Steve Wilson - Insurgentes

Steve Wilson - Insurgentes
KScope (2008)
(10 Stücke, 55:17 Minuten Spielzeit)

Musiker: neben Steve Wilson

Gavin Harrison (drums), Tony Levin (bass), Mike Outram (guitar), Jordan Rudess (grand piano), Clodagh Simmonds (vocals), Sand Snowman (acoustic guitar), Theo Travis (flute, clarinet), Dirk Serries (guitar drones), Michiyo Yagi (koto) und eine komplette String Section.


Das erste CD-Solowerk des PT-Masterminds (wenn man mal von seiner COVER-Single-Reihe absieht) erschien dieses Jahr in einer 3.000’er Auflage im Buchformat. Neben dem Album enthält diese Ausgabe auch eine Bonus-CD mit 5 Tracks und eine DVD-Audio mit einer hochauflösenden Stereospur, einer 5.1.-Abmischung in DTS sowie einen 18minütigen Filmausschnitt von Lasse Hoile. Für alle, die diese Ausgabe verpasst haben, im Frühjahr 2009 erscheint das Werk auch als reguläres DVDA/CD-Set mit 32seitigem Booklet. Es fehlt nur die Bonusdisk und das großformatige Buch.

Um das Fazit gleich vorweg zu nehmen, es ist für mich deutlich besser als die letzten beiden PORCUPINE TREE-Alben, erreicht aber nicht ganz die Klasse von NO-MANs letztem Werk „Schoolyard Ghosts“. Besser als PT deshalb, weil die Bandbreite der Songs größer ist. Steve Wilson gelingt es auf dem Album, die ganze Bandbreite seiner Nebenprojekte zu einem schlüssigen Ganzen zu vereinen. Schlechter als No Man ist es aber für mich, weil es hier und da für mich etwas zu laut und bei zwei Songs zu „simpel“ wird.

„Harmony Korine“ erinnert in seiner Eröffnung frappant an U2 aus ihrer „Joshua Tree“-Phase, aber Wilsons Gesang und bratzende Gitarrenriffs neben sphärischen Synthies machen klar, das hier Porcupine Tree Pate standen. Der Track hätte ohne Probleme auch auf einem der beiden letzten Alben erscheinen können.

Der zweite Titel „Abandoner“ klingt wie eine Mischung aus frühen Portishead und No-Man. Er beginnt als dezente Ballade und endet im DRONE-Stil von Bass Communion. Die standen auch Pate für das folgende „Salvaging“, bei dem Wilson sich selbst zitiert. Bei diesem Song gibt es ein lyrisches Intermezzo mit dem Streicher-Ensemble. Der Song ist für mich, der harte Klänge nicht so liebt, ziemlich gelungen. Besonders der Einsatz von Dirk Serries (VIDNA OBMANA) an der Drone-Gitarre im Zusammenspiel mit den Bassriffs passt gut zusammen und das erwähnte Intermezzo bricht die Schwere auf. Im völligen Kontrast dazu „Veneno Para Las Hadas“. Dieser Titel ist schwebend-lyrisch, sanft pulsierende Basstöne, schwebende Synthies und Gitarren wogen sanft hin und her, unterstützt von einem sanften Klavier. Mit Tim Bowness als Sänger wäre das ein No-man-Stück.

Kernstück der CD für mich ist das über acht Minuten lange „No Twilight Within The Courts Of The Sun“. Hier standen KING CRIMSON eindeutig Pate. Der ganze Titel klingt wie eine spontan aufgenommene Session von Bassist (hier Tony Levin), Schlagzeuger und zwei Gitarristen. Eher verhalten-jazzig zum Anfang, pendelt der Titel zwischen wuchtig-laut, stellenweise stakkatohaft und sanft lyrisch dahin. Eine der besten Nummern, die Wilson in den letzten Jahren geschrieben hat.

Das folgende „Significant Other“ ist songorientierter, erinnert viel stärker an seine Stammband und ist einfach laut (bis auf das Glockenspiel am Ende). Nun folgt für mich der schwächste Song. „Only Child“ ist ein netter Popsong im PT-Stil mit stellenweise brachialen Gitarreneinwürfen, dem es für meine Ohren einfach an Abwechslung fehlt. Hier spielt Gavin Harrison so monoton-stupide daher, wie ich es vom Konzert her in (schlechter) Erinnerung habe. Das folgende Instrumental „Twilight Coda“ ist dagegen wieder gut hörbar. Eigentlich besteht der Titel „nur“ leicht psychedelisch mit schwebenden, hallenden Flächen zu einer akustischen Gitarre, aber zum Ende hin löst sich die Struktur immer mehr auf und ein Klavier übernimmt die Melodieführung. „Get all you deserve“ ist BASS COMMUNION pur - Dronegitarren ohne Ende, ein Wall aus lauten Tönen, um dem Titel gebenden Abschlusssong den gebührenden Kontrast zu geben. „Insurgentes“ ist eine wunderschöne Wilsonballade, leicht traurig daher kommend, aber nicht depressiv, sondern voll unterschwelliger Hoffnung mit leicht asiatischem Einschlag durch die 17saitige Bass-Koto.

Also wie gesagt, ein gelungenes Album. Meiner Meinung nach tut es dem Herrn gut, neben seinen Stammmusikern auch andere einzubeziehen. Allein die Klangfarben durch Theo Travis oder Dirk Serries, um nur zwei zu nennen, geben dem Album das gewisse Etwas, was den letzten PT-Alben in meinen Augen fehlt.

Freut euch also auf das Frühjahr. Klanglich ist an dem Album wie gewohnt nichts auszusetzen. Der 5.1.-Mix ist gelungen.

Andreas Plaeschke, Dezember 2008

   

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