Tribute – New Views

Tribute – New Views
Sireena Records / Broken Silence Distribution (2012)
(6 Stücke, 46:42 Minuten Spielzeit)

Tribute nannte sich eine schwedische Progressive- / Symphonic-Rockband, die sich in den frühen 80’er Jahren um die beiden Multiinstrumentalisten Gideon Andersson und Josef (Christer) Rhedin gründete. 1984 erschien ihr Debütalbum „New Views“, es folgten bis 1991 zwei weitere Studio- und ein Livealbum. Lange Zeit waren die Alben offizielle nicht mehr zu bekommen und nur auf Plattenbörsen oder über Internetversteigerungen zu horrenden Preisen erhältlich. Am 16.11.2012 startet das deutsche Label Sireena Records nun die Veröffentlichung dieser Alben. Los geht es mit dem Erstling „New Views“.


Da mir dieses tolle Werk damals irgendwie durchgegangen ist, hier erst einmal einige Infos aus dem Pressetext: „Unser Ziel ist es, durch unsere Musik einen Dialog zwischen Musikern und Zuhörern zu kreieren, wo Fantasie und Spannung der gemeinsame Nenner sind. Wir wollen neue Einsichten über das Leben, die Wirklichkeit und die Musik finden: New Views!“ Mit diesen Worten kündigten die schwedischen Progressive-Rocker von Tribute 1984 ihr Debütalbum „New Views“ an. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass diese Worte auch 28 Jahre danach noch nachvollziehbar sind.

Tribute wurden Anfang der Achtzigerjahre von den beiden Freunden Gideon Andersson und Josef (Christer) Rhedin gegründet. Beide waren ausgebildete Multiinstrumentalisten, die verstärkt durch Gideons Schwestern, Lena und Nina Andersson, sowie Dag Westling an der Gitarre Kompositionen von enormer Dichte darboten, die sich jedoch gleichzeitig von einer unerwarteten sphärischen Leichtfüßigkeit zeigten. Das Instrumentarium, von der akustischen Gitarre bis zu diversen Synthesizern reichend, ermöglichte es, vorgegebene Grundthemen vielfältig zu variieren und somit eine harmonische Struktur in den einzelnen Teilen aufzubauen. Dabei wechselten alle Musiker innerhalb des vielfältigen Instrumentariums hin und her. Die entstehenden Spannungsbögen wurden trotz dieser Bewegung mit geradezu spielerischer Sicherheit aufrechterhalten. Das Sahnehäubchen war der elfengleiche Gesang der beiden Andersson-Schwestern, die dem träumerischen, in Teilen durchaus an Mike Oldfield gemahnenden Grundsound, eine besondere skandinavisch-melancholische Note verleihen.

Und in der Tat hören sich einige Passagen in der Musik der Schweden stark nach dem Stil des Briten Oldfield an. Aber die Musik nur darauf zu reduzieren würde ihr nicht gerecht, denn Andersson und Rhedin flochten darüber hinaus folkige Elemente in ihre Musik ein. Herausgekommen ist eine faszinierende Mischung, die auch im neuen Jahrtausend ihre ganz besondere Faszination auslöst.

Schon gleich der Opener „Icebraker“ startet mit herrlichem Schlagzeug und Keyboards, die aus dem Stück eine Hymne machen. Das klingt typisch 80’er Jahre mäßig, funktioniert aber heute wie damals sehr gut. Der Track entwickelte sich in den 80’ern gar zu einem Szenehit in den norddeutschen Discotheken, obwohl er eigentlich keine Disco-Klänge zu bieten hat. Sehr schön ist bereits hier die Instrumentierung, die unter anderem durch das Xylophon eine ganz eigene Note bekommt.

Aus ganz anderem Holz ist der zweite Track „Too Much At One Time“ geschnitzt, dass sowohl jazzig wie auch durch die Akustikgitarre einen mediterranen Touch bekommt. Stilistisch erinnert dann das nächste Stück „A New Morning“ an Musik der Marke Gordon Giltrap. Fagott ähnliche Klänge geben dem Stück darüber hinaus einen folkigen Anstrich.

„Climbing To The Top“ ist sehr elektronisch gehalten und besticht durch die Kombination von Synthesizer und Bassspiel, das neben Oldfield auch an Acts wie Alan Parsons Project erinnert. Für mich ein Highlight unter vielen sehr guten Stücken ist „Unknown Destination“, da die sechs es schaffen eine unglaubliche Atmosphäre zu schaffen und filigrane Soundtupfer in den Track einzubinden. Der absolute Höhepunkt kommt dann aber mit dem abschließenden fast 22minütigen Titelstück. Ein faszinierendes Stück, das von der ersten Sekunde an fesselt (es beginnt mit Akustikgitarre und Vogelgezwitscher und man wähnt sich in einem sommerlichen Garten). In der ersten Hälfte gehen die Schweden sehr akustisch zu Werke und lassen dies im zweiten Teil stilistisch in Sphären gleiten, die mich sehr an französische Prog-Bands erinnern. Dieser Longtrack muss sich darüber hinaus auch vor den Meisterwerken eines Mike Oldfield nicht verstecken.

Sireena Records hat hier einen echten Schatz ans Tageslicht befördert. Das Debütalbum von Tribute ist von außerordentlicher Qualität und Faszination und gehört in jede gute Rocksammlung. Es ist zu hoffen, dass sich Sireena nicht lange Zeit mit den weiteren Wiederveröffentlichungen lässt, denn dieses Album macht Appetit auf mehr.

Stephan Schelle, Oktober 2012

   

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