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Single Celled
Organism – Event Horizon Single Celled Organism, das Artrockprojekt von Multiinstrumentalist, Komponist und Produzent Jens Lueck geht am 03.03.2023 in die dritte Runde. Auf dem dritten Album „Event Horizon“ wird die Geschichte von Dr. Abbott Barnaby und dem so genannten „TV-Girl“ (Tella) fortgeführt. Die Story der vorangegangenen Alben „Splinter In The Eye“ und „Percipio Ergo Sum“ werden damit nahtlos weitererzählt. |
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Im
Zentrum der Geschichte steht die Begegnung der beiden ungleichen
Protagonisten, während derer Barnaby all seine Vorsätze über Bord wirft
und Tella mit der Wahrheit konfrontiert – mit schwerwiegenden Folgen:
Ihre mühsam erarbeitete innere Stabilität und ihre Hoffnung auf inneren
Frieden werden mit einem Schlag zerstört und sie gerät völlig aus der
Bahn. Das
Album thematisiert am Beispiel der beiden Hauptcharaktere den
Ereignishorizont – nicht im physikalischen Sinn, sondern in Bezug auf
die menschliche Psyche und die individuellen Vorstellungsgrenzen. In
Zeiten von Klimakrise, Verschwörungstheorien und dem Angriff Russlands
auf die Ukraine wird überdeutlich, wie wichtig es ist, die Grenzen des
Denkens zu verschieben, die eigene Wohlfühlsphäre zu verlassen und das
jeweilige Gegenüber sowie das globale Miteinander im Blick zu behalten. Die
CD-Version, die mir vorlag, erscheint im Jewelcase und enthält neun Stücke
mit Laufzeiten von 2:57 bis 9:06 Minuten Spielzeit. Die Songs sind aber so
geschickt aneinandergefügt, dass der Eindruck eines komplexen, gut 60minütigen
Tracks entsteht. Das, sowie eingeschoben Samples wie Einschänken einer Flüssigkeit,
Schritte, Klopfen an eine Tür, zersplitterndes Glas etc. unterstreichen
den Konzeptcharakter und lassen vor dem inneren Auge beim Hören Bilder
entstehen. Musikalisch
wird auf „Event Horizon“ wieder erstklassiger Artrock geboten der ein
ums andere Mal an Bands wie Pink Floyd oder auch RPWL erinnert, trotzdem
aber eine eigene Handschrift aufweist. Schon
die ersten Klänge vom 9:06minütigen Opener „Memories In A Box“
sorgen für ein wohliges Gefühl, denn Johnny Beck (Sylvan) spielt hier
einen Gitarrenpart, der in der Schnittmenge von David Gilmour und Kalle
Wallner wandelt. Jens bestreitet hier den Hauptgesang, während Isgaard
sich immer wieder mit unter die Haut gehenden Gesangseinschüben
einbringt. Jens spielt in diesem Stück Bass, Keyboards, Schlagzeug und
einige E-Gitarrenparts. Im letzten Viertel wird es dann druckvoller,
neoproggiger und auch eine retromäßige Orgelpassage findet sich in
diesem Teil. Der Song mit seiner eingehenden Melodie, einigen Breaks und
akzentuiert gespielten Instrumenten sorgt schon zu Beginn für Gänsehaut.
Und diese Qualität zieht sich durch das komplette Album. Das
Einschänken eines Getränkes und ein Schlürfen sind der nahtlose Übergang
zum nächsten Stück, dem 5:16minütigen „Changes Are Coming (The
Companion)“. Der Song ist eine wunderbar einfühlsame Ballade. Johnny
Beck hat hier ein weiteres wunderbares Gitarrensolo beigesteuert. Melodieführung
und der zum Ende hin aufkommende Backgroundgesang von Adriana Glavas
lassen „Dark Side Of The Moon“-Feeling aufkommen. Rockiger
zeigt sich dann das 7:43minütige „Thoughts“. Ein grandioses Song, bei
dem Jens Lueck nicht nur das Stück am Schlagzeug vorantreibt, sondern
daran auch einige Akzente setzt. Dieses Stück bereichert Ingo Salzmann an
der Gitarre mit einem tollen Solo. Mit
dem Klopfen an eine Tür und Isgaards Stimme „Come in, it’s open“
startet dann das 7:14minütige „The Encounter“. In diesem Song übernimmt
Isgaard einen größeren Gesangspart, den sie sich mit Jens Lueck teilt.
Die beiden gehen hier in einen Dialog. Und dann kommt im Mittel wieder so
ein Gänsehaut treibendes Gitarrensolo, bei dem Johnny Beck seine Gitarre
förmlich zum Singen bringt. Im
fünfminütigen „Shifted“ verliert Tella den Boden unter den Füßen. Ihr
komplettes Weltbild gerät aus den Fugen. Unterschiedlichste Gefühle
verdichten sich zu unendlichem Schmerz. Isgaard setzt dies in dem
melancholischen, sanften Song mit ihrer Stimme gefühlvoll um. Mit dem
2:57minütigen „Distorted Night“ befindet sich dann noch ein
Instrumentaltrack auf dem Album, der sich sehr druckvoll zeigt. Eine
wunderbare Akustikgitarrenpassage und perlende Keyboardklänge läuten
dann das Titelstück ein, mit dem das Album endet. Der Gesang erinnert
wieder ein wenig an RPWL. Im letzten Viertel wird es dann wieder sehr
druckvoll und ekstatisch. Ein klasse Track, der mit der Dynamik und
wechselnden Stimmungen spielt. Jens
Lueck führt auf „Event Horizon“ die Story von „Splinter In The
Eye“ und „Percipio Ergo Sum“ weiter und bettet dies in eine
klanglich herausragende Produktion. Musikalisch wandelt er mit seinem
Projekt im Art-/Prog-/ und Neo-Progrock-Bereich. Ein einzelnes Stück
hervorzuheben verbietet sich förmlich, da alle Stücke eine gleichmäßig
hohe Qualität aufweisen. Das Werk gehört für mich zu den besten Alben,
die diese Sparte zu bieten hat. Stephan Schelle, Februar 2023 |
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