Am 19.07. war es mal wieder soweit.
Das Burg Herzberg-Festival hatte begonnen! Für mich war es das zweite
Mal. Letztes Jahr war ich über die Werbung in einem Musikmagazin auf
dieses Festival aufmerksam geworden und hatte mir angesichts des
hervorragenden Line-Ups eine Karte besorgt. Nach Besuch des Festivals
war klar: Auch 2007 muss ich da wieder hin. So bin ich also an jenem
Donnerstag, dem 19.07.2007, zusammen mit einem Freund zum Festival
gefahren. Das Gelände ist übersichtlich. Hier wird geparkt, dort wir
gezeltet und geparkt, da ist die Hauptbühne und rechts die Freak-Stage.
Man hat alles gut im Blick. Die Wege vom entferntesten Zelt bis zur
Bühne sind etwa zehn Gehminuten lang. Auf dem Park- und Zelt-Bereich vor
dem Bühnengelände sind die Zufahrtswege zwischen den Zelten nach den
auftretenden Gruppen benannt worden.
Die Toiletten werden regelmäßig
gereinigt und sind auch nach vier Tagen in einem, den Umständen
entsprechenden ordentlichen Zustand. Zum Waschen stehen große
Wassertanks zur Verfügung. Die Preise für Getränke und Speisen sind
fair. Das Bühnengelände ist, so groß, dass es keinen Grund gibt, sich
wie die Heringe zusammenzuquetschen. Wenn man dann noch sieht, welches
Line-Up einem für 60 EUR zzgl. Vorverkaufsgebühr geboten wird, kann man
nur sagen: Die Organisation ist vorbildlich. Das habe ich auf
bekannteren größeren und auch kleineren Festivals schon ganz anders
erlebt. Auf jeden Fall erwähnenswert sind auch die gut sortierten CD-
und Schallplatten-Händler. Wer wollte, konnte dort so manche Rarität
erstehen.
Aussicht auf das Gelände
Das Wichtigste ist natürlich die Musik
und die Stimmung unter den Besuchern. Und das ist das Besondere an
diesem Festival. Es gibt 20-Jährige, die im Jimi-Hendrix- oder
Led-Zeppelin-T-Shirt herumlaufen, genauso wie Sechzigjährige, die
aktuelle, neue Bands wie Riverside sehen wollen. Steht oder sitzt man
etwas länger an einem Ort, sei es auf dem Zeltplatz, vor der Bühne oder
auf der Bank einer Bierzeltgarnitur, kommt man unweigerlich ins Gespräch
mit Anderen. Die entpuppen sich in der Regel als Leute mit großen bis
gewaltigen Platten- und CD-Sammlungen. Die Gesprächsthemen, meistens
über Rockmusik, sind unerschöpflich. Die Stimmung ist ausgelassen und
niemand scheint ernsthaft seine gute Laune wegen eines Platzregens
inklusive Gewitters oder einer Schlammschlacht zu verlieren. Jeder hat
musikmäßig natürlich so seine Favoriten und pickt sich aus dem Programm
das heraus, was er gerne sehen und hören möchte. Da die Nächte auf dem
Herzberg-Festival lang sind, aber durchaus noch viel länger werden
können, haben es die ersten Bands, welche am frühen Nachmittag
auftreten, naturgemäß etwas schwerer. Wir haben auch nicht alle Bands
gehört, sodass ich an dieser Stelle nur über die Gruppen berichte, die
ich auch selbst gesehen und gehört habe.
Donnerstag.
Als zweite Band am Donnerstag
Nachmittag spielte Brant Bjork and the Bros. Brant Bjork
hat ja mal bei Kyuss mitgewirkt, was mich neugierig auf den Auftritt
machte. Allerdings war ich recht enttäuscht. Grundsätzlich ja ganz nette
Musik, allerdings ähnelten sich die Lieder so stark, dass sich nach dem
fünften Song bei mir Langeweile breit machte. Eine willkommene, kurze
Abwechslung bildete da ein Autoschlüssel, der in hohem Bogen durch mein
Sichtfeld flog. Eine Frau rannte hinterher, sammelte den Schlüssel auf,
ging zurück zum offen-sichtlichen Schlüsselwerfer, redete ein paar
ernste Worte mit ihm und goss ihm einen Becher Bier über die Hose.
Soviel zu Brant Bjork and the Bros.
Brant Bjork and the Bros.
