingestreuten Ansprachen in deutscher Sprache von Dominique, der kein Deutsch spricht und die Texte (in Lautschrift) vom Blatt abliest. Das besitzt einen ungeheuren Charme.

    

    

    

Auf dieser Tour hatten sie Filme dabei, die zu den einzelnen Songs auf eine Leinwand projiziert wurden. Das unterstützte die Songtexte, die ja nicht jeder versteht und sorgte darüber hinaus für eine tolle visuelle Ergänzung.

     

    

    

Gestartet wurde mit einem Dreierblock vom neuen Album. Die ersten drei Stücke von „Onze“ wurden direkt nacheinander gespielt. Den Beginn machte „Sillonner des océans de vinyles“. Zu diesem wunderbar sanften, proggigen Song waren Karikaturen der Band auf einem bunten Schiff auf der Leinwand zu sehen, die so ein bisschen an „Yellow Submarine“ von den Beatles erinnerten. Das passte auch gut zur Musik. Ein klasse Einstieg, der schon früh zur Begeisterung im Publikum führte. Und diese Stimmung sollte sich im Laufe des Konzertes noch weiter potenzieren.

    

    

    

     

Den Song „Triste carnaval“ leitete Dominique mit der Frage ein, ob schon mal jemand davon geträumt hätte, im Schlafanzug in die Schule gegangen zu sein. Ihm ist passiert, dass er als einziger verkleidet zu Karneval in die Schule gekommen ist. Auch dieses Lied wurde von Comicartigen Figuren untermalt. Ein zunächst recht melancholisches Lied, bei dem die Band dann aber nach wenigen Minuten die Zügel los ließ und das Stück mit mehr Druck als im Original spielte. Auch das atmosphärische „Qui d’autre que l’autre“ wusste in der Liveversion zu überzeugen.

    

     

    

Nach diesen ersten drei Liedern kamen dann drei Songs vom viel gelobten 2020’er Album „Le Fantastique Envol de Dieter Böhm“ an die Reihe. Mit „Dieter Böhm“ (hier wechselte Romain Thorel das erste Mal vom Keyboard zum French Horn, was im Verlauf des Konzertes noch mehrmals erfolgen sollte), „Les chansons sont des bouteilles à la mer“ und „L’homme volant“ hatten sie drei gute Songs aus dem Album ausgewählt.

     

    

    

Danach dann wieder ein Dreierblock vom neuen Album, beginnend mit dem wunderbaren „Égoïne“, das, wie Dominique erzählte, soviel wie „Sieg“ bedeutet. Etwas getragener wurde es dann mit dem Song „Lagune grise“, bei dem einige sehr schöne Gitarrensoli zu hören waren. „Le pleureur sous la pluie“, ein ebenso klasse Song von „Onze“ untermalten sie mit zahlreichen Filmschnipseln aus der Filmgeschichte, in denen Charlie Chaplin, Buster Keaton genauso zu sehen waren, wie zum Beispiel Szenen aus „Zurück in die Zukunft“. Die Ausschnitte waren perfekt zur Musik zusammengestellt.

     

    

    

Das 2018’er Album „Saison 8“ wurde mit zwei Songs bedacht. Zu Beginn des Stückes „Un linceul de brume“ zauberte Claude an seiner Léode unglaubliche Sounds, die mich an einen Westcoastartigen Gitarrensound erinnerten. Unterlegt wurde der Song von düsteren Bildern eines Kernkraftwerkes. Arnaud Beyney tauschte in diesem Stück seine E-Gitarre mit dem Bass, während Romain wieder zum French Horn griff. Beim Song „Mes semblables“ blieb Arnaud am Bass und Dominique wirbelte in bekannter Manier wie ein Derwisch über die Bühne. Das ist immer wieder ein Erlebnis und mitreißend.

     

    

    

„La bétaillère“ leitet Dominique dann wieder mit ein paar deutschen Worten ein. Als sie auf der Autobahn unterwegs waren und einen Viehtransporter überholten, der die Tiere gerade zur Schlachtbank fuhr, ließ Dominique dieses Bild nicht mehr los und so komponierte er diesen Song. Passend dazu wurden Bilder von einem LKW und Zuchttieren wie sie vom Hof abgeholt und wegtransportiert werden, in Spielzeugausführung auf der Leinwand gezeigt.

     

    

     

    

Das folgende „Le miroir aux alouettes“ vom 2011’er „Album „[4603 battements]“ ist seit Jahren ein Liveklassiker. Vincent Barnavol wechselte hier vom Schlagzeug zur Marimba und danach an die Djembe, was dem Song dieses arabische Flair verleiht. Zum Ende hin übernahm Romain dann das Schlagzeug und Dominique stieg von der Bühne und spielte im Publikum weiter. Ein weiterer Höhepunkt in diesem Konzert.

    

     

    

Dem folgten mit „Déraille“ und „Les courants ascendants“ zwei Songs vom 2014’er Album „Tant Que L’herbe Est Grasse“. Und mit einer Improvisation von Romain und Vincent, zudem die anderen die Bühne verließen, endete der offizielle Teil des Abends. Die beiden brannten in der Improvisation, die jeden Abend anders ausfällt, ein wahres Feuerwerk an Keyboard und Schlagzeug ab. Darin vermischten sie die unterschiedlichsten Stile so dass es mal jazzig, dann proggig und auch mal klassisch klang.

    

     

    

Die Band kam danach noch für die Zugaben auf die Bühne. Zunächst war dies „Les mots désuets“ vom neuen Album. Hier spielte Dominique Gitarre während alle anderen zusammen mit ihm am Bühnenrand sangen. Ein sanfter und intimer Abschluss, dem dann die legendäre Zugabe „9 hands around the marimba“ folgte. Nach der bekannten Einleitung schloss sich dieses Mal eine Passage des Beatlesklassikers „Here Comes The Sun“ an.

     

    

    

Unter großem Applaus verließen die sympathischen Franzosen, die bei vielen Progfans mittlerweile zu musikalischen Freunden geworden sind, die Bühne und waren ohne Pause sofort für die Besucher noch an ihrem Stand präsent. Lazuli rockten das Zentrum Altenberg und lieferten ein grandioses Konzert, das alle Besucher vom ersten Moment an fesselte. Diese Band ist eine Bank, die man einfach live erlebt haben muss.

    

                        

    

 

Setlist

Sillonner des océans de vinyles
Triste carnaval
Qui d’autre que l’autre
Dieter Böhm
Les chansons sont des bouteilles à la mer
L’homme volant
Égoïne
Lagune grise
Le pleureur sous la pluie
Un linceul de brume
Mes semblables
Parlons du temps
La bétaillère
Le miroir aux alouettes
Déraille
Les courants ascendants
Improvisation

Zugabe

Les mots désuets
9 hands around the marimba (Here Comes The Sun)

 

Stephan Schelle, Mai 2023