S.Y.P.H. – 4. LP

S.Y.P.H. – 4. LP
Made in germany music / mig (2012)
(6 Stücke, 39:23 Minuten Spielzeit)

Der deutsche Musiker Harry Rag ist bekennender Can-Fan gewesen und so fuhren er und sein Freund Uwe Jahnke 1976 nach Köln in den Proberaum von Can um dort mit der Band ein Interview zu führen. Das kann man sicherlich als Startschuss für die Band S.Y.P.H. bezeichnen, denn die beiden hielten fortan Kontakt zu Holger Czukay, der bei einigen der Alben der Band mitwirkte. Auch wenn S.Y.P.H. eine deutsche Punkband war, so zeigen sie auf einigen Werken doch eher Krautrockartige Strukturen und Sounds.


Nach dem ersten Album von S.Y.P.H. stellten die Jungs Holger Czukay die Frage, ob sie ihr zweites Werk nicht im Can-Studio und mit Holger als Produzent aufnehmen könnten. Er willigte ein und so kam es zu einer längeren Zusammenarbeit.

Harry erinnert sich an die erste Zusammenarbeit: So fielen wir 1980 ins „Innerspace“ ein, eine laute schillernde Punkband im privaten Aufnahmeraum von Can. Wir wollten unseren Musikstil entwickeln, verändern, Neuland entdecken, aus der Improvisation heraus Stücke formen. Wir wollten weg von den Hauruck-Nummern, hin zu dem etwas Neuem. Jojo am Bass, Uli am Schlagzeug, Uwe an der Gitarre - und ich an allem, was sich so gerade fand. Holger schickte die Signale durch die im Raum verteilten Lautsprecher und nahm vieles mit mehreren Raum-Mikros auf. Die meisten Aufnahmen waren somit live, lediglich vereinzelte Overdubs wurden separat aufgezeichnet. Was wir damals machten, wussten wir wahrscheinlich gar nicht so genau. Nach 5 Tagen waren die Studio-Tage vorbei und wir fuhren nach Hause.

mig veröffentlicht im Juni 2012 nun die 4. Platte von S.Y.P.H. auf CD, die erstmals 1981 auf Vinyl erschienen war. Das Album heißt schlicht „4. LP“ und bietet Krautrock im Stile der großen Vorbilder von Can, obwohl sich S.Y.P.H. der Punkbewegung zuordneten. Auf diesem Album finden sich eher experimentelle Klänge, was wohl vor allem an der Zusammenarbeit mit Holger Czukay liegt.

Die Band, die seinerzeit das Album einspielte, bestand aus Harry Rag (Gitarre, Gesang), Uwe Jahnke (Gitarre, Gesang), Jürgen Wolter (Bass), Uli Putsch (Schlagzeug) und Holger Czukay (Bass, Perkussion, Horn).

Von den sechs Stücken des Albums liegen die ersten drei knapp über einer bzw. unter zwei Minuten Spielzeit. Sie bestehen eigentlich nur aus Fragmenten. „Satarasch“ hat zumindest schon eine fast dreiminütige Spielzeit. Kernstück des Albums sind aber die beiden längeren Tracks „Nachbar“ (12:39 Minuten) und „Little Nemo“ (18:03 Minuten).

Mit dem schrägen „Die Deep“, das mit 1:18 Minuten nur ein Vorspiel darstellt, beginnt die CD. Es werden hauptsächlich Geräusche und Klangskulpturen durch den Raum gejagt. Das ist schon recht surreal. Mit „Hänschen Horror“ folgt ein weiterer kurzer Track (1:11 Minuten), der trotz E-Gitarre in die gleiche Kerbe wie der Opener schlägt. Mit dem gut zweiminütigen Lämmerschwanz kommen erste psychedelische Soundmuster auf, die an Musik erinnern. Das ist aber immer noch recht heftig, weist aber bereits Strukturen auf, die in Richtung Can weisen.

Psychedelisch wird es dann im ersten richtigen Track „Nachbar“. Rhythmus und Gitarren zeigen jetzt eine musikalische Struktur. Geräusche, die in einem Park aufgenommen zu sein scheinen und unter anderem spielende Kinder und zwitschernde Vögel zu Gehör bringen, untermalen diesen hypnotischen Track. Stoisch schreitet dieser Track rhythmisch voran und wird mit verschiedenen Instrumentalpassagen gespickt. Das hat schon etwas Verwirrendes und Fesselndes zugleich.

„Satarasch“ bringt es nur auf knapp drei Minuten und bietet zunächst wieder recht experimentelle Klänge, dieses mal aber mit einem rockigen Schlagzeug unterlegt. Vor allem das Schlagzeug und die sägend krächzenden Gitarren machen diesen Track aus. Den Abschluss bildet dann der Longtrack „Little Nemo“, der vor allem durch seinen hypnotischen Rhythmus in seinen Bann zieht.

Mit „4. LP“ haben mig bzw. ihr Unterlabel HiD (Hergestellt in Deutschland) ein nicht einfach zu verdauendes Album wiederveröffentlicht. Vor allem die beiden Longtracks sind es, die dem Hörer die Sinne vernebeln können, da sie Can-artige, krautige Musik enthalten. Für Freunde dieses Genres sicherlich eine Bereicherung.

Stephan Schelle, August 2012

   

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