Schiller Bielefeld 2010
Schiller live
Ringlokschuppen, Bielefeld 16.05.2010


Da leider nur die ersten drei Stücke fotografiert werden durfte, finden sich hier keine Fotos von der folgenden Show, bei der das Licht noch beeindruckender war und vor allem die Sängerinnen eine Augen- und Ohrenweide darstellten.

    

Christopher von Deylen hat mit seinem Schiller-Projekt gerade wieder ein sehr gutes Album mit dem Titel „Atemlos“ auf dem Markt und legt im Frühjahr sofort mit einer Tour nach, die das Album, das zum größten Teil allein eingespielt wurde (was die Instrumentierung angeht), mit fünf weitere Musikern live umsetzt. Schon in der Vergangenheit konnte Schiller mit einer druckvollen Liveumsetzung seiner Stücke glänzen. Am 16.05.2010 machte er Station im Ringlokschuppen von Bielefeld und brachte die Location zum beben und die Zuschauer zum schwitzen.

     

Zuletzt war Christopher mit Band vor vier Jahren in Bielefeld aufgetreten, eine zu lange Zeit lag nach seinen Aussagen, die er zu Beginn des Konzertes machte, dazwischen, was vom Publikum lauthals skandiert wurde. Man merkte den Besuchern an, dass sie förmlich nach seiner Musik gehungert hatten, denn die Stimmung im Ringlokschuppen war von Beginn an sehr gut.

    

Die Begleitband, die Christopher, der wie immer in der Mitte der Bühne hinter seinen Keyboards platziert war, auf der „Atemlos“-Tour begleitet, besteht aus Ralf Gustke (akustisches Schlagzeug), Cliff Hewitt (elektronisches Schlagzeug), Christian Kretschmar (Synthesizer), Tissy Thiers (Bass) und Andreas Binder (Gitarre). Die ersten vier gehören ja schon zum festen Stamm der Liveformation, lediglich Andreas Binder war neu und ersetzte den langjährigen Gitarristen Mickey Meinert. Andreas ist aber kein unbekannter, hat er doch auch schon in der Nena-Band die Saiten gezupft.

    

Böse Zungen behaupten ja, dass so viele männliche Besucher im Publikum von Schiller-Konzerten zu sehen sind, weil Christopher immer mit sehr attraktiven Sängerinnen auf Tour ist. Aber die drei musikalischen Gäste, die in Bielefeld am Mikro auf der Bühne standen, das waren Anggun (Indonesien/Frankreich), Kate Havenevik (Norwegen) und Kim Sanders (USA) können nicht nur durch ihr Aussehen glänzen, sie besitzen darüber hinaus auch tolle Stimmen. Und so stand natürlich die Musik im Vordergrund.

    

Was schon beim Eintritt in die Halle auffiel, war der veränderte Bühnenaufbau. Die rückwärtige LED-Leinwand ist verschwunden und wurde durch bewegliche Scheinwerferelemente ersetzt. Und wenn ich beweglich meine, dann bedeutet das, dass zum einen die schon bekannte halbkreisförmige Traverse wieder zum Einsatz kam und darüber hinaus ganze Scheinwerferbatterien, die im hinteren Teil hoch und runter gefahren werden konnten die Bühne von allen Seiten in einen Lichtmantel hüllten. Auch am vorderen Bühnenrand befand sich eine Lichttraverse die sich nach oben und wieder hinabsenken ließ. Damit war wirklich jede nur erdenklich Bestrahlung der Bühne möglich und tauchte sie ein ums andere Mal in ein wahres Lichtermeer. Zu Beginn wirkten die vor der Bühne installierten Scheinwerfer, als sie mit rotem Licht nach oben gerichtet waren, allerdings wie ein luftiger Vorhang. Das war sehr beeindruckend.

