Van der Graaf Generator – Trisector

Van der Graaf Generator – Trisector
EMI (2008)
(9 Stücke, 53:48 Minuten Spielzeit)

Selten war ich neugieriger und zugleich auch ängstlicher in der Erwartung einer neuen CD als bei dieser CD. Neugierig, weil ich VdGG als eine meiner absoluten Lieblinge betrachte, ängstlicher, weil VdGG für mich immer hießen: Hammill, Banton, Evans und David Jackson. Aus in Fankreisen heftig diskutierten Gründen ist letzterer nicht mehr dabei, somit fehlt ein integraler Bestandteil des alten Gruppensounds bei diesen Aufnahmen.


Schon das Cover hebt sich deutlich von früheren ab, es erinnert mich eher an New Wave Platten der frühen 80er und mit entsprechenden Maschinenklängen wird das Album die erste Minute auch dezent eröffnet, die Band spielt sich ein und Hammill übernimmt mit seiner Gitarre rockend die Führung. Ungewohnt gradlinig und für VdGG ist „The Hurlyburly“ ein furioser instrumentaler Auftakt, schnell, treibend und mit exzellentem Orgel- bzw. Percussionspiel.

„Interference Patterns“ ist proggig in bester VdGG-Manie und zugleich modern. Es gibt selbst für VdGG sehr schräge Passagen, stakkatohafte Drums und Keyboards rasen förmlich durch den Song, als ob der Teufel hinter ihnen her wäre und Hammill singt opernhaft teilweise mit sich selbst. Bis hierhin wird dem Hörer keinerlei Ruhepause gegönnt, Jackson wird vermisst, fehlt aber nicht wirklich. Für mich ist dieser Song quasi das „Sound chaser“ von VdGG.

Erstmalig an den „alten“ Klang erinnert das Trio in „The Final Reel“, was nicht zuletzt daran liegt, das zu Beginn neben dem Klavier elektronische Flötensounds erklingen. Hier vermisse ich persönlich den abwesenden D.J. Das ändert aber nichts daran, dass der Song sehr melodisch daherkommt, die Melodieführung übernimmt die Orgel, dazu kommen ein paar Einsprengsel von Gitarre. Heraus kommt eine wunderschöne „Ballade“ á la Hammill.

„Lifetime“ lebt vom Kontrast Schlagzeug - Melodie. Dieser Song wurde auf der vorangegangenen Tour schon live gespielt. Evans unterlegt die eher getragene Melodie Hammills, die lang gezogenen Orgelakkorde mit einem schnellen durchgehenden Beat auf den Becken, wie ein Zug rast er durch den Titel, leise aber treibend.

„Drop Dead“ ist ein straighter Rocker, wie ich ihn so von VdGG noch nicht gehört habe. Erinnert mich in seiner Art an Songs von Hammills Solowerk „The Noise“, allerdings mit deutlich mehr Qualität. Hammill rifft sich mit verzerrter Gitarre durch die Gegend, und Banton spielt dazu ’ne Orgel, als ob er sich bei Deep Purple bewerben möchte. Und Guy trommelt dazu auf allem was das Set hergibt.

Im Gegensatz dazu ist „Only In A Whisper“ fast jazzig-elegisch mit perlenden Pianotönen. Langsam wird hier die Melodie- und Gesangslinie entwickelt, der Song bleibt leise und verspielt, aber eindringlich in der Atmosphäre.

Proggig-brutal ist „All That Before“. Auch dieser Song wurde auf der letzten Tour schon gespielt. Hier gibt es Tempiwechsel, brutale Gitarrenriffs neben Orgel, mittendrin klingen VdGG wie ’ne Mischung aus ELP und Sex Pistols.

An die alten Epen aus den 70ern knüpft „Over The Hill“ an. Zwölfeinhalb Minuten gibt es ein Wechselbad an Stimmungen. Beginnt der Song getragen, langsam wie eine typische Hammillballade, mutiert er mittendrin zum Freejazz. Tempiwechsel, Stakkatoeinlagen auf Orgel und Piano und dann heben sie ab zu einem der VdGG-typischen Melodiebögen, wie sie auch „The Sleepwalker“ oder „In A Plague Of Lighthouse Keepers“ vorkommen.

Der letzte Song „(We Are) Not Here“ geht instrumental in seinem Fundament noch etwas weiter zurück in Richtung Debütalbum. Allerdings zieht die Band das Tempo deutlich an, Hammills Stimme wird durch diverse Effektgeräte verfremdet und Evans tobt sich wieder an allen möglichen Schlaginstrumenten aus. Mit den Soundeinlagen des Anfangs endet das Album auch wieder.

Was bleibt als Zusammenfassung zu sagen. Es sind grandiose Songs. In einer Kritik zu einem Hammill-Soloalbum auf den BBS schrieb ich mal, „Hammill sollte bei aller Qualität seinen Elfenbeinturm verlassen und sich adäquate Mitmusiker suchen.“ Er hat sie gefunden!! Was Banton und Evans auf diesem Album leisten, ist mehr als Begleitband. Nicht umsonst sind sie bis auf „Lifetime“ alle drei als Komponisten genannt. Beide spielen auf hohem Niveau, und gerade Evans zeigt mir, wie sehr ich einen anständigen Schlagzeuger bei Hammills Solowerken vermisse. An manchen Stellen, gerade bei den ruhigeren Titeln, vermisse ich persönlich natürlich das Saxophon oder die Flöten von David Jackson, aber es wäre mehr als ungerecht, das dem Trio anzulasten. Sie strahlen eine Zusammengehörigkeit und Spielfreude aus, die ich nur wenigen zutraue. Diese CD ist grandios. VdGG sind im neuen Jahrtausend angekommen und wie...

Andreas Plaeschke, März 2008

   

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