Hello 2024 !
Ron Boots & Rob Papen live
Planetarium, Bochum 30.12.2023


    

Mit einem Elektronikkonzert zum Ende eines Jahres verabschiedet der Schallwende Verein das alte bzw. begrüßt das jeweils neue Jahr. In diesem Jahr fand es bereits zum 13. Mal statt. Ort der Veranstaltung ist das Planetarium Bochum, das sich hervorragend für Elektronikkonzerte eignet. Am 30.12.2023 traten unter dem Motto „Hello 2024“ die beiden niederländischen Elektronikmusiker Ron Boots und Rob Papen auf.

     

Seit 1987 veröffentlicht Ron Boots elektronische Musik. Mit seinem Stil, der die „Berliner Schule“ weiterentwickelt hat, hat er neue Wege beschritten und seinen ganz eigenen Sound kreiert. Diesem folgten einige niederländische Musiker und so entstand durch seine Musik die „Eindhovener Schule“. Mehr als 30 Soloveröffentlichungen und zahlreiche Kooperationen mit anderen Musikern gehen auf sein Konto. Darüber hinaus ist er seit vielen Jahren Hauptverantwortlicher der Elektronikfestivals E-Day und E-Live und betreibt darüber hinaus auch noch das Groove Unlimited Label inklusive Versand.

    

Sein Partner Rob Papen ist auch kein Unbekannter in der Elektronikszene. Er gehört seit 1981 zu der niederländischen Elektronikformation Peru. Anfang der 80’er Jahre war er auch Mitglied der niederländischen Elektronikband Nova, die aus den damaligen Musikern von Peru bestanden und mit „Aurora“ einen Instrumentalhit erzielten. Rob hat aber auch zwei Solo Alben herausgebracht. Sein letztes Werk „Waiting“ erschien im Oktober 2023. In den letzten Jahren hat Rob zusammen mit hochkarätigen Programmierern eine eigene Linie von virtuellen Synthesizern und Effekten für PC und Mac entwickelt.

     

    

Ron Boots und Rob Papen kennen sich zwar schon seit 35 Jahren, musikalisch zusammengekommen sind sie aber erst vor gut zwei Jahren, als Klaus Schulze gestorben ist. Da beide große Klaus Schulze-Fans sind, resultierte aus ihrer Zusammenarbeit dann ein Klaus Schulze-Tribute-Konzert in Eindhoven. Und dieses Konzert hat Rob dann in youtube eingestellt, was für große Resonanz sorgte.

     

Das Konzert am 30.12.2023 widmete Ron all den Elektronikmusikern, die in den letzten Jahren von uns gegangen sind und die die beide in ihrer Art Musik zu machen, sehr beeinflusst haben. Dazu gehören unter anderem Vangelis, Manuel Göttsching, Klaus Schulze, Edgar Froese, den Ron als seinen persönlichen Mentor bezeichnete, und auch Mark Schreeve, der ein guter Freund von Ron war.

    

Es zeigte sich an diesem Abend, dass sich mit Ron und Rob ein kongeniales Duo gefunden hat, deren Musik hervorragend zusammenpasst und die sich blind verstehen. Das Konzert bestand aus zwei je 45minütigen Sets sowie einer Zugabe und endete kurz vor Mitternacht.

     

Der Hauptteil des Programms bestand aus den Stücken „Mindflow 1“ bis „Mindflow 4“, die sie bereits beim E-Live 2022 und auch beim Antenna-Festival in Belgien gespielt hatten. Auf CD sind die Stücke bereits auf den Live-CDs „A November Evening @ CKE“, das beim E-Live 2022 mitgeschnitten wurde und „Antenna Live“, das beim Antenna Festival am 25.03.2023 aufgenommen wurde, dokumentiert. Da sie im Planetarium als Duo auftraten, kamen die Schlagzeugelemente aus dem Rechner. Es fehlte zwar der Druck und die organische Atmosphäre, die Harold van der Heijden der Musik in Eindhoven verpasste, aber auch so überzeugten die Stücke auf ganzer Linie. Die Stücke wurden von den Beiden in leicht abgewandelten Versionen gespielt. Außerdem hatte jeder noch ein bzw. zwei Solostücke sowie Tribute-Stücke für die in letzter Zeit verstorbenen Musiker der Elektronikszene im Programm. So wurde ein Stück als Tribut an Klaus Schulze und eines an den britischen Musiker Mark Shreeve ins Programm genommen.

    

    

Mit dröhnenden, symphonischen Synthesizerklängen starteten die Beiden in ihr erstes gut 45minütiges Set, deren Stücke nahtlos ineinander übergingen zunächst mit „Mindflow 1“. Nach anderthalb Minuten schälten sich dann herrliche Rhythmusstrukturen aus den Sequenzern heraus, auf denen sie dann ihre Melodiebögen ausbreiteten. Das nahm von Beginn an gefangen. Zusammen mit den Gestirnen unter der Kuppel konnte man so schnell aus dem Alltag entfliehen. Wie in der „Berliner Schule“ und der „Eindhovener Schule“ entwickelte sich die Musik nur ganz langsam und fortlaufend, so dass ein hypnotischer Mahlstrom entstand. Dahinein flochten sie dann immer mal wieder einige Effekte, die zusammen mit den Projektionen eine spacige Stimmung ergaben. „Mindflow 4“ wurde nahtlos hinzugefügt.

