Curt Cress - Drum Talk
(Haus Eifgen, Wermelskirchen, 05.04.2025)


    
Curt Cress und Werner Fromm

Curt Cress ist der wohl meistbeschäftigte Studioschlagzeuger Deutschlands und mehr als 50 Jahre aktiv. Schon mit Anfang 20 avancierte Curt Cress zu einem der gefragtesten Drummer und wurde zum weltweit bestbezahlten Studioschlagzeuger. Er war Drummer für Freddie Mercury, Ike & Tina Turner, Meat Loaf, Peter Maffay, Rio Reiser, SAGA, Rick Springfield, Scorpions, Spliff, Falco, BAP, Alphaville, Udo Jürgens, Peter Schilling, Münchener Freiheit, Milli Vanilli, Nena, Udo Lindenberg und unzähligen weiteren Künstlern. Zwischen 1978 und 1980 war er mit seiner Jazzrockband Snowball recht erfolgreich. Cress war an mehr als 12.000 Musikproduktionen beteiligt, heimste zahlreiche „Goldene Schallplatten“ ein und wurde 15 Mal zum „Drummer des Jahres“ gewählt.

    

Nach seiner aktiven Zeit als Schlagzeuger begann er eine nicht minder erfolgreiche Laufbahn hinter den Kulissen des Show-Zirkus. Cress gründete die Pilot Tonstudios, als Produzent wurde er nicht nur mit Uwe Ochsenknecht erfolgreich, sondern auch mit Falco, Nina Hagen, Nena, Udo Lindenberg und dem Royal Philharmonic Orchestra in London. Heute leitet Curt eine Firmengruppe speziell für Musik und Medien. Als Mentor für junge Schlagzeuger/Innen, Musikverleger, Produzent, Plattenfirmen-Betreiber und Fernseh- und Filmmusikkomponist ist er weiterhin eine der einflussreichsten Figuren der deutschen Musikszene.

    

Wer solch ein Leben führt, der kann viele Geschichten erzählen. Und genau das macht Cress bei seinem Drum Talk, einer Show aus Erzählungen und Musik. Zusammen mit Bassist Wolfgang Schmid und Keyboarder Chris Weller sowie als Gesprächspartner Werner Fromm, der den „roten Faden“ im Auge hatte, ist er in Deutschland unterwegs um seine Geschichten mit musikalischen Beiträgen zu untermauern. Am 05.04.2025 gastierte der mittlerweile schon 72jährige Curt Cress im Haus Eifgen in Wermelskirchen.

    

Auf die Idee zu seiner Drum Talk-Show hat ihn sein Freund Werner Fromm, der auch Schlagzeuger ist und in der Band Eyszeit sowie in einer Peter Maffay-Tribute Band spielt, gebracht. Curt Cress hatte kein Skript, sondern erzählte Storys aus dem Musikbusiness, wie sie ihm einfielen. Werner Fromm sorgte aber dafür, dass Curt an diesem Abend nicht zu sehr abschweifte und bei seinem Konzept blieb. Denn nur so machten die Einspielungen von kurzen Songs, an denen er beteiligt war und auch kurze Videos aus dem Archiv, die ihn live zeigten, Sinn.

     

Bevor es richtig losging lobten Curt Cress und Werner Fromm erst einmal die Location sowie das Personal und die Verantwortlichen des Haus Eifgen. Sie seien herzlich empfangen worden und hätten ein sehr positives Umfeld vorgefunden. Wörtlich sagte Cress: „Ihr wisst gar nicht was ihr hier für eine tolle Location und einen tollen Verein habt.“ Und das will was heißen, aus Munde eines Mannes, der schon die ganze Welt gesehen hat. Dann testete Cress das Rhythmusgefühl der Besucher, in dem sie rhythmisch 1x mit dem Fuß und 2x in die Hände klatschen sollten. Dieser Rhythmus sollte ein paar Minuten gehalten werden, während Curt in einem abweichenden Rhythmus Schlagzeug spielte. Es klappte.

    

Dann startete Curt mit seinen Storys, beginnend mit den seinen frühen Anfängen. Mit 12 war er bereits in einer Band, die Soul spielte. Mit 16 Jahren gehörte er zur Band Orange Peel, die die Single „I Got No Time“ veröffentlichte und damit in Belgien und Frankreich eine Nr. 1 vorzuweisen hatte. Nach der Episode mit Atlantis wollte er im Alter von 20 Jahren etwas anderes machen und kam so zu Passport, denen er einige Jahre angehörte. Udo Lindenberg holte ihn damals im Auto ab und tauschte den Platz mit ihm bei Atlantis. Und schon ging es in die Welt, denn kurz nach dem Einstieg gingen Passport auf eine Tournee nach Brasilien. Von der „Jubilee“-Tour hatte er einen kurzen Ausschnitt von Passport live in Hamburg mit dabei. Hier sah man, wie sich Curt und Pete York an zwei Schlagzeugen duellierten. Einfach großartig.

