Schizofrantik - Oddities

Schizofrantik - Oddities
gentle art of music (2011)
(10 Stücke, 54:54 Minuten Spielzeit)

Für mich ist die deutsche Band Schizofrantik bisher unentdeckt geblieben. Und auch wenn die Band mit „Oddities“ ihr Debüt auf dem Label Gentle Art Of Music gibt, ist sie doch schon seit Jahren recht aktiv. Mehrere Livealben sind bereits erschienen und mit ihrem Avantgarde-Rock haben sie auch schon Festivals wie „Burg Herzberg“ im Jahr 2007 bereichert. Bereits mit der Namensgebung bringen die vier Münchner ihr Weltbild auf den Punkt: Die Kombination aus „Schizophrenie“ und „Emotionsrausch“, die Zerrissenheit zwischen Chaos und Ordnung, technischer Versiertheit und Losgelassenheit, sind mit jedem Ton spürbar.


Das LineUp der Band besteht aus Martin Mayerhofer (Gesang, Gitarre), Markus Jehle (Keyboards), Peter Braun (Bass) und Andy Lind (Schlagzeug). Wem jetzt einige Namen bekannt vorkommen, der täuscht sich nicht, denn Martin Mayerhofer hat unter anderem jahrelang mit der bekannten Jazzmetal-Band Panzerballett gearbeitet und Markus Jehle ist Mitglied der Art- bzw. Progressive-Rockband RPWL. Als Gäste konnte die Band noch Jan Zehrfeld (Panzerballett) an der Gitarre und Conny Kreitmeier (Gesang) gewinnen.

Für ihr Studiodebüt, das am 28.10.2011 erscheint, haben sich Schizofrantik ein ebenso zum Image passendes Thema für ihr Konzeptalbum zu Eigen gemacht: „Oddities“ beschäftigt sich mit dem David Lynch-Klassiker „Der Elephantenmensch“. In dem Protagonist John Merrick, gefangen zwischen Ausgrenzung und Akzeptanz, im ewigen Kampf um Menschlichkeit steht und schlussendlich verzweifelt aufgibt. Das gesellschaftskritische Konzeptalbum, basierend auf einer wahren Begebenheit, lässt besonders bei dieser außergewöhnlichen Hauptfigur Platz für viele Gefühlsfacetten: Einsamkeit, Andersartigkeit, aber auch Vertrauen und Träumerei sind Teil der Geschichte um „Oddities“.

Musikalisch geht es schon mit den ersten Tönen recht avantgardistisch zu, denn hier werden Metal, Jazz und Progressiverock recht experimentell miteinander verwoben. Das ist zunächst nicht einfach zu konsumieren, entwickelt sich aber, sobald man sich einige Momente mit der Musik beschäftigt hat. Hier treten dann auch immer wieder plötzliche Wechsel in der Melodik und Struktur zu Tage, die die Musik in eine andere Richtung driften lässt. Das ist nicht immer einfach, denn wenn man sich erst einmal eingewöhnt hat, kann es passieren das Schizofrantik auch schon wieder die Richtung wechseln. Das mag auf den ersten Blick recht unstrukturiert wirken, doch je öfter und intensiver man sich mit der Musik beschäftig, umso mehr erkennt man die verbindenden Linien.

Recht funkige Gitarren leiten in den zweiten Track „Last Signal Distorted“ über. Doch schnell ändert sich auch hier das Bild und Metallastige Passagen treten in den Vordergrund. Man hat das Gefühl, als wolle die Band eine Vielzahl von stilistischen Elementen und Klängen in jeden einzelnen Song einbringen. Das ist zunächst verstörend und übt doch schnell eine gewisse Faszination aus. Und auch in den Folgestücken wird diese zunächst verstörende Art wie zum Beispiel in „It Happens“ fortgeführt. Aber auch hier lohnt es sich die Detailarbeit auf sich wirken zu lassen. Überraschungen gibt es einige, so streut die Band dann mal eben ein 48sekündiges Zwischenspiel („Waltz“) ein, das (durch das Akkordeon) wie eine Straßenszenerie mit französischem Flair wirkt. Und im nächsten Moment kommt ein verstörender Song, der mich streckenweise an die Red Hot Chilli Peppers erinnert, an die Reihe.

„Oddities“ ist ein Album, das erst erobert werden will. Mal eben hineinhören geht nicht, dazu sind die Strukturen zu komplex und vielschichtig. Eigentlich würde ich die Musik in die Sparte Progmetal ordnen, da sie aber viele weitere Stilarten in sich vereint, die nicht unbedingt einfach zu konsumieren sind, bin ich geneigt hier den Begriff Avantgarderock zu verwenden. Wer also außerhalb der normalen Hörgewohnheiten ein fesselndes Album mit teilweise harten Metalriffs sucht, der sollte „Oddities“ mal Probehören.

Stephan Schelle, September 2011

   

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