Thorbjørn Risager & The Black Tornado – House Of Sticks
Provogue Records / Mascot Label Group (2024)

(10 Stücke, 42:56 Minuten Spielzeit)

Auch 2024 war ich wieder auf den Spuren der aktiven Blues-Big-Bands aus ganz Europa; Skybenders (Schweden), Philipp Fankhauser (Schweiz), The Bluesanovas (Münsterland), Blues Company (Osnabrück), City Blues Connection (Berchtesgaden); und nun ist überraschend der Däne Thorbjørn Risager mit seiner Truppe The Black Tornado an der Reihe. Startpunkt des Gitarristen, Sänger und Songschreiber aus der Kopenhagener Blues-Szene war das Septett Thorbjørn Risager Blue7, mit dem er vor genau 20 Jahren das gefeierte Debüt „Live 2004“ eingespielt hat. 


Ab dem zweiten Album „From The Heart“ (2006) erschienen seine Werke nur noch unter seinem Namen, seit der 2014er Veröffentlichung „Too Many Roads“ firmieren die Aufnahmen der zum Oktett erweiterten Formation unter Thorbjørn Risager & The Black Tornado.

Auffällig und äußerst erfreulich ist die Stabilität des Personals, fünf von sieben der Gründerformation musizieren auch beim aktuellen inzwischen neunten Album „House Of Sticks“ immer noch zusammen, eine Band von Freunden, wie sie selber sagen. Diese Kontinuität ist für die Musik dieses Oktetts auf Konserve und Live ein maßgeblicher Faktor, deshalb wirkt sie über alle Stile des Blues und darüber hinaus so homogen und ausdruckstark. Deshalb sind die Dänen um den bescheidenen Thorbjørn mit ihrer variantenreichen und modernen Crossover-Blues-Mischung gern gesehene Gäste in ganz Europa, aber auch über den großen Teich in Kanada und den USA. Sie waren mit den Alben nicht nur mehrmals Preisträger der deutschen Schallplattenkritik, sondern sammeln Auszeichnungen wie kaum eine andere Blues-Formation in Europa. Aktuell gehören Thorbjørn Risager & The Black Tornado sicherlich zu den innovativsten vielköpfigen Truppen der internationalen Bluesszene.

Und je öfter die Instrumente vor Publikum benutzt und je leidenschaftlicher sich reingehängt wird, umso schneller und größer wird die Fangemeinde. Das hat sich bis heute nicht geändert und genau das habe ich dieses Jahr wieder bei mindestens 100 Auftritten von Künstlern aus 30 Ländern miterleben dürfen. Beim schwarzen Blues-Tornado aus Danmark hat das Live bei mir leider bisher noch nicht geklappt, aber für 2025 bin ich sehr zuversichtlich.

Thorbjørn: „Wenn das Oktett die Bühne betritt, ist es ein visuelles Fest. Zu der traditionellen Besetzung aus Gesang, Gitarre, Bass und Schlagzeug gesellen sich Klavier, Holz- und Blechbläser, Streicher und mehrere Backgroundsänger. Wir haben also so viele Saiten, auf denen wir spielen können.“ Denn Thorbjørn Risager & The Black Tornado sind deshalb auch hungrig auf Konzerte, sind praktisch fast immer auf Tour, konkret mindestens 9 Monate jährlich. Thorbjørn: „Ich bin auch ein großer Funk-Fan. Ich schreibe immer einen Funk-Song, wenn ich für ein Album schreibe. Wir sehen uns als Bluesrock-Band, aber Funk ist ein Teil der Bluesfamilie.“ Und dieses funky Lied, es handelt vom Älterwerden eines jeden, wenn Licht, Sicht und Aussicht sich verändert, ist die vorzeitig ausgekoppelte Single „Inner Light“, ein Soul-Funk-Ohrwurm, der viele rockige Elemente mit Risager‘s unverwechselbarer rauchiger Stimme verbindet. Skandinaviens führende Roots-Rock-Überflieger Thorbjørn Risager & The Black Tornado haben es verstanden, was zukünftig zu einer erfolgreichen Karriere als Profi-Musiker notwendig ist. Keine Ängste vor kleineren Fanscharen, gute Musik auf innovativen physikalischen Produkten auch zur Promotion. Damit kann man auch heute noch als Musiker seinen Lebensunterhalt bestreiten, wenn auch nur bescheidener.

