Ueberschaer - Flow Of Time
Sireena Records / Broken Silence (2021)
(12 Stücke, 71:24 Minuten Spielzeit)

Der Bremer Heiko Ueberschaer macht seit mehreren Jahren Musik und hat bisher drei EPs („First“ (2016), „Bowie“ (2017) und „Back?“ (2018)) unter dem Namen Ueberschaer herausgebracht. Am 18.02.2022 kommt der erste Longplayer „Flow Of Time“ heraus, von dem zuvor am 26.11.2021 „Crime“ und am 21.01.2022 „Dispair“ als Singles veröffentlicht wurden.


„Flow Of Time“ ist ein Konzeptalbum, an dem neben Heiko Ueberschaer der Produzent und Gitarrist Axel Köhnken sowie die brillanten Musiker Adam Holzman – Keys (Miles Davis, Steven Wilson), Lars Lehmann – Bass (UFO, Simon Phillips, Jimmy Keegan, Vinnie Moore, Uli Jon Roth) und Kristof Hinz – Schlagzeug (Till Brönner, Mousse T, Marla Glen) beteiligt waren. Darüber hinaus fungierten noch Martin Schnella (Akustikgitarre), Lennart Hinz (Hammondorgel, Moog) und Rainald Menges (Synthesizer) als Gastmusiker.

Die Story: Erzählt wird die Geschichte eines Paares aus der Perspektive des Mannes. Dabei ist das Album nicht ausschließlich chronologisch aufgebaut, sondern es wird mit Zeitsprüngen gearbeitet. Die Texte sind zum Teil konkret und zum Teil metaphorisch angelegt. Der erste Abschnitt - „Heaven’s Gate“ - findet in der Gegenwart statt. Wir befinden uns auf einer Trauerfeier („Memorial“), auf der der überlebende Protagonist an die Verstorbene zurückdenkt und die Hörer einen Einblick in ihren Charakter bekommen („Wanderlust“). In „Neverland“ erinnert er sich an die beste Zeit der Beziehung bis zu dem Zeitpunkt als alles anders wurde. Der zweite Abschnitt findet vollständig in der Vergangenheit statt, wird aber hauptsächlich im Präsens erzählt. Zu Beginn der Beziehung geht es um Inniges Zusammensein, um Zweisamkeit und mehr („Togetherness“). Wie immer in Beziehungen zwischen Menschen greifen auch Ängste Raum („Nightmare“) und entstehen Gefühle wie Abhängigkeit („Addiction“). Als diese belastenden Gefühle stärker als die Anziehung werden, entstehen Misstrauen und Streit, es folgt Trennung und das Wegmachen von Gefühlen mittels Drogen („Halloween“). Es kommt dann zu einem verhängnisvollen Ereignis („Crime“), bei dem die Partnerin des Protagonisten schwer verletzt wird und ins Koma fällt („Dreamer“). Leider überlebt sie nicht und der Protagonist bleibt verzweifelt zurück („Despair“). Der letzte Abschnitt findet zeitlich nach der anfänglichen Trauerfeier statt, also perspektivisch in der Zukunft. Der Protagonist gerät in tiefe Trauer und Wut über sein Schicksal, die in Phantasien sich selbst oder anderen etwas anzutun übergehen. Doch am Ende entscheidet er sich mit dem, was passiert ist, weiter zu leben („Metamorphosis“). Zum Ende der Geschichte erleben wir einen gealterten Protagonisten, der noch einmal in Gedanken an seine alte Liebe denkt bevor er selbst durch seinen Tod erlöst wird („Me And You In The Rain“).

Heiko Ueberschaer sagt über das Album: „Als die Idee entstand im Rahmen eines Progressive Rock Albums eine Liebesgeschichte mit Höhepunkten und Abgründen zu erzählen, waren meine beiden Eltern noch am Leben. Die im Album erzählte Geschichte ist zwar rein fiktiv, dennoch hat das Ableben beider Eltern in den letzten Jahren doch eine persönlichere und emotionalere Note in die Umsetzung des Albums gebracht, besonders weil es in der Geschichte auch um zwei Todesfälle geht.“ Über die Zeit (Jean-Luc Picard - Star Trek - Treffen der Generationen): „Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen.“

16 Stücke mit Laufzeiten von 4:15 bis 10:27 Minuten Spielzeit finden sich auf dem Silberling, der in einem Mediabook mit 32seitigem Booklet steckt. Musikalisch sind diese 16 Songs geprägt von Einflüssen aus Art Rock & Progressive Rock, Jazz, Pop und Klassik.

Heiko Ueberschaer singt mit seiner angenehmen Baritonstimme alle Songs, was ihnen ihren Stempel aufsetzt, aber auch wenig Variantenreichtum beschert. Musikalisch bietet das international besetzte Ensemble eine sehr gute Leistung.

Gestartet wird mit dem dreiteiligen „Heaven’s Gate“. Der 7:09minütige Part I nennt sich „Memorial“ und beginnt, dem Thema entsprechend (einer Trauerfeier), recht melancholisch, wechselt aber schnell in einen recht jazzig/proggigen Part. Dies zeigt auch schon die Marschrichtung an, auf der das Album wandelt. Der zweite, 5:28minütig Part „Wanderlust“ nimmt die Stimmung auf und verziert das Ganze mit einer markanten Basslinie, druckvollem Schlagzeug, Gitarrenlicks und leicht wavigen und retroartigen Keyboardsounds. Der dritte Part, „Neverland“ bringt es dann auf 4:42 Minuten Spielzeit. Recht proggig geht es anfangs in diesem Teil zu, bis dann ein Reggaerhythmus hinzugefügt wird und der Song gar ein leichtes Popfeeling verströmt.

Das 5:22minütige „Togetherness“ zeigt sich dann von einer etwas ruhigeren, sanfteren Seite, während das 5:19minütige „Nightmare“ mit einigen spooky Klängen aufwartet und leicht in Richtung Sound von Bands der Marke Flower Kings schielt.

Einen leichten AOR-Einschlag hat dann das 4:15minütige „Addiction“, das darüber hinaus mit proggigen und symphonischen Sounds spielt. Ein Song der gut ins Ohr geht. Sehr schön ist auch das 7:14minütige „Crime“, das neben Prog auch jazzige Elemente enthält, sich aber sehr melodisch zeigt. Das 4:46minütige „Despair“ geht ebenfalls sehr gut ins Ohr.

„Metamorphosis“ ist mit seinen 10:27 Minuten Spielzeit der längste Track des Albums und gleichzeitig – auch aufgrund der sehr schönen Instrumentalparts, in denen es gut abgeht - ein Highlight auf dem Silberling. Den Abschluss bildet dann das 7:23minütig „Me And You In The Rain“, das wieder etwas Melancholie verströmt und leicht Musicalhaft wirkt.

Das Konzeptalbum von Ueberschaer mit dem Titel „Flow Of Time“ ist ein sehr ansprechendes Debütalbum geworden, das – trotz des in grau gehaltenen Booklets – sehr aufwendig gestaltet wurde.

Stephan Schelle, Februar 2022

   

CD-Kritiken-Menue