Thorsten Quaeschning meets Schiller
(Behind Closed Doors
)
ufaFabrik, Berlin, 01.06.2020


Thorsten Quaeschning (Tangerine Dream, Picture Palace Music) trat in der Corona-Krise seit dem 07. Mai 2020 in regelmäßigen Abständen in der Ufa-Fabrik in Berlin live auf und streamt diese Events dann ins Internet. Seine Reihe, in der er sich jeweils eine/n weiter/en Musiker/in dazu holt, nennt sich „Behind Closed Doors“. In dieser Reihe hatte er bereits Paul Frick, Lutz „LÜÜL“ Graf-Ulbrich (Agitation Free, Ash Ra Temple, 17 Hippies), Satoshi Okamoto (Sub-Tle, Klaus Dinger + Japandorf), Franz Bargmann (Michael Rother’s Neu!, Ex-Camera), Stephan Bobinger (Way Beyond), Hoshiko Yamane (Tangerine Dream, Jane Birkin, Tukico) und Benjamin Schwenen (Counter-World Experience) zu den Konzerten eingeladen.

Am 01.06.2020 kam nun eine Kollaboration mit Christopher von Deylen aka Schiller zustande. Um 21.00 Uhr gingen die beiden auf Sendung. Normalerweise kann man die Konzerte nur direkt sowie noch eine Stunde nach der Ausstrahlung im Internet sehen. Danach kann man die Audiodateien über Bandcamp und die Videos über vimeo.com erwerben. Das Konzert von Quaeschning und Schiller ist allerdings auch weiterhin über youtube kostenlos zu sehen (Link: https://www.youtube.com/watch?v=XM12jKC_e0o), da es nicht zum Verkauf angeboten wird.

Thorsten Quaeschning (Synthesizer, Piano, E-Gitarre, Sequenzer) und Schiller (Synthesizer, Sequenzer) stehen sich bei dem Konzert im Studio gegenüber und werden mit mehreren Kameras eingefangen. Auffällig ist dabei, dass Thorsten mit großem Equipment (mehrere Tasteninstrumente und Sequenzer) und Schiller nur mit „kleinem Besteck“ (zwei Tastaturen, Rechner und Effekt- bzw. Steuergeräte) antreten. Die Beiden kennen sich bereits von Schiller’s letztem Album „Morgenstund“, bei dem das gemeinsame Stück „Morgenstern“ entstanden ist. Dort zeigten sie schon (dokumentiert auf der Ultra Deluxe Edition), dass sie hervorragend miteinander harmonieren. Und genau so sind sie auch beim Behind Close Doors-Konzert zu sehen und zu hören. Beide Stile ergänzen sich dabei hervorragend.

Visuell beschränkt sich das Konzert – ganz ohne Schnickschnack – auf die beiden Musiker und ihre Klänge. Lediglich einige elektrische Kerzen dienen der Szenerie als Beiwerk. Der Raum ist dabei mir einem schwarzen Hintergrund und einem Parkettboden ausgestattet. Eine Lightshow oder andere Elemente sind nicht im Programm und würden auch nur von dieser sehr intimen Stimmung ablenken. Die Kameraschnitte sind recht sanft und der Musik angepasst, so dass man den beiden Musikern auch auf die Finger schauen kann.

Das gut 47minütige Konzert, das aus einem einzigen Track besteht, beginnt mit einer kurzen Begrüßung und startet dann mit herrlichen Flächen und Synthiesounds, die zunächst sanft durch den Raum ziehen. Dann kommen Harmonien auf, die Thorsten am Memotron spielt und sofort stellt sich eine wohlige Stimmung ein. Die ersten Minuten sind schwebenden Klängen vorbehalten, bevor es dann rhythmischer losgeht. Thorsten spielt zunächst Mellotron artige Sounds auf seinem Memotron, die an Tangerine Dream oder auch an seine Solo-Projekte erinnern, während Christopher von Deylen sehr schöne Flächen und Harmonien beisteuert.

Die Beiden erschaffen in den ersten Minuten eine wunderbare Atmosphäre, die dem Ohr schmeichelt. Immer wieder sind dabei stilistische Eigenarten von beiden auszumachen. In diese Atmo kommen dann nach etwas mehr als sieben Minuten erste rhythmische Klangtupfer (sehr schöne Sounds und Effekte von Schiller), die dann immer weiter ausgebaut werden. Thorsten wechselt nun von den Tasten an die Sequenzer und beginnt mit dem Schrauben. Das bedeutet, dass ab jetzt rhythmische Elemente langsam in den Vordergrund treten. Dabei wurden tolle Sequenzerrhythmen erstellt, die nun aufeinandergeschichtet werden und sich immer mehr zu einem ekstatischen Rhythmusgebilde emporschrauben. Christopher von Deylen sorgt dabei für die Akzente, in dem er seine typischen Klänge in die Rhythmusstruktur einbaut. Das ist einfach traumhaft.

Langsam aber unaufhörlich schichten sich die Rhythmus- und Sequenzermuster immer mehr in die Höhe und man wird als Zuschauer förmlich in einen treibenden Mahlstrom gezogen. Durchzogen ist das Ganze von zahlreichen Effekten, die das Tüpfelchen auf dem i darstellen. Nach gut 35 Minuten nimmt sich dann Thorsten seine E-Gitarre um weitere elektronische Sounds hinzuzufügen. Diese sind aber nur ansatzweise aus dem Klangstrudel herauszuhören.

Die letzten Minuten schrauben die Beiden dann den Rhythmus-Koloss zurück und beenden das Stück/Konzert mit sanften Pianoklängen, die auf ruhigen Flächen dahinschweben. So endet das Konzert so sanft und ruhig, wie es begonnen hat.

Thorsten Quaeschning und Christopher von Deylen (aka Schiller) beweisen bei diesem Konzert ihre ganz Klasse. Sie haben am 01.06.2020 ein denkwürdiges Konzert gegeben, das ein Highlight der elektronischen Musik darstellt.

Die Reihe wird ab dem 07.09.2020 jeden Montag und Donnerstag fortgesetzt. Freunde der elektronischen Musik sollten unbedingt den Livescreen verfolgen, denn Thorsten erweckt mit seinen musikalischen Gästen immer wieder magische Momente.  

Stephan Schelle, Juni/August 2020