     

An diese beiden Parts von „Mindflow“ schloss sich dann nahtlos eine sehr schöne Version von Ron Boots „Detachment Of Worldly Affairs“ an. Danach ging es dann mit „Mindflow 2“, das mit rhythmischen Elementen und herrlichen Synthesizer-Chören unterlegt war, weiter. Zum Ende hin kamen noch einige Gitarren artige Sounds auf, die dem Stück – neben dem Rhythmus – nun eine leicht rockige Note verpassten.

    

Das zweite Set starteten die Beiden dann mit dem Stück „Where Are They“, das zwar vom Titel nach den von uns gegangenen Elektronikmusikern fragt, aber insbesondere dem britischen Musiker Mark Shreeve gewidmet war. Der Track begann mit sanften Mellotronklängen, die nach gut zwei Minuten um Synthesizer-Chöre ergänzt wurden, was jetzt auch in Richtung „Berliner Schule“ verwies. Auch dieser fast zwölfminütige Track entwickelte sich langsam und steigerte sich im Verlauf immer mehr zu einem rhythmischen, hypnotischen Track.

    

    

Danach ging es sehr spacig mit dem Longtrack „Mindflow 3“ weiter. In diesem Track kam in den ersten gut fünf Minuten erneut die „Berliner Schule“ mit ihren weiten Flächen zum Ausdruck. Danach starteten die beiden einen treibenden Sequenzerrhythmus, der jetzt ordentlich Gas gab. Da flirrten die Klänge durch den Raum, während an der Kuppel sich langsam Planetenoberflächen fast Kuppelfüllend über den Köpfen der Besucher drehten. Das war einfach nur berauschend. Ron und Rob wechselten dann mehrfach Struktur, Harmonieführung und die Rhythmik, was sich zu einer spannenden Reise durch den Kosmos entwickelte.

     

Dem großen Klaus Schulze, einer der Wegbereiter der „Berliner Schule“, widmeten sie dann ebenfalls einen Track, der schlicht „Schulze Tribute“ benannt wurde. Es handelte sich dabei um die Tribute-Version, die sie schon beim 2022’er E-Day zusammen spielten. In Bochum allerdings in einer gekürzten und veränderten Fassung. Flirrende, spacige Sounds leiteten in dieses Stück ein, während riesige Aufnahmen unseres Mondes die Kuppeldecke bedeckten. Nach gut einer Minute kamen dann ein Sequenzerrhythmus und eine sanfte Melodieline dazu. Ungefähr in der Hälfte kam dann auch noch ein programmierter Schlagzeugrhythmus auf. Optischer Höhepunkt war dann die Simulation eines Landefahrzeuges, das auf einem Planeten oder Mond abgesetzt wird. Die Bilder und die treibende Musik gingen eine kongeniale Verbindung ein, bei der man völlig weggebeamt wurde. Zum Ende hin hatten die Beiden noch ein kurzes Statement von Klaus Schulze im O-Ton in den Track eingebaut.

    

Den Abschluss des Konzertes stellte dann eine Version von Rob Papens „The Chase“ von seinem aktuellen Album „Waiting“ dar. Perlende Synthesizerklänge waren die Grundlage diese melodischen Tracks mit leichtem Jean Michel Jarre-Flair. Die beiden spielten den Track nah am Original.

    

    

Nach diesen wunderbaren zwei Sets kam das Duo natürlich nicht um eine Zugabe umhin. Diese bestand aus einer gut neunminütigen Version des Stückes „Berlin Is Waiting“ vom aktuellen Rob Papen-Album „Waiting“ die zunächst mit pulsierenden Rhythmusstrukturen unterlegt war, die an Soundtracks von John Carpenter oder auch Ron Boots‘ „River“ erinnerten. Auf diesen Rhythmus setzten sie dann zunächst herrliche, verträumte Melodiebögen. Dann wurde der Rhythmus angezogen und mit Flächen, flirrenden Effekten, einem Schlagzeugrhythmus aus dem Rechner und einer eingängigen Melodie verbunden. Kurz vor Mitternacht beendeten die Beiden dann ihr Konzert unter großem Applaus.

     

Die Musik der beiden Niederländer war eine gelungene Kombination ihrer beiden Stile sowie Elementen der „Berliner Schule“, die perfekt zueinander passten. Dabei wurden herrliche Harmonien und Melodiebögen mit teils rhythmischen Elementen verwoben, so dass es im Rund teilweise richtig wummerte.

    

    

Beeindruckend waren auch wieder die Projektionen von Klaus-Dieter Unger, die unter die Kuppeldecke projiziert wurden. Im ersten Teil waren es vor allem die Planeten unseres Sonnensystems inkl. ihrer Monde, die teilweise riesengroß über die Kuppel zogen. Im zweiten Teil beeindruckte vor allem die Simulation eines Landefahrzeuges.

     

Das Konzert von Ron Boots und Rob Papen war ein gelungener Abschied des abgelaufenen Jahres und gleichzeitig Begrüßung des hoffentlich bessern Jahres 2024 (was Kriege, Krisen, Umweltkatastrophen etc. betrifft).

    

Setlist

Mindflow 1
Mindflow 4
Detachment Of Worldly Affair
Mindflow 2

Where Are They (Tribute For Mark Shreeve)
Mindflow 3
Schulze Tribute
The Chase

Zugabe

Berlin Is Waiting

Stephan Schelle, Januar 2024