    

     

Ins Konzert starteten Christopher & Co. mit der Instrumentalversion von „Playing With Madness“. Schon bei diesem ersten Track (Christopher mischt wie auf seinen Alben immer instrumentale mit gesungenen Titel) wurde deutlich, mit welchem Druck die Band an diesem Abend zu Werke gehen würde. Der Sound kam glasklar aus den Boxen und man konnte selbst direkt vor der Bühne einige quadrophonische Effekte hören. Und doch riss der Bass einem an zig Stellen förmlich die Kleidung vom Laib. Das ist Musik erleben, wie ich es mag, weil man sie nicht nur gut hört, sondern auch fühlt.

    

Nach zwei weiteren Instrumentals kam dann die bezaubernde Anggun in einem grünen, kurz geschnittenen Kleid auf die Bühne und sorgte für ein erstes Aha-Erlebnis. Die zierliche Sängerin indonesisch/französischer Abstammung trug ihren Song „Blind“ in einer sehr intensiven Fassung vor und zeigte, welch Stimmgewalt in ihrem Körper steckt. Konnte sie auf dem Album „Atemlos“ schon durch ihren Gesang überzeugen, so brachte sie diese qualitativ perfekt auf die Bühne. Bei dem Song posierte sie wie ein Model und spielte, durch Betonung ihrer weiblichen Reize mit dem Publikum, das sofort darauf ansprang.

    

Nach „Blind“ richtet sie einige Worte an das Publikum um meinte, dass sie kein Deutsch spreche und nur zwei Worte könne, nämlich „Schiller“ und „99 Luftballons“. Das kam beim Publikum natürlich gut an. Dann kündigte sie mit „Innocent Life“ einen neuen Song an, der bisher unveröffentlicht ist. Warum dieses Stück nicht auf dem Album gelandet ist, ist mir ein Rätsel, denn es hat die gleiche Qualität wie die anderen von Anggun gesungenen Stücke.

    

Dann kam der erste Kracher des Abends, bei dem das Publikum sofort da war und mit rhythmischem Klatschen schnell Party-Stimmung angesagt war. Gemeint ist „Ruhe“, bei dem einfach keiner ruhig bleiben konnte. Ein weiterer Instrumentaltrack von „Atemlos“ stand nun auf dem Programm und man konnte heraushören, dass Christopher den Studioversionen durch ein leicht verändertes Arrangement merklich mehr Leben eingehaucht hat. Man darf sich also wieder auf die kommende DVD und Live-CD freuen.

     

Zu den Stammgästen bei Schiller zählt zweifelsohne Kim Sanders. Sie ist ein Energiebündel und Showfrau durch und durch, denn wenn sie die Bühne betritt, dann geht förmlich die Post ab. Zunächst ließ sie es aber noch sehr verhalten beim Stück „Under My Skin“ an, doch als sie dann das Publikum fragt „Let Me Love You“ und damit den nächsten Song ankündigte, startete sie ihre Show und alle machten sofort mit. Sie hatte durch ihre Ansprachen und Aufforderungen das Publikum sofort in der Hand, das fröhlich mitklatschte und mitsang. Die Stimmung war auf dem Höhepunkt, während Kim auf der Bühne umherwuselt. Einfach faszinierend diese Performance.

    

Nach diesem Energieausbruch konnte das Publikum dann beim ambienten „Polarstern“ erst einmal durchatmen. Allerdings verpasste Christopher dem Stück einen weit hypnotischeren Rhythmus als auf dem Album und Andreas zupfte dazu atmosphärisch an seiner Gitarre. Gerade Luft geholt ging es dann mit „Schiller“ weiter und sofort war der Saal wieder da. Die Jungs auf der Bühne ließen sich von der guten Stimmung anstecken (oder waren vorher schon gut drauf), denn sie wechselten die ganze Zeit über Blicke und lachten sich gegenseitig an. Die hatten wirklich viel Spaß auf der Bühne.

    

Während Anggun und Kim eher temperamentvoll und sexy zu Werke gingen, bot die aus Norwegen stammende Kate Havenevik, deren Gesang mich einige Male an Björk erinnerte, einen mehr aristokratischeren und etwas kühleren, distanzierteren Ansatz. Das war nicht nur ihrem konservativeren Outfit geschuldet, sondern auch in der Art ihrer Performance. Mir gefiel dieser Kontrast zu den anderen beiden Sängerinnen sehr gut (ähnliches hatte Christopher auf der letzten Tour auch mit Jette von Roth aufgebaut). Zunächst interpretierte sie den Song „Don’t Go“, gefolgt von „The Fire“. Vor allem das recht getragene „The Fire“ machte live eine tolle Figur, bot die Band doch im zweiten Teil ein wahres Rhythmusfeuerwerk, das mir zusammen mit dem Licht die Sinne benebelte.