Schon die erste Komposition „House Of Sticks“ zeigt, wie einfach eine Brücke von den ursprünglichen Wurzeln in den damaligen amerikanischen Provinzen in die Jetztzeit gebaut werden kann, ohne die modernen Attribute zu vernachlässigen. Ein minimalistisches Lied mit einem passenden Text, das aber auch schrittweise die gesamte Band mit ins Boot holt, das dich mitnimmt auf eine schöne musikalische Landpartie, mit den dazu passenden Bildern im Kopf. Ganz stark die drei Bläser Kasper Wagner, Hans Nybo, Peter W. Kehl.

Mit dem Rocker „Already Gone“ wird es dann ernst, oder besser gesagt richtig druckvoll, mit rockigen Gitarren, viel Schub und ein massiver Kontrast zum beschaulichen und atmosphärischen Einstieg. Abruptes Ende und neues Lied, neue Facetten mit dem balladesken „Light Of Your Love“. Mit sehr intensiven Frontgesang, der aber auch von einer der prägenden Stimmen aus der Riege der großen US-Barden kommen könnte. Aber nein, hier ist es zum dritten Mal wieder Thorbjørn Risager mit seiner nuancierten Stimme, die sich hier pur und nicht verfremdet dem Lied anpasst wie ein Chamäleon unterwegs im ländlichen Gelände. Schon hier fallen die dosiert eingesetzten Streicher des Nightingale String Quartet auf.

Moderner mit verfremdeten Stimmen, technischen Tricks, gut gesetzten Gitarrensoli geht es bei „Long Time Ago“ weiter. Bei der Ballade „Said I Was Hurt“ sind die vier Streicher nun dominanter eingesetzt. Zur Halbzeit passt hier alles, mir juckt es in den Fingern Vergleiche herzustellen, aber wie immer lasse ich das aus, weil das nicht nötig ist, denn hier schaffen entspannt 13 Musiker plus Technik etwas Großartiges.

Der knarzige Bass von Søren Bøjgaard, mit Thorbjørn auch Prozent des Albums, leitet lässig ein, mindestens ein Fuß wippt von der ersten Sekunde an mit. Dieser soul-funkige Rocker „Inner Light“ macht mal richtig Spaß. Der hat alle Ingredienzien, die zu einem Funk gehören: klarer Frontgesang, mehrstimmige Unterstützung von Sahra Da Silva aus dem Hintergrund, schneidendes Gebläse; eine berechtigt ausgesuchte Vorauskoppelung.

„Es ist OK, ich fühle mich gut“, das ist Motto bei dem orgelgestützten sandigen Country-Rock „We’ll Get By“. Und auch „Out Of The Rain“ ist ein Lied, wo ich die komplette Big-Band entspannt auf der Bühne musizieren sehe. Schwungvoll geht es bei „Climbed A Mountain“ weiter, die Blues-Mannschaft ist auf Betriebs-Temperatur und kollektiv geht es voran, nahtlose Zusammenarbeit von Rhythmus, Bläser, Saiten-Zupfer, Vokallisten. Aber wo haben wir denn die dänischen Berge, die haben früher auch schon mal einige Niederländer gesucht. Zum Ausklang bei „Fine Summer Night“ Musik für eine schöne Sommernacht egal wo auf diesem blauen Ball.

Ein Potpourri an Blues-Stilen, auf einem TOP-Niveau, mit Kompositionen, die viele Zuhörer finden sollten. Moderne, zeitgemäße, rockige Musik, die über alle 10 Titel von „House Of Sticks“ richtig Spaß macht, die Menschen zum Nachdenken aber auch zum Tanzen bringt. Ein dänisches Ensemble das so großartig und mannschaftlich geschlossen auftritt, da können sich die vielen Fans in Europa und weltweit auf die Bühnenpräsentation des neuen Materials der Cowboys aus Kopenhagen sehr freuen. Ich zumindest freue mich schon!!

Roland Koch, Dezember 2024

   

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