The Electric
Family - Tender The Electric Family kann man im wahrsten Sinne des Wortes als Musikerkollektiv bezeichnen, bei dem Tom „The Perc“ Redecker der Kopf bzw. Anführer ist. Schon bei ihrem ersten Auftritt im Jahr 1996 beim Burg Herzberg Festival hatte Tom mit Volker Kahrs (ex-Grobschnitt), Dieter Serfas (Amon Düül II), Harry Payuta, Jochen Schoberth und Torsten Glade eine illustre Gruppierung zusammengestellt. Wer konnte damals vermuten, dass sich dieses Kollektiv mit wechselndem LineUp, so lange halten würde. |
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Was
sich schon bei „Family Show“ andeutete kam bei „Tender“ zur vollen
Entfaltung: Ein wilder Stilmix, der vom Folkrock („Telemark Landing“,
„More & More“, Danger Girl“) über Progressive Rock
(„Betancuria Part 1-3“) und Psychedelia („Bricks of Time“) bis zum
staubigen Wüstenrock („Candyman“, Left For Dead“) reichte,
zusammengehalten von Redeckers abgrundtiefer Stimme. „Tender“ wurde
nicht nur bei den Medien sondern auch bei den Platten- und CD-Käufern zum
größten Erfolg der ELECTRIC FAMILY. Gekrönt wurde das Jahr durch die
ausgiebige „Tender-Tour“ und die Nominierung des Albums für den
Deutschen Schallplattenpreis! Das
recht eingängige dreieinhalbminütige „Telemark Landing“ startet in
das Album. Durch die Akustikgitarre bekommt das Stück eine leicht folkige
Note, während die E-Gitarre schön rockig schrebbelt. Sehr eingängig
zeigt sich auch „In The Web“, bei dem sich vor allem der Refrain im
Ohr festsetzt. „More And More“ kommt sehr getragen und ruhig wiederum
mit einer Spur Folk daher, während sich die Melodie im Gehirn festsetzt.
Dem Musikerkollektiv gelingt es hier eine faszinierende Stimmung
aufzubauen. Kernstück
des Albums ist dann das dreigeteilte „Betancuria“, dessen einzelne
Songs zwölfeinhalb Minuten besten Progrock darstellen. Ein tolles
Konglomerat das The Electric Family da zusammengestellt haben. Sängerin
Evelyn Gramel setzt in „Part One: The Conquest“ einen wirkungsvollen
Gegenpol zu Tom Redecker’s markante Stimme. In „Part Two: Morro De La
Cruz“ vermischen die Musiker tribalartige, hypnotische, fast schon
ekstatische Rhythmen mit herrlichen Keyboardsounds und einer Erzählstimme.
Ein Track, der einem die Sinne vernebelt. In „Part Three: Loveflow“
kehrt die Band stilistisch wieder zu „Part One“ zurück. Ein
leichter Blueseinschlag, verbunden mit Wüstenrock empfängt den Hörer
dann im Song „Candyman“, das Tom’s Stimme leicht verfremdet aus den
Boxen schallen lässt. Eine eigenartige Stimmung, die fesselt. Vor allem
die elektronischen Sounds und Flächen sowie sägenden Gitarren sorgen in
„Bricks Of Time“ für einen psychedelische Touch, während die Melodie
sich unweigerlich in die Gehirnwindungen schraubt. „Danger Girl“ wirkt
dagegen wie ein Song zu einer Westernidylle. Das rockige „Left For
Dead“ beendet dann dieses eindrucksvolle Werk, dem man seine 20 Jahre
nicht anmerkt. Zum
20jährigen Jubiläum erscheint das Album nun in einem sechsseitigen
Papersleeve, das neben der CD auch eine DVD mit dem 30minütigen Making Of
zum Album enthält. Die Doku „The Making Of Tender“ wurde von dem
Bremer Filmemacher Stefan Malschowski zusammengestellt, der die Aufnahmen
zu „Tender“ locker mit der Kamera begleitet hatte. Bereits im Jahr
1999 ist diese Dokumentation auf VHS Video-Kassette erschienen und kommt
nun erstmals auf DVD heraus. Kleines Manko am Rande: Für
die Veröffentlichung der DVD musste auf eine VHS-Kassette zurückgegriffen
werden, weil das Original-Filmmaster verschwunden war. Aufgrund dieser
Tatsache ist das Bild auch ziemlich verrauscht. Aber das Bildmaterial ist
allemal sehenswert, vor allem weil die Musiker nicht nur zu Wort kommen,
sondern auch bei den Proben und live zu sehen sind. Darunter dann auch
Volker Kahrs (in dessen Studio ebenfalls gefilmt wurde), der leider schon
viel zu früh verstorbene Keyboarder, der lange Mitglied bei Grobschnitt
war. Damit stellt diese Version auch ein Muss für jeden Grobschnitt-Fan
dar. Die
Wiederveröffentlichung von „Tender“ vereint das vergriffene Album als
CD mit dem „Making Of“ in Bild und Ton. Wer das Album noch nicht
besitzt sollte unbedingt zugreifen. Alle, die das Album besitzen, die Doku
aber nicht, denen empfehle ich ebenfalls zuzugreifen, denn trotz der etwas
dürftigen Bildqualität bekommt man gutes Filmmaterial über die Musiker
sowie Livemittschnitte geboten. Stephan Schelle, Juni 2019 |
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