     

Nach weiteren zwei Instrumentaltracks erschien erneut Kim Sanders um ihren Song „Delicatly Yours“, der sofort Gänsehaut erzeugte, zu singen. Im folgenden, sehr atmosphärischen Instrumental von der neuen Scheibe war förmlich zu spüren, wie das Publikum in Gedanken dahinflog und anfing zu träumen. Christopher schaute bei diesem Stück durch die Reihen der Zuschauer, nahm viele Blickkontakte auf, saugte die Stimmung auf und ein zufriedenes Lächeln machte sich in seinem Gesicht breit. Was für eine Atmosphäre. Ein weiteres Instrumental vom neuen Album sorgte mit einem Schlagzeugrhythmus der beiden Drummer, das aus Trance und fast schon technoartigen Elementen bestand erneut für Faszination. Da der Blick auf beide Schlagzeuger frei war, konnte man gut sehen, welch Ausnahmemusiker (das gilt auch für die anderen Musiker) da auf der Bühne sitzen/stehen. Es ist immer eine Freude ihnen zuzusehen. Dazu fuhr die hintere Scheinwerferbatterie mit eingeschalteten Scheinwerfern hoch und eine Atmosphäre wie bei einem UFO-Start aus dem Film „Unheimliche Begegnung mit der 3. Art“ machte sich breit.

    

    

Dann folgte mit „Das Glockenspiel“ der nächste Klassiker und wieder tobte die Halle. So langsam näherte sich das Konzert dem Ende, doch Anggun, dieses Mal mit einem dunklen Hosenanzug bekleidet, betrat erneut die Bühne, um ihren tollen, unter die Haut gehenden Song „Always You“ zu präsentieren. Was hat diese Frau nur für eine Stimme. Bei diesem Song entwickelte sich im Ringlokschuppen eine knisternde Atmosphäre, denn dass Publikum war so andächtig bei der Sache, dass man während der leisen Passagen eine Stecknadel hätte fallen hören können. Während des instrumentalen Teils, der wieder sehr druckvoll rüberkommt, ließ Anggun ihre asiatischen Wurzeln spielen und führte sich mit einem Fächer Luft zu. Das wirkte wie „Miss Saigon“.

    

Nach „Always You Reprise“, zudem Anggun die Bühne verließ, endete der offizielle Teil des Konzertes mit einem weiteren Klassiker, nämlich mit „Ein schöner Tag“. Der Titel fasst das Konzert quasi in drei Worten zusammen. Die Stimmung steigt während des Song, bei dem Andreas eine sehr schöne Passage auf der Gitarre spielte, wieder an. Nach gut 130 Minuten verlässt die Band unter großem Applaus dann die Bühne, um kurz darauf zwei weitere Stücke als Zugabe zu spielen, darunter die Instrumentalversion von „Sehnsucht“.

    

Nach fast zweieinhalb Stunden ist ein schweißtreibendes, sehr intensives Schillerkonzert beendet und alle wissen, Schiller live ist ein Erlebnis.

    

Setlist

Playing With Madness (Instrumental)
Soho
Tiefblau
Blind (Anggun)
Innocent Lies (Anggun) - bisher unveröffentlicht
Ruhe
La Mer
Under My Skin (Kim)
Let Me Love You (Kim)
Polarstern
Schiller
Don't Go (Kate)
The Fire (Kate)
Salton Sea
Delicately Yours (Kim)
Irrlicht
Himmelblau
Das Glockenspiel
Always You (Angun)
Reprise (Angun)
Ein Schöner Tag

Zugabe

Nachtflug
Sehnsucht (Instrumental)

Stephan Schelle, 17.05.2010