The Watch - Timeless

The Watch - Timeless
Pick Up / Just For Kicks Music (2011)
(10 Stücke, 44:56 Minuten Spielzeit)

Es ist hinlänglich bekannt, das unsere europäischen Freunde in Italien nicht nur Progressive Musik hören, nein sie haben in der Vergangenheit auch zahlreiche Bands dieses Genres hervorgebracht. Eine Gruppe, die sich dem Neo-Prog der frühen Genesis-Phase widmet, ist The Watch. Die Band dürfte in Genesis-Fankreisen hinlänglich bekannt sein, hat sie doch erst letztes Jahr unter dem Motto „The Watch plays Genesis“ eine Tournee hinter sich gebracht, die neben Terminen in Europa auch Konzerte in den USA und Kanada beinhaltete.


Am 25.02.2011 erscheint nun das neue Studiuoalbum der italienischen Progger unter dem Titel „Timeless“. Und wahrlich zeitlos ist die Musik die Giorgio Gabriel (E-Gitarre, 6- und 12seitige Akustikgitarre), Guglielmo Mariotti (Bass, Moog Bass Pedals, 12seitige E- und Akustikgitarre, Gesang), Simone Rossetti (Gesang, Mellotron, Synthesizer, Flöte), Valerio De Vittorio (Piano, Hammond-Orgel, Mellotron, Synthesizer, Gesang) und Marco Fabri (Schlagzeug, Perkussion) da bieten.

Neun Studiotracks sowie ein Live mitgeschnittener Song beinhaltet die CD. Sieben der zehn Stücke sind Eigenkompositionen. Neben dem Livemittschnitt von „Stagnation“ (vom 70’er Album „Trespass“) finden sich auch noch mit „In The Wilderness“ (vom 69’er Album „From Genesis To Revelation“) und „Let Us Now Make Love“ (befindet sich auf der Bonus-Disc der „1970 – 1975 Box“) Interpretationen von Genesis-Stücken auf dem Album.

Die CD beginnt mit der nicht ganz zweiminütigen Eigenkomposition „The Watch“, die das Album einleitet. Das Stück beginnt mit Akustikgitarre auf den der kehlige Gesang Simone’s einsetzt und zu dem sich auch noch herrliche Synthiesounds gesellen. Das klingt Retro und verträumt zugleich. Nahtlos geht das Stück in den nächsten Track „Thunder Has Spoken“ über, das mit einer Art Windrauschen eröffnet wird. Hier gehen die Italiener rockiger zu Werke, ohne den Retrostil der frühen 70’er zu verlassen. Vertrackte Rhythmen, die auch mal disharmonisch ihren Takt wechseln und so unberechenbar zu sein scheinen, sind der Grundstock für diesen Song. Sehr schön lassen The Watch auch die Synthies flirren, was eine Spur Hawkwind in die Musik bringt.

Sehr einfühlsam geht es dann zunächst mit „One Day“ weiter, dass dann um Elemente aus Symphonic Rock ergänzt wird. Dieser etwas mehr als vierminütige Track hat etwas Theatralisches. Dieser Umstand wird noch durch die Perkussion, die sich an einigen Stellen wie eine mittelalterliche Trommel anhört sowie die Flöte verstärkt. Das Keyboardspiel stellt darüber hinaus eine Mischung aus Tony Banks und Keith Emerson dar.

Mit „In The Wilderness“ kommt dann die erste Interpretation eines Genesis-Stückes, dass den 69’er Flair mit modernerem Sound vermischt. Nach Genesis der ersten Hälfte der 70’er Jahre klingt dann „Soaring On“, das hier mit herrlichen Gitarrenläufen, die einem Steve Hackett in nichts nachstehen, aufwarten kann. Auch herrliche Mellotron.- und Synthiesounds umschweben den Hörer bei dieser Nummer, die ich mir wesentlich länger gewünscht hätte, denn das Stück hat Potential zu einem Longtrack.

Die Flöte leitet dann die nächste Interpretation eines Genesisstückes ein. Dieses Mal ist es „Let Us Now Make Love“. Allerdings spielt nicht Rossetti die Flöte, sondern man hat sich als Gastmusiker John Hackett (Bruder von Steve Hackett) zur Seite gestellt. Auch in diesem Stück verbinden The Watch das Retrofeeling des Originals und verpacken es in einer moderner klingenden rockigen Version. In der Version von The Watch klingt das Stück wesentlich frischer.

„Scene Of The Crime“ vermittelt einen ganz eigenen Charme. Das Stück hat zwar auch noch Genesis-Feeling, aber irgendwie zeigt es doch eine ganze Reihe an Eigenheiten, die das Stück aus dem Album hervorhebt. Mir gefällt das recht elektronische Stück sehr gut. Typischer Neo-Prog wird dann bei „End Of The Road“ geboten, den die Italiener mit weiteren Elementen vermischen. Das klingt in meinen Ohren wie eine Mischung aus Genesis und Cockney Rebel (letztes auch durch Simone’s Gesang hervorgerufen). „Exit“ ist ein nicht ganz einminütiger Rausschmeißer aus dem Album, der aus einer melancholischen Pianomelodie besteht. Irgendwie vermittelt er eine Stimmung von Einsamkeit.

Aber stopp, die CD ist ja noch nicht beendet. Es folgt noch eine achteinhalbminütige Liveinterpretation von „Stagnation“, dem Stück des 70’er Albums „Trespass“, auf dem Genesis ihren neuen, progressiven Weg einschlugen. Von der Liveatmosphäre ist nichts zu spüren, da keine Zuschauerreaktionen zu hören sind. The Watch halten sich zwar nah am Original, flechten aber doch einige eigene Nuancen in den Track ein.

Wer Genesis der ersten Dekade (also bis „Selling England By The Pound“) mag, der wird auch The Watch in sein Herz schließen. Die Italiener schaffen es, den Spirit dieser frühen Jahre zu konservieren und in eigenen Stücken zu verpacken. Ein wenig Geduld braucht der Hörer um sich an den kehligen Gesang von Simone Rossetti zu gewöhnen, dann aber entfaltet sich die ganze Schönheit dieser retromäßigen Neo-Prog-Formation.

Stephan Schelle, Februar 2011

   

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