Single Celled Organism – Splinter In The Eye
Afraid Of Sunlight Records (2017)
(12 Stücke, 57:53 Minuten Spielzeit)

Der Produzent, Komponist und Multiinstrumentalist Jens Lueck sollte den Rockfreunden schon einige Male über den Weg gelaufen sein, denn er hat u. a. einige Alben der Band Sylvan produziert und auch mit der Sängerin Isgaard mehrere Produktionen veröffentlicht. Sein neuestes Projekt nennt sich Single Celled Organism, bei dem er zahlreiche Instrumente (Schlagzeug, Keyboards und Bass) selbst eingespielt hat. Daneben singt er auch noch auf einigen Stücken. 


Jens wurzeln liegen im Progressive und Artrock. Zu seinen Inspirationsquellen zählen unter anderem Genesis und Pink Floyd, aber auch neuere Bands wie etwa Porcupine Tree zählen zu seinen Favoriten. Jetzt hat er zusammen mit seiner Partnerin und Sängerin Isgaard, den Gitarristen Jan Petersen (ex-Sylvan), Ingo Salzmann und Dieter Koch,  Flötist Volker Kuinke (Eloy), Katja Flintsch (Violine, Viola) sowie Annika Stolze (Cello) ein lupenreines Prog-/Artrockalbum eingespielt, das den Titel „Splinter In The Eye“ trägt.

Inspiriert wurde Jens dabei vor ca. zwei Jahren von seiner 14-jährigen Tochter, die ihm eine SMS schickte die etwa so lautete: „Papa, ich hab’ gerade ein geniales Album gehört; das würdest du lieben: Porcupine Tree – Fear of a Blank Planet.“ Jens dazu: „Und mit einem Schlag war alles wieder da bei mir; ich war hungrig und habe mich ein paar Tage später hingesetzt und das erste Stück geschrieben (The Virus).“ Ziemlich schnell war klar, dass ein Konzeptalbum entstehen sollte, denn schon immer war es Jens Lueck ein Bedürfnis, dass Songs einen längeren Bogen haben und dass sich Geschichten entwickeln können. Auf der Basis fragwürdiger gesellschaftlicher Entwicklungen und Luecks Interesse für skurrile, etwas futuristische Szenarien entstand die Story und zeitgleich die Musik. Auch Luecks Lebenspartnerin, die Sängerin Isgaard (seit 2003 sieben Alben), sollte in der Rolle der weiblichen Protagonistin mit eingebunden werden.

„Es war ein bisschen als wären alle Dämme gebrochen...ich kam kaum hinterher, die Ideen festzuhalten. Ich habe mich seit Ewigkeiten nicht mehr so frei gefühlt beim Komponieren“. Und da sich alles in einer „kleinen, abgeschotteten Zelle“ abspielte, beschreibt der Name Single Celled Organism den Entstehungsprozess perfekt.

Die Story erzählt eine Geschichte, die an den Film „Truman Show“ mit Jim Carrey erinnert. Auch hier wird ein Mensch, dieses Mal ein Mädchen, von Kameras überwacht und wächst von Geburt an in einer isolierten Umgebung auf.

Zu Beginn des Openers „Prologue (The Mark Of Cain)“ hört man Stimmengewirr, dann Applaus und schließlich setzt eine Stimme ein, die das Thema des Albums - wie bei einem Vortrag - erzählt. Untermalt wird diese Passage von Keyboardsounds, die einen hohen Spannungsaufbau erzeugen. So wird man auf dieses Konzeptwerk perfekt eingestellt. Nach einer Minute kommt dann eine hinreißende Keyboardpassage auf, bei der die großen Zeiten der Progikonen wach werden. Gitarren und Piano sorgen für weitere Akzente bis dieser Opener in einen wunderbaren Progrocktpart endet.

„Growing Up“ schließt sich nahtlos an und man erkennt, das Jens Lueck seine Inspirationsquellen förmlich aufgesogen hat um daraus etwas eigenes zu machen, denn es entwickelt sich eine dichte Atmosphäre die dem Sound von Porcupine Tree in Nichts nachsteht. Nach einem drucksvollen Beginn wechselt das Ganze dann zu herrlichen mehrstimmigen Gesangspassagen und warmem, sanftem Progrock, der immer mal wieder durch druckvolle Parts unterbrochen wird.

Das ist auch gleichzeitig die Blaupause für die restlichen Stücke, die alle mit betörenden Melodien aufwarten und ein ums andere Mal mit Fragmenten versetzt sind, die an bekannte und beliebte Progbands erinnern. Alle Musiker bringen sich hervorragend ins Gesamtbild ein und bilden so eine homogene Verbindung. Isgaards hohe Stimme sorgt darüber hinaus für Akzente.

Einiges an den Sounds und den Melodien erinnert in der Tat an Steven Wilson, ohne aber in ein Plagiat zu münden. Vielmehr hat Jens Lueck den Spirit von Wilson aufgenommen und interpretiert ihn in seiner ganz eigenen, sehr wohlschmeckenden Art. „Splinter In The Eye“ ist ein grandioses Album geworden mit dem sich Jens Lueck mit an die Spitze der deutschen Prog-/Artrockbands katapultiert.

Stephan Schelle, Oktober 2017

   

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