Paatos
Um 22:00Uhr trat die schwedische Band
Paatos auf. Ihre Musik gefiel mir von CD auf Anhieb, sodass ich
natürlich besonders gespannt war, wie sie live „rüberkommen“, zumal ein
Kritiker in einem bekannten Musikmagazin sich darin verstieg, die
Paatos-Sängerin Petronella Nettermalm sei keine Rampensau. Da hat er
wohl recht. Allerdings ist die von Paatos gebotene Musik auch
nichts, wo eine Rampensau (was auch immer er damit meinte. Ich kenne den
Begriff nur im Zusammenhang mit dem Rotlicht-Milieu) zu passen würde.
Diese progressive Musik ist spannend und abwechslungsreich. Was sofort
auffiel war, dass im Gegensatz zur CD der Live-Sound dynamischer und
transparenter ist. Ein sattes Bassfundament bewirkte mehr Druck. Die
solistischen Gitarren-Einlagen bei den ruhigen, leiseren Stecken hatten
mehr Kontur, sodass Peter Nylanders Können an dem Instrument wirksam zur
Geltung kam. Der Mittelpunkt aber ist Petronella. Sie war konzentriert,
nie verkrampft, und scheinbar in sich und der Musik versunken. Ihre
Bewegungen waren entspannt und lasziv. Durch ihre gefühlvolle,
kraftvolle Stimme setzte sie sich auch bei lauten Passagen eindrucksvoll
in Szene, was bei dem Song „Is That All?“ für Gänsehaut-Feeling sorgte.
Bei den krachenden Passagen zeigte die Band, dass sie eine Bühne mit
kristalliner Härte auch zum Beben bringen kann. Mit einem Satz: Es war
ein tolles Konzert, für den sich das Kommen schon gelohnt hatte.
Paatos
Nach Paatos kamen so gegen 24:00 Uhr
Quantum Fantay auf die Bühne. Von dieser belgischen Band hatte
ich bis dahin noch nichts gehört, wie ich im Nachhinein zu meiner
Schande gestehen muss. Die ersten drei Songs waren gut. Sie erinnerten
mich an Ozric Tentacles, etwas gitarrenlastiger vielleicht. Aber wenn es
so weitergegangen wäre, wäre es auch auf Grund mangelnder Abwechslung
langweilig geworden. Dazu kam es nicht. Die Band steigerte sich von Song
zu Song. Die elektronischen Elemente schoben sich im Laufe des Konzerts
mehr in den Vordergrund, was allgemein gut ankam. Die Musik wurde
fließender und riss einen zusehends mit. Quantum Fantay waren ein
würdiger Headliner des Donnerstags.
Freitag
Am Freitag Mittag hatten wir erstmal
alle Hände voll zu tun. Ein Gewitter mit zugehörigem Wolkenbruch ging
über das Gelände herunter. Wir halfen unseren Nachbarn auf dem Zeltplatz
deren Pavillon festzuhalten, welcher hinweggefegt zu werden drohte. Als
es vorbei war, machten wir es uns erstmal gemütlich und tranken zusammen
ein Bier. Nach einiger Zeit gingen wir dann zum Bühnengelände. Unterwegs
halfen wir noch kurz ein Auto auf dem sich in eine Schlammpiste
verwandelten Zufahrtsweg aus dem Matsch zu schieben.
Als nächstes spielte Hans Söllner
auf. Er bot Bayern-Reggae, was an einem relaxten, frühen Abend ganz
angenehm war. Allerdings bin ich kein Reggae-Fan. Deshalb sprach mich
das insgesamt auch nicht so an.
Ein Muss-Termin war auf dem Burg
Herzberg Event für mich - und offensichtlich auch viele andere - der
Auftritt von Van der Graaf Generator. David Jackson war ja nicht
mehr dabei und so fehlte natürlich das Saxophon. Die Band spielte dann
einfach zu dritt und ersetzte die Saxophon-Elemente durch satten
Orgel-Sound. Das erste Stück kam nicht richtig zur Geltung. Irgendwas
stimmte mit der Abmischung nicht, oder es gab irgendein anderes
technisches Problem. Richtig los ging es danach. Der Gesang von Peter
Hammill war stark. Bei den ersten Songs spielte er Gitarre, um im Lauf
des Konzerts zunehmend zu den Tasten zu wechseln. Van der Graaf
Generator schufen an diesem Abend ein Monstrum aus strahlendem
Sound. Höhepunkt des Konzerts war für mich der letzte Song. „Man-Erg“.
