Schizofrantik – Ripping Heartaches
Gentle Art Of Music (2017)

(7 Stücke, 53:23 Minuten Spielzeit)

Hinter dem Projektnamen Schizofrantik steht vor allem Gitarrist, Bassist und Sänger Martin Mayrhofer, der bis auf eines der sieben Stücke für die Komposition des Albums verantwortlich ist. Ganze vier Jahre hat er sich für seinen Nachfolger von „The Knight On The Shark“ Zeit gelassen. Das neue, dritte Studioalbum nennt sich „Ripping Heartache“ und wurde mit Henning Lübben (Keyboards) und Andy Lind (Schlagzeug) eingespielt. Darüber hinaus hat im Opener „Satan And Death Seperated By Sin“ Christian Schichtl, der neu in der Band ist, hinter den Trommelfellen gesessen. Neu ist auch der Bassist Marco Osmajic, der allerdings noch nicht auf dem Album mitgewirkt hat.


Schon die beiden Vorgängeralben „Oddities“ und „The Knight On The Shark“ zeigten, dass die Musik von Schizfrantik nicht leicht zu konsumieren ist und sich stark im Avantgarde-Bereich mit Art- und Progressiverock-Einflüssen bewegt. Daher lässt sich die Musik von Schizofrantik auch nicht in eine Schublade stecken.

Im Pressetext heißt es dazu: Viele Bands bedürfen neben dem Bandnamen einer nähren Umschreibung, im Falle von Schizofrantik ist dieser jedoch tatsächlich Programm. Wer immer schon einmal hören wollte, wie es geklungen hätte, wenn King Crimson gemeinsam mit Frank Zappa und Bela Bartok die Symptome eines präzise konzentrierten Schlaganfalls vertont hätten, der erhält auf „Ripping Heartaches“ endlich die Antwort. Mastermind Mayrhofer peitscht die Songs gnadenlos durch die Genres, verliert jedoch nie das Gefühl für den roten Faden seiner Komposition. Vom vertrackten Mathematik-Riff über die brachiale Wut-Keule bis hin zur melancholischen Herzschmerzmelodie packt der Münchner „Ripping Heartaches“ randvoll mit seiner musikalischen Kreativität. Dieses Fundament dient den Stücken über buddhistische Lehren und den Herzschmerz unserer Zeit als perfekter Nährboden.

Die einzelnen Parts mögen manchmal zunächst sperrig wirken, doch Myrhofer versöhnt diese Konflikte geschickt durch sein Songwriting, indem er aus der Not eine Tugend macht und die neu entstehenden Elemente ins große Ganze integriert - hier wird die Schablone an das Werkstück angepasst, nicht andersherum. Mayrhofer hebt besonders den Opener „Satan And Death Seperated By Sin“ heraus, den er sogar als Höhepunkt seiner kompositorischen Arbeit bezeichnet.

Die zwei Longtracks „Satan And Death Seperated By Sin“ (12:52 Minuten) und „Infinity“ (11:50 Minuten) stellen den Rahmen für die weiteren Stücke dar, deren Spielzeit zwischen 3:46 und 7:51 Minuten liegen.

Der instrumentale Opener „Satan And Death Seperated By Sin“ empfängt den Hörer zunächst durch verstörende Klänge. Hardrockartige Rhythmen treffen in diesem ersten Stück auf ein leicht chaotisch wirkendes Soundgefüge. Doch wenn man genau hinhört, so zeigen sich doch sehr feine Harmonien und es entwickelt sich aus dem vermeintlichen Chaos eine Struktur die über den Hörer hinwegfegt und mit zahlreichen Soli, die die Fingerfertigkeit der Musiker zeigt, durchzogen ist. Und dann hört der Schlagzeugrhythmus, der das Stück bisher vorangetrieben hat, in der Hälfte plötzlich auf und Gitarre und Bass sowie Keyboards gehen eine harmonische Liaison ein. Diese ruhigen Harmoniefolgen wirken wie Balsam für die Ohren, doch halten sie nur ca. zwei Minuten an, dann geht es wieder rhythmischer zur Sache. Das zeigt schon, wie Schizofrantik durch die Genres fegt, denn die unterschiedlichsten Stilistiken werden hier miteinander verknüpft.

