The Schwarzenbach – Farnschiffe

The Schwarzenbach – Farnschiffe
ZickZack / What´s so funny about (2012)
(11 Stücke, ?? Minuten Spielzeit)

The Schwarzenbach bestehen aus dem Kammerflimmer Kollektief aus Karlsruhe und dem aus Rheinfelden (ebenfalls in Baden) stammenden Schriftsteller Diethmar Dath. Halt, werden Kenner da sagen, da war doch schon mal was. Und das stimmt auch, denn Dath schrieb bereits für einige Veröffentlichungen der Band Begleittexte und 2009 gab es das gemeinschaftliche Album „Im erwachten Garten“.


Dieses war jedoch mehr ein Nebeneinander denn ein Miteinander, hier ummalte das Kammerflimmerkollektief mit seinen abstrakt schönen Sounds einen von Dath geschriebenen und gelesenen Text. Also mehr ein Hörbuch mit Soundtrack denn eine musikalische Zusammenarbeit. Dies ist auf „Farnschiffe“ nun völlig anders. Es gibt 11 wundervolle Kompositionen im etwas poppigeren, aber typischen Kammerflimmer Kollektief-Sound zu denen Dath seine Texte intoniert. Und aus dieser Kombination entsteht eines oder vielleicht das beste deutsche und überwiegend deutschsprachige Album der Populärmusik der letzten 25 - 30 Jahre.

Denn zu den stets verwobenen, psychedelischen Sounds, getragen von einem Standbass, getriebenen Songs erarbeiten sie eine wundervolle Mischung quer durch alle Stile. Das typisch verspielte Einstiegslied „Buddhistin mit Zeitjob“ ist ebenso versponnen wie beschwingt. In „Nein Sprich, Nein Sklave“ gibt es eine spröde Mischung aus Blues und Gospel. „Seven Shades Of Blue“ schwankt zwischen bittersüßem Folk und Amerikana-Anleihen. Die Vokalakrobatik die „Positive Außenhandelsbilanz“ einleitet, ist unglaublich. Das dann einsetzende psychedelische Gitarrensolo ist galaktisch. Aus dieser Mixtur entsteht völlig organisch ein treibender und trotzdem schwebender psychedelischer Popsong in typischer Kammerflimmer Kollektief-Manier. Was die Rhythmik und Instrumentierung sowie die Ausführung dieses Songs betrifft, bleibt nur zu sagen: das können nur sie so. Es folgt ein weiteres psychedelisch angehauchtes und trotzdem Kammermusikalisches Stück Namens „Therapeutikon“. Musikalisch folgt auch in den weiteren Songs ein Meisterwerk dem nächsten.

Oben drauf, und das gibt diesem Album die Würze, kommen die Texte von Dath, welche oberflächlich betrachtet mitunter wenig Sinn zu ergeben scheinen. Doch hört man tiefer hinein entdeckt man eine scharfe und bissige Gesellschaftskritik. Im fantastischen „Castingflirt“ (musikalisch einer der besten, bissigsten und trotzdem eingängigsten Psychtracks die ich kenne) wird das Castingshowformat und die „Jeder ist ein Star“-Denke sehr scharf kritisiert. „Positive Außenhandelsbilanz“ und „Arme Handwerkerin“ arbeiten bissig und melancholisch die Bildungs- und Arbeitssituation in unserem Lande ab. In „Buddhismus mit Zeitjob“ erkenne ich die ironische Skizzierung des modernen Eskapismus. Und wie die göttlich singende Heike Aumüller ihren ersten Backgroundbeitrag mit den Worten „Ihr Mantra heisst, leck mich am Arsch“ einwirft, klingt ebenso wundervoll wie zynisch und humoresk.

Produziert wurde dieses Album sehr modern und es ist musikalisch für jeden der mal ein Öhrchen für etwas anderes öffnen möchte geeignet. Auch dem Pophörer wird nicht sofort die Kinnlade herunterfallen, obwohl hier natürlich immer noch Avantgarde mit enthalten ist.

Eines, wenn nicht das beste Album aus dem Dunstkreis des Kammerflimmer Kollektiefs und so ganz nebenbei die beste deutsche Scheibe.... siehe Eingangssatz.

Heike Aumüller: Harmonium, Gesang, Synthesizer
Johannes Frisch: Bass
Thomas Weber: Elektrische Gitarre, Elektronik
Diethmar Dath: Gesang, Texte

Wolfgang Kabsch, Mai 2013

   

CD-Kritiken-Menue