Es war ein begeisterndes Konzerterlebnis. Van der Graaf Generator-Fans,
mit denen ich gesprochen hatte, sahen das genauso.
Anschließend, nach einer endlosen
Umbaupause, betraten Pavlov's Dog die Bühne. Sie legten dann auch
richtig los und waren in glänzender Spiellaune. Die Acht donnerten mit
kompaktem, hartem Sound durch die Songs, was unterschiedliche Resonanzen
hervorrief. Dem Großteil des Publikums hatte es gefallen. Mir selbst war
die Darbietung etwas zu hardrocklastig. Etwas gefühlvoller hätte es für
Lieder wie „Julia“ ruhig sein dürfen. Der massive Sound bügelte die
Feinheiten platt, was schade war. Der Gig war nicht schlecht, aber man
konnte mehr erwarten.
Holger Fischer auf dem Festival
Samstag
Der Samstag entwickelte sich von
Beginn an zusehends zu einer Wasser- und Schlammschlacht. Kurz nach
Mittag fielen die ersten Regentropfen. Ab da nahm der Regen ständig an
Intensität zu, nur kurz durch eine kleine Trockenperiode unterbrochen.
Die erste Band, die ich an diesem Tag
zu Gehör bekam, war Sahara. Sahara hatten zwischen 1972
und 1975 drei LPs (die erste noch unter dem Namen Subject Esq.)
veröffentlicht und ihr vorerst letztes Konzert 1977 gegeben. 2005 kam es
zur Reunion. Um es vorweg zu sagen: Es war ein sehr gutes Konzert. Als
Vergleich zur Musik von Sahara wurden immer wieder Pink Floyd,
King Crimson, Jethro Tull und diverse andere Rock-Größen herangezogen.
Ich könnte noch hinzufügen, dass sie mich manchmal an Solution
erinnerten. Aber wahrscheinlich ist es einfach nur Sahara-Musik,
die man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte.
Als nächstes stand die Edgar
Broughton Band auf dem Programm. Diese lieferten ein solides Set aus
psychedelisch angehauchtem, hartem Blues-Rock. Der Auftritt war nicht
spektakulär, aber am frühen Abend kam er für meine Begriffe gut rüber
und wurde unfreiwillig mit dem letzten Stück dem Motto des diesjährigen
Festivals („Over the Rainbow“) gerecht. Denn im Hintergrund über der
Bühne bildete sich ein Regenbogen.
Ab jetzt regnete es kontinuierlich und
der Rasen wurde in eine Schlammpiste verwandelt. Kein Grund zu verzagen.
Denn jetzt traten Collosseum auf. Eine der Hauptgründe, warum ich
dieses Jahr auf jeden Fall zum Festival musste. Die Band präsentierte
sich gut aufgelegt. Chris Farlow zog einen mit seiner grandiosen Stimme
von Anfang an in den Bann. Barbara Thompson begeisterte am Saxophon.
John Hiseman bildete wie immer den Motor und trieb die Band nach vorn.
Es gab keine Atempause und man wurde förmlich mitgerissen. Natürlich
wurde auch die „Valentine Suite“ gespielt. Ein Stück, was ich schon
immer geliebt habe. Ich hätte ihnen noch Stunden weiter zuhören können,
aber irgendwann war die Show leider zu Ende.
Anschließend ließen Uriah Heep
für die Dauer ihres Auftritts das miese Wetter vergessen. Sie gingen
vehement zur Sache und boten ein dynamisches, frisches, aber auch lautes
Konzert. Wie schon Chris Farlow bei Collosseum war auch Uriah
Heeps Sänger Bernie Shaw bei bester Stimme. Für einen hohen
Wiedererkennungswert sorgten die alten Hits aus den Siebzigern, die den
Hauptteil des Programms ausmachten, und der typische orgellastige
Hardrock-Sound. Es war ein gelungener Auftritt, der Spaß machte. Ich
gewann auch den Eindruck, dass es den Herren auf der Bühne Spaß gemacht
hatte. Die Stücke wurden nicht einfach nur professionell runtergedudelt,
sondern wirklich engagiert vorgetragen. Das war keine Oldie-Show (auch
wenn die meisten Songs ein paar Jahrzehnte auf den Buckel haben),
sondern aktuelle Musik von einer Band aus einem Guss.
Holger Fischer, August 2007