Mit dem 3:46minütigen „A New Day“ kommt dann der erste gesungene Titel an die Reihe. Hier geht es dann auch sehr melodisch zu. Progressive- und Artrock werden hier mit jazzigen Elementen verschmolzen. Dem schließt sich dann das 5:38minütige „Personal Hell“ an, das wieder instrumental gehalten ist. Auch hier geht es wie in „Satan And Death Seperated By Sin“ zunächst härter zur Sache doch ist dieses Stück  nicht ganz so verschroben wie der Opener. Im Mittelteil findet sich dann gar eine sehr atmosphärisch angejazzte Passage, die schnell ins Ohr geht.

Der 7:24minütige Song „Hungry Ghosts“ stellt eine Art Progressive-Jazz-Metal-Track dar, bei dem der Gesang zwischen Düster und herrlich melodischem Rock pendelt. Vor allem der Refrain geht sehr gut ins Ohr und stellt einen Kontrast zu dem Rest des Songs dar, wobei auch die Soli in der Mitte des Stückes sehr melodisch angelegt sind. Dieser Song, den Mayrhofer zusammen mit Andy Lind komponiert hat, tariert die unterschiedlichen Stile gut aus, sodass ein Gleichgewicht entsteht.

Ebenfalls die Sieben-Minute knackt „„Why Is My Mind?“, das mit einer sehr schönen Keyboardpassage beginnt. In diesem Stück sind es vor allem die Gitarren (teils akustisch), die Akzente setzen. Jazzig/funkig wird es dann im Mittelteil, wenn zum Solo der Rhythmusgitarre angesetzt wird. Es gibt hier - wie auch in den anderen Stücken - soviel zu hören, dass man es kaum beschreiben kann. Dabei wird der Hörer aber zu keiner Zeit überfordert. Mit sehr filigran gespielter Akustikgitarre geht es dann sanft aus dem Song.

Dem schrecklichen Schicksal der Kriegsopfer widmen sich Schizofrantik dann im Instrumental „Children Stopped Crying In Aleppo“, das mit einer Collage aus Spieluhren beginnt und dann sehr melancholisch von der Gitarre interpretiert wird und zum Ende hin in eine Geräuschkulisse mit akzentuiertem Rhythmus verstörend ausklingt. Das Bild im Booklet mit der zerstörten Puppe und die Musik erwecken beim Hörer eine ganz eigentümliche, melancholische Stimmung.

Den Abschluss bildet dann der Longtrack „Infinity“, der sehr proggig beginnt und durch herrlich frickelige Gitarren- und tolle Keyboardsoli besticht. Auch dieses Stück bekommt im weitren Verlauf eine leicht jazzige Note. Das Stück wird darüber hinaus von Harmonien und Melodien bestimmt.

Der CD liegt ein 20seitiges Booklet bei, das die teils verstörend wirkende Musik in Bildern darstellt.

Auch auf dem dritten Studiowerk von Schizofrantik zeigt sich wieder eine wilde Mixtur verschiedener musikalischer Stile, die das Werk nicht in eine bestimmte Kategorie einordnen lässt. Der Opener ist zunächst etwas schwer verdaulich, doch die restlichen Stücke enthalten dafür umso mehr herrlich harmonische und melodische Passagen die gut ins Ohr gehen. Zwar muss man sich auch dieses Werk zunächst erschließen, aber es geht recht schnell und man bekommt außergewöhnliche Musik, die einen hohen Reiz ausstrahlt.

Stephan Schelle, September 2017

   

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