The Perc – Electric Kindergarten Rarities Vol. 3

The Perc – Electric Kindergarten Rarities Vol. 3
Sireena Records (2010)
(14 Stücke, 51:47 Minuten Spielzeit)

Tom Redecker, Inhaber des Labels Sireena Records, macht seit Jahren unter seinem Pseudonym The Perc Musik. Nun hat er seine Archive mal wieder geöffnet und einige Raritäten von Bandprojekten, an denen er beteiligt war, ausgegraben. Diese Raritätensammlung nennt Tom „Electric Kindergarten“. Im September geht diese Reihe nun schon in die dritte Runde. Auf der aktuellen Scheibe hat er wieder Material aus der Undergroundszene, das irgendwo zwischen Kraut- und Psychedelicrock angesiedelt ist, hervorgeholt.


Diese Zusammenstellung enthält nun Musik von drei Projekten, die es in den Jahren 1985 – 1987 nur auf Tape in kleiner Auflage gegeben hat. Es handelt sich somit also um richtige Raritäten. Den Beginn macht die Kassettenproduktion „Underground Lamentaux“ von dem Musikprojekt Kühe im Nebel. „Hierbei handelt es sich um die ersten Aufnahmen zusammen mit Sänger OWI.“ Seine Stimme wirkt streckenweise wie die von Arthur Brown, als er in den 70’ern zusammen mit Klaus Schulze auf der Bühne agierte. Das wird vor allem bei dem Stück „War!“ deutlich, das auch sehr elektronisch gehalten ist. „Drum Computer sowie Orange Turm nebst SG Gibson Gitarre hatten vorübergehend das Industrial Equipment abgelöst. Die beiden jammten fröhlich vor sich hin, die Endzeitreime stammen von OWI.“ Allerdings sind die Texte nicht gut zu verstehen. Das ganze hat schon einen gewissen Charme der auch auf die frühen 70’er zurückgeführt werden kann. Teilweise hören sich sie sich aber wie Demos an, da sie teils abrupt aufhören.

Als zweites steht dann die Produktion „Psychaux Discaux“ von Crazy Son Hybrid auf dem Programm. „1986 besuchte der holländische Aktionskünstler Martin Schaatsbergen Tom Redecker in seinem Bremer Shack Studio. An zwei Tagen entstanden die vier Titel, die 1986 als Tape-Produktion bei Shack Media erschienen. Das Puzzling von Samples bildet die Grundlage der groovenden Titel, da erklingt eine japanische Koto, bellende Hunde, Computerstimmen tun ihr Übriges. Launig!“

Das beschreibt es ganz gut. Gleich das erste Stück „Koto Funk“ klingt sehr technologisch und doch tanzbar. Der Track zeigt für mich Ähnlichkeiten zu Elektronikprojekten wie Laserdance, wenn auch hier die Melodien etwas zurückhaltender sind. Vor allem zum Ende hin nimmt dieser Titel noch mal richtig Fahrt auf. Da zwitschert und zischt es aus den Boxen und der Computerrhythmus geht ab wie ein D-Zug. Gleiches gilt auch für die anderen drei Stücke. Alle gehen gut ins Ohr und klingen auch im neunen Jahrtausend noch gut.

Als letztes folgen dann noch fünf Stücke des Projektes Gipsy Rover. Sie stammen vom 1987’er Tape „Manson Was A Fool“. „Sie war eine Produktion von Tom mit seinem musikalischen Langzeitpartner Ralf Krieger, die 1987 zuerst in München, dann mit Overdubs im Bremer Shack Studio fertig gestellt wurde. Ralf spielt alle Gitarren, Tom übernahm die Keyboards und den Gesang. Dabei entstand mit dem Titelsong sogar ein kleiner Indie-Hit, der später mehrfach auf anderen Compilations erschien.“

Die Musik von Gipsy Rover ist eine Mixtur aus Neue Deutsche Welle (NDW) und Elektronikmusik im Stile von Manuel Göttsching (Ashra), zumindest im ersten Track „The Night In The Bungalow“. Die Nähe zu Göttsching wird vor allem durch das Gitarrenspiel erzeugt. Manchmal kommen elektronische Klänge aus den Boxen, die mich an simple C64-Sounds erinnern, so wie es bei einigen alten Computerspielen die Art war. Weitere Ähnlichkeiten finden sich auch zur japanischen Formation Yellow Magic Orchestra. Sobald Tom singt, geht seine Stimme in den direkten Kontrast zur elektronischen Musik. Er klingt dabei cool bis gelangweilt. Hier kommt mir die Stimmlage der Popband Flash And The Pan in den Sinn. Das letzte Stück fällt dann aber ein bisschen aus der Rolle, wenn Tom nur zu Gitarre singt.

Die CD erscheint in einer einfachen Papphülle, die mit einem fotokopierten Blatt beklebt ist. Das hat schon einen gewissen Charme. Innen befindet sich noch ein Beipackzettel, auf dem alle Tracks noch einmal gelistet sind. Die Auflage der CD beträgt 500 Stück. Die einzelnen Exemplare sind handschriftlich durchnummeriert.

Eine sehr schöne Zusammenstellung hat Tom Redecker da auf den Markt gebracht. Die Stücke atmen zwar alle eine gewisse Improvisationsatmosphäre und klingen manchmal auch ein wenig kantig und unfertig, aber genau das macht den Reiz aus. Mir gefällt dieses Raritätenkabinett gut.

Stephan Schelle, August 2010

   

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