The Neal Morse Band – The Similitude Of A Dream
Radiant Records / (2016)
(23 Stücke, 106:39 Minuten Spielzeit)

Gerade erst hat der US-Amerikaner Neal Morse mit seiner ehemaligen Band Spock’s Beard in Amerika und beim Night Of The Prog-Festival in Deutschland grandiose Gigs abgeliefert und bei vielen Fans für Hoffnung gesorgt, er könnte wieder mit seinem Bruder und den „alten“ Weggefährten ein neues Album aufnehmen, da erscheint am 11.11.2016 ein neues Werk der Neal Morse Band. Es trägt den Titel „The Similitude Of A Dream“.


Das bewährte LineUp des letztjährigen Albums „The Grand Experiment” ist auch auf dem neuen Album am Start. So fanden sich Neal Morse (Gesang, Keyboards, 6 & 12 String E-Gitarren, Percussion, Mandoline), Bill Hubauer (Orgel, Piano, Synthesizers, Gesang), Eric Gillette (Lead- und Rhythmusgitarre, Gesang), Randy George (Bass, Bass Pedals) und Mike Portnoy (Schlagzeug, Gesang) zusammen um erneut ein Werk der Extraklasse einzuspielen, so viel kann hier schon mal verraten werden. Aber nicht nur dieses Quintett war im Studio, auch zahlreiche Gastmusiker wurden verpflichtet um eine runde Sache aus dem Album zu machen.

Das Konzeptalbum „The Similitude Of A Dream“ ist mittlerweile das achte Studioalbum auf dem die drei Topmusiker Morse, Portnoy und George zusammengearbeitet haben.

Neal Morse berichtet: „‘The Similitude Of A Dream’ beruht auf dem Buch The Pilgrim’s Process („Pilgerreise zur seligen Ewigkeit”) von John Bunyan aus dem Jahr 1678. Dessen Originaltitel lautete ‘The Pilgrim’s Progress from this world to the that which is to come, delivered under the similitude of a dream’ (in etwa … „in Anlehnung an einen Traum”). Das Buch ist die Chronik der spirituellen Reise eines Mannes, die in der „Stadt der Zerstörung” beginnt und an einen Ort der Erlösung führt. Irgendjemand hatte mir mal den Vorschlag gemacht, auf Basis des Buches ein Konzeptalbum zu entwickeln, aber ich hatte das aus den Augen verloren. Als ich dann letzten Dezember begann, neue Songs zu schreiben, kam mir das Buch wieder in den Sinn. Ich hatte es nie gelesen, habe also die Rahmenhandlung gegoogelt und darauf Songteile und Instrumentals geschrieben. Diese Teile und die Ideen der anderen Bandmitglieder sind auf geradezu übernatürliche Weise explodiert und wurden zu diesem Doppelalbum. Amüsant ist eigentlich, dass es nur die ersten 75 oder 80 Seiten des Buchs abdeckt. Vielleicht hätten wir eine Fünfer-CD-Kollektion machen sollen? Wer weiß, vielleicht später!”

Morse fährt fort: „Gegen Ende der wirklich kräftezehrenden Aufnahmen sagte Mike etwas Prophetisches: Jungs, ich glaube, wir haben das Album unserer Karriere gemacht.”

„Ich glaube ehrlich, dieses ist das Album meiner Laufbahn”, erklärt Portnoy. „Neal und ich haben jetzt 18 Studioalben zusammen gemacht, und ich betrachte „The Similitude Of A Dream“ als den absoluten kreativen Höhepunkt unserer Zusammenarbeit. Ich hatte immer eine Schwäche für Konzeptdoppelalben wie Pink Floyd’s „The Wall“ oder „Tommy“ von The Who. Ich bin mal mutig und sage: Wir haben hier ein Album gemacht, das in einer Reihe mit diesen Meisterwerken steht. Starke Worte, ich weiß. Aber nach 50 Alben halte ich dieses für das entscheidende Werk meiner Laufbahn.”

„The Similitude Of A Dream“ ist ein tolles Album geworden, bei dem man die Handschrift von Neal Morse deutlich heraushört. Die Musik ist fesselnd und über die volle Zeit der mehr als 100 Minuten halten Neal und seine Mitstreiter den Spannungsbogen aufrecht. In den einzelnen Stücken sind zwischendurch Zitate oder Anleihen von Bands wie den Beatles, Deep Purple, Genesis, Yes, Led Zeppelin, Black Sabbath und weiteren zu finden und doch – wie gewohnt - wandelt die Neal Morse Band auf ganz eigenen Pfaden.

Das neue Album stellt eine Steigerung gegenüber dem Vorgänger dar und ist in der Tradition von Spock’s Beard zu ihren besten Zeiten. Schon das 1:42minütige sehr orchestrale „Long Day“ mit dem die erste CD beginnt und die anschließende „Overture“, die schon mal losrockt und viele Elemente der kommenden 100 Minuten aufzeigt, weisen nicht nur in das Konzeptwerk ein, sondern machen auch schon tierisch Spaß. Man merkt der Band die Spielfreude förmlich an und wird auf das musikalische Werk sehr gut eingestimmt.

Die Songs gehen dann nahtlos ineinander über, sodass man den Eindruck eines Longtracks von epischen Ausmaßen hat. Mit der wunderbar verträumten Ballade „The Dream“, bei dem Neal sehr emotional singt, geht es dann weiter. Man wird nach diesen Songs schon voll in den Fängen der Band festgehalten. Mit einem satten Bass geht es dann im nächsten Song „City Of Destruction“ kraftvoll weiter. Hier sorgen die Protagonisten für einen sehr ausgewogenen und akzentuierten Einsatz an ihren Instrumenten, so dass ein magischer Song entstanden ist.

Die Band wechselt die Dynamik, die Lautstärke, die Intensität und vieles mehr in den einzelnen Stücken, die ihrerseits ein Ganzes ergeben. Mal gehen sehr rockig, dann wieder jazzig verspielt vor, um im nächsten Moment dem Prog in vollen Zügen zu frönen. Und in „I’m Running“ treten gar Countryelemente zu Tage. Mit „The Similitude Of A Dream“ ist ein Werk entstanden, das zum Besten gehört, was Neal Morse & Co. bisher eingespielt haben.

Im Stück „The Ways Of A Fool“ kommt Gesang auf, der nicht von Neal stammt sondern sich nach Ned Sylvan anhört. Sein kehliger Gesangsstil passt ganz hervorragend zu dem Song, der darüber hinaus auch noch durch wunderbaren Satzgesang erweitert wurde. Allerdings habe ich nicht seinen Namen noch einen Hinweis auf einen weiteren Sänger im Booklet oder dem Cover gefunden.

Das Album wird in verschiedenen Formaten ausgeliefert: als Doppel-CD, als Special Edition (die zwei CDs plus die DVD „The Making of a Dream”) und schließlich als Triple-Vinyl-Album (plus zwei CDs).

Mit „The Similitude Of A Dream“ hat die Neal Morse Band, allen voran Neal Morse selbst, ein Meisterwerk geschaffen. Das Album ist in sich schlüssig und baut über die komplette Distanz einen hohen Spannungsbogen auf. Wer die Musik der frühen Spock’s Beard-Alben oder die Soloproduktionen von Neal Morse mag sollte hier unbedingt zugreifen.

Stephan Schelle, Oktober 2016

   

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