     

Nach einigen Geschichten holte Curt dann Wolfgang Schmid (Bass) und Chris Weller (Keyboard) auf die Bühne um mit den beiden zu improvisieren. Wie Curt sagte, ist jeder Abend anders, da die Stücke nie gleich sind. Hier zeigte sich aber welch Ausnahmekönner auf der Bühne standen. Sie agierten mit einem blinden Verständnis und boten eine sehr abwechslungsreiche Mischung aus Rock, Soul, Funk und Jazz, wobei auch mal ein The Police-artiger Rhythmus sich aus dem Sound schälte. Wolfgang Schmid spielte dabei nicht nur einen rhythmischen Bass, sondern übernahm zeitweise auch die Leadstimme bzw. die Harmonien. Während einer Improvisation zeigte Curt dann sein ganzes Können während eines längeren Schlagzeugsolos, in dem er nicht nur technisch anspruchsvoll agierte, sondern auch noch sehr harmonische Rhythmusmuster spielte. Er hat den Rhythmus im Blut.

    

Weitere Geschichten zeigten, das Cress oft sehr kurzfristig um die halbe Welt reiste, um im Studio Stücke für andere Künstler einzuspielen. So rief ihn Dieter Dirks an, weil Ike Turner ihn haben wollte. Nach der Einspielung bat ihn Turner in die Band einzusteigen, was Cress aber ablehnte, da er mehr im Jazzrock verortet war. Mit Passport hatte er Gigs, bei denen eine Band aus Australien als Vorgruppe agierte, die später zu Weltruhm kommen sollte. Es war AC/DC. Im Alter von 25 Jahren verließ Cress dann aber Passport um ein Haus zu bauen und seine berufliche Zukunft auf mehrere Beine zu stellen.

     

Für Saga hat er dann auf den Alben „Wildest Dreams“ und „The Beginners Guide To Throwing Shapes“ getrommelt. Als er in London von einem Taxi abgeholt werden sollte, stand da ein Rolls Royce, da alle Taxen des Unternehmens gerade unterwegs waren. Das sorgte vor dem Studio natürlich für Aufsehen.

    

    

Auch für italienische Musiker hat er bei Produktionen mitgewirkt. Unter anderem für Al Bano & Romina Power, Gianna Nannini und Righeira. Für letztere war er u. a. an „Vamos A La Playa“ beteiligt. Man musste ja die Familie ernähren. Am Tag darauf ging es im gleichen Studio dann mit Warlock (mit Doro Pesch) bei „Speed Of Sound“ in einem ganz anderen Genre weiter. Das zeigt mal wieder die Vielseitigkeit dieses Ausnahmeschlagzeugers. Bei Warlock sollte er eine Double-Bass Drum spielen, die er aber nicht hatte. Die Lösung: Er nutzte eine zweite Bass Drum, die er mit dem Schlagzeugstock bearbeitete. Dies demonstrierte er dann kurzerhand live.

    

Auch auf Freddie Mercurys Soloalbum „Mr. Bad Guy“ ist er zu hören. Er ersetzte - nach Absprache mit Taylor - den bereits aufgenommenen Schlagzeugpart von Roger Taylor. Mercury bezeichnete er als einen Menschen mit einer großen Aura. Weitere Beispiele für seine Vielseitigkeit erläuterte er dann mit Arbeiten für Engelbert Humperding, Udo Jürgens, Alphaville, Tom Schilling („Major Tom“) und Rio Reiser („König von Deutschland“ und „Juni Mond“) sowie einer Einspielung mit Shirley Bassey (eine Titelmelodie für die TV-Serie „Die Gang“).

    

Nach 2 3/4 Stunden endete der sehr unterhaltsame Drum Talk mit einer Version von Passports „Abracadabra“ sowie einer kurzen musikalischen Zugabe. Vor allem die lockere und sehr humorvolle Art, in der Curt Cress die Geschichten aus seinem musikalischen Leben vortrug machten dieses Event aus. Er ging dabei sehr respektvoll mit den Musikerkollegen um und nahm sich dabei auch selbst nicht zu ernst. So gab er auch die ein oder andere von ihm verschuldete Panne zum Besten.

    

Der Drum Talk war ganz großes Kino, denn es war eine Freude Curt Cress über sein musikalisches Leben zuzuhören und auch die eingestreuten fünf improvisierten Stücke waren von hoher Qualität. Das Publikum hing ihm gebannt an den Lippen und spendete mehrfach Zwischenapplaus. Ich kann jedem Rockfan nur wärmstens diese Veranstaltung empfehlen.

    

Stephan Schelle, April 2025

 

Besetzung

Curt Cress (Geschichten, Schlagzeug)
Werner Fromm (Moderation)
Wolfgang Schmid (Bass)
Chris Weller
